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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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d. h. wie sie es sicher und vorteilhaft anlegen konnten. Der deutsche Geld¬
markt wurde durch die Franzosen und Engländer gedrückt, die deutsche Münze
war entwertet. In seinen Erwägungen darüber findet er zwar einigen Grund
in der Überschwemmung Europas mit amerikanischem Silber und Gold durch
die Spanier. Doch liegt darin nicht die alleinige Ursache für die Münz¬
verschlechterung. Die Holländer und die Franzosen sind die Fabrikanten für
alle Welt. Sie bestimmen den Preis der Ware, aber viel zu hoch im Ver¬
hältnis zum Werte derselben. Die Preise waren nach Leibmzens Angabe um
das Dreifache, jn Sechsfache gegen früher gestiegen. Die faulen Spanier zunächst
sind gezwungen, die geforderten Preise zu zahlen, und so wird bei ihnen
der Geldwert herabgedrückt. Darunter müssen alle Staaten leiden, die Berg¬
werke besitzen. Man kann dein Werte des Geldes nnr aufhelfen und das Land
davor schützen, daß es dnrch die Holländer und Franzosen ausgesogen wird,
wenn dem Handel, dem Gewerbe und der Industrie wieder größere Fürsorge
und Unterstützung durch die Fürsten zu teil wird. Dann wird man das
Monopol jener beiden Völker brechen.

So schließt sich der Ring dieser Betrachtungen zusammen.

Haben wir im Vorstehenden die Absichten Leibmzens zur Aufbesserung der
Beschäftigluig der Menschen kennen gelernt, so kommen wir nun zu den Plänen,
die sich unmittelbar auf das Wohlergehen der Meuscheu selber erstrecken. Hat
er dort mehr den Blick auf das Ganze, auf die Kräftigung des Staates ge¬
richtet, so wendet er in den Entwürfen, die das Gesundheits- und Versiche¬
rungswesen, auch die Erziehung betreffen, seine Teilnahme den einzelnen Per¬
sonen zu, allerdings in der Voraussetzung, daß, wenn es mit den Gliedern
gut steht, auch das Befinden des ganzen Körpers ein vortreffliches sein
wird. Von einem Staate, mit dem es wohl bestellt ist, verlangt Leibniz,
daß er dem, der ohne eigne Schuld in Schaden geraten ist, Beistand gewähre.
Unter der trnurigcu Nachwirkung des dreißigjährigen Krieges brach so leicht
durch einen Unglücksfall Armut und Bedrängnis über Familien herein, zumal
dn die Leute des Mutes zu neuem Wagen und zur Selbsthilfe durch die fort¬
währende Not beraubt waren. Es ist viel vorteilhafter für den Staat, setzt
Leibniz aus einander, durch Unterstützung einen ehrlichen Mann zu erhalten,
als ihn zum Bettler werdeu zu lassen; denn die Bettler muß der Staat auch
ernähren, und sie kommen noch viel teurer zu stehen, als die Ersetzung von
Schäden. Gleichwie um die natürlichen Vereine der Familie und des Hauses
Lieb und Leid mit einander ausstehen, so ist es auch im Staat oder in der
bürgerlichen Gesellschaft billig, daß Unglücksfülle, von denen ein Glied durch
Gottes Schickung betroffen wird, gleichsam gemein gemacht werden, und einer
dem andern sie tragen helfe. Es sollen also alle Staatsbürger zu einer Ver¬
sicherung beitragen und jährlich ein Gewisses an den Staat einzahlen. Dafür
hat dieser bei Feuers- und Wasserschäden, bei Teuerung und andern Fällen


d. h. wie sie es sicher und vorteilhaft anlegen konnten. Der deutsche Geld¬
markt wurde durch die Franzosen und Engländer gedrückt, die deutsche Münze
war entwertet. In seinen Erwägungen darüber findet er zwar einigen Grund
in der Überschwemmung Europas mit amerikanischem Silber und Gold durch
die Spanier. Doch liegt darin nicht die alleinige Ursache für die Münz¬
verschlechterung. Die Holländer und die Franzosen sind die Fabrikanten für
alle Welt. Sie bestimmen den Preis der Ware, aber viel zu hoch im Ver¬
hältnis zum Werte derselben. Die Preise waren nach Leibmzens Angabe um
das Dreifache, jn Sechsfache gegen früher gestiegen. Die faulen Spanier zunächst
sind gezwungen, die geforderten Preise zu zahlen, und so wird bei ihnen
der Geldwert herabgedrückt. Darunter müssen alle Staaten leiden, die Berg¬
werke besitzen. Man kann dein Werte des Geldes nnr aufhelfen und das Land
davor schützen, daß es dnrch die Holländer und Franzosen ausgesogen wird,
wenn dem Handel, dem Gewerbe und der Industrie wieder größere Fürsorge
und Unterstützung durch die Fürsten zu teil wird. Dann wird man das
Monopol jener beiden Völker brechen.

So schließt sich der Ring dieser Betrachtungen zusammen.

Haben wir im Vorstehenden die Absichten Leibmzens zur Aufbesserung der
Beschäftigluig der Menschen kennen gelernt, so kommen wir nun zu den Plänen,
die sich unmittelbar auf das Wohlergehen der Meuscheu selber erstrecken. Hat
er dort mehr den Blick auf das Ganze, auf die Kräftigung des Staates ge¬
richtet, so wendet er in den Entwürfen, die das Gesundheits- und Versiche¬
rungswesen, auch die Erziehung betreffen, seine Teilnahme den einzelnen Per¬
sonen zu, allerdings in der Voraussetzung, daß, wenn es mit den Gliedern
gut steht, auch das Befinden des ganzen Körpers ein vortreffliches sein
wird. Von einem Staate, mit dem es wohl bestellt ist, verlangt Leibniz,
daß er dem, der ohne eigne Schuld in Schaden geraten ist, Beistand gewähre.
Unter der trnurigcu Nachwirkung des dreißigjährigen Krieges brach so leicht
durch einen Unglücksfall Armut und Bedrängnis über Familien herein, zumal
dn die Leute des Mutes zu neuem Wagen und zur Selbsthilfe durch die fort¬
währende Not beraubt waren. Es ist viel vorteilhafter für den Staat, setzt
Leibniz aus einander, durch Unterstützung einen ehrlichen Mann zu erhalten,
als ihn zum Bettler werdeu zu lassen; denn die Bettler muß der Staat auch
ernähren, und sie kommen noch viel teurer zu stehen, als die Ersetzung von
Schäden. Gleichwie um die natürlichen Vereine der Familie und des Hauses
Lieb und Leid mit einander ausstehen, so ist es auch im Staat oder in der
bürgerlichen Gesellschaft billig, daß Unglücksfülle, von denen ein Glied durch
Gottes Schickung betroffen wird, gleichsam gemein gemacht werden, und einer
dem andern sie tragen helfe. Es sollen also alle Staatsbürger zu einer Ver¬
sicherung beitragen und jährlich ein Gewisses an den Staat einzahlen. Dafür
hat dieser bei Feuers- und Wasserschäden, bei Teuerung und andern Fällen


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[0023] d. h. wie sie es sicher und vorteilhaft anlegen konnten. Der deutsche Geld¬ markt wurde durch die Franzosen und Engländer gedrückt, die deutsche Münze war entwertet. In seinen Erwägungen darüber findet er zwar einigen Grund in der Überschwemmung Europas mit amerikanischem Silber und Gold durch die Spanier. Doch liegt darin nicht die alleinige Ursache für die Münz¬ verschlechterung. Die Holländer und die Franzosen sind die Fabrikanten für alle Welt. Sie bestimmen den Preis der Ware, aber viel zu hoch im Ver¬ hältnis zum Werte derselben. Die Preise waren nach Leibmzens Angabe um das Dreifache, jn Sechsfache gegen früher gestiegen. Die faulen Spanier zunächst sind gezwungen, die geforderten Preise zu zahlen, und so wird bei ihnen der Geldwert herabgedrückt. Darunter müssen alle Staaten leiden, die Berg¬ werke besitzen. Man kann dein Werte des Geldes nnr aufhelfen und das Land davor schützen, daß es dnrch die Holländer und Franzosen ausgesogen wird, wenn dem Handel, dem Gewerbe und der Industrie wieder größere Fürsorge und Unterstützung durch die Fürsten zu teil wird. Dann wird man das Monopol jener beiden Völker brechen. So schließt sich der Ring dieser Betrachtungen zusammen. Haben wir im Vorstehenden die Absichten Leibmzens zur Aufbesserung der Beschäftigluig der Menschen kennen gelernt, so kommen wir nun zu den Plänen, die sich unmittelbar auf das Wohlergehen der Meuscheu selber erstrecken. Hat er dort mehr den Blick auf das Ganze, auf die Kräftigung des Staates ge¬ richtet, so wendet er in den Entwürfen, die das Gesundheits- und Versiche¬ rungswesen, auch die Erziehung betreffen, seine Teilnahme den einzelnen Per¬ sonen zu, allerdings in der Voraussetzung, daß, wenn es mit den Gliedern gut steht, auch das Befinden des ganzen Körpers ein vortreffliches sein wird. Von einem Staate, mit dem es wohl bestellt ist, verlangt Leibniz, daß er dem, der ohne eigne Schuld in Schaden geraten ist, Beistand gewähre. Unter der trnurigcu Nachwirkung des dreißigjährigen Krieges brach so leicht durch einen Unglücksfall Armut und Bedrängnis über Familien herein, zumal dn die Leute des Mutes zu neuem Wagen und zur Selbsthilfe durch die fort¬ währende Not beraubt waren. Es ist viel vorteilhafter für den Staat, setzt Leibniz aus einander, durch Unterstützung einen ehrlichen Mann zu erhalten, als ihn zum Bettler werdeu zu lassen; denn die Bettler muß der Staat auch ernähren, und sie kommen noch viel teurer zu stehen, als die Ersetzung von Schäden. Gleichwie um die natürlichen Vereine der Familie und des Hauses Lieb und Leid mit einander ausstehen, so ist es auch im Staat oder in der bürgerlichen Gesellschaft billig, daß Unglücksfülle, von denen ein Glied durch Gottes Schickung betroffen wird, gleichsam gemein gemacht werden, und einer dem andern sie tragen helfe. Es sollen also alle Staatsbürger zu einer Ver¬ sicherung beitragen und jährlich ein Gewisses an den Staat einzahlen. Dafür hat dieser bei Feuers- und Wasserschäden, bei Teuerung und andern Fällen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/23>, abgerufen am 29.09.2024.