Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches In Deutschland, dem Philvlogenlande, ist die Sache methodisch angegriffen Maßgebliches und Unmaßgebliches In Deutschland, dem Philvlogenlande, ist die Sache methodisch angegriffen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0199" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204288"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_604" next="#ID_605"> In Deutschland, dem Philvlogenlande, ist die Sache methodisch angegriffen<lb/> worden. Nicht bloß der alte Druck, auch das Bild einer ganzen alten Litteratur<lb/> sollte neubelebt werden. Gliedere nud Tittmann hatten noch in der Form von<lb/> Neuausgaben mit dem 1<i. und 17. Jahrhundert begonnen. Bereits nach dem<lb/> neuen Grundsatz typographischer Nachbildung folgten auf demselben Gebiete die<lb/> Brauneschen „Neudrucke" (Halle, Niemeyer). neuerdings scheint die gesamte Neu-<lb/> druckslitteratur in dem großen Verlagsmittclpuukt für neuere Philologie Gebrüder<lb/> Henninger in Heilbronn gleichfalls einen Mittelpunkt gefunden zu haben. Hier<lb/> lag es nahe, auch die ausländischen Litteraturen mit Rücksicht ans die höhere Schnl-<lb/> lektüre, aber auch auf die literarhistorische Forschung und Liebhaberei heranzuziehn.<lb/> Und so können wir uns dank dem unermüdlichen Eifer dieses Verlages bereits<lb/> einer Reihe kritischer Neuansgabcn neuerer französischer und englischer Sprach-<lb/> und Litteraturdenkmale rühmen, die, durchweg von tüchtig geschulten Fachgelehrten,<lb/> zum Teil den in erster Reihe stehenden Forschern besorgt, in ihrer Auswahl,<lb/> Zuverlässigkeit und Billigkeit in den litterarischen Heimatländern nicht ihresgleichen<lb/> finden. Die englischen Litteraturdenkmale führten sich ein mit den dnrch die Be¬<lb/> schäftigung mit Shakespeare weiten Kreisen bekannten Marksteinen der euglischenThcater-<lb/> geschichte, den Dramen (Zorboäne or 1'örrex -an?orrvx und Marlvwes 'l'!»mburlg.imo.<lb/> Die Herausgeber sind Tvulmin Smith und Albrecht Wagner, eine historisch-kritische<lb/> Ausgabe von Marlvwes übrigen Werken hat Breymann in München übernommen.<lb/> Der für deu Gesellschaftstou eines ganzen Jahrhunderts vorbildliche Roman lZnxbuos<lb/> von John Lyly (dem Vater des „Euphuismus") verbunden mit (leider nnr) einem<lb/> Kapitel der Sidneyscheu ^rkaxlia,, des in den deutschen Litteraturvereinen des<lb/> 17. Jahrhunderts mehrmals in die Wirklichkeit übersetzten Schäferromans, liegt<lb/> mit einer erschöpfenden Einleitung und Noten von Friedrich Landmann vor. Von<lb/> den frühern französischen Erscheinungen erwähnen wir Wendelin Försters treuen<lb/> Abdruck der ersten Gesamtausgabe der Tragödien Robert Garuicrs (Paris 1585),<lb/> des bedeutendsten vvrklassischen Dramatikers Frankreichs. Ein für das klassische<lb/> Drama sehr bemerkenswertes (als solches schon Voltaire auffälliges) Stück, die<lb/> LovIwniLve des angeblich von Deutschen stammenden Jean de Mairet (1V35) brachte<lb/> dies Jahr die etwas einseitig auf das Bibliographische sich beschränkende Ausgabe<lb/> von Karl Vollmöller in Göttingen, des Leiters der beiden Sanunluugeu. Litterar-<lb/> historisch unterrichtender ist die Behandlung eines wunderlichen Heiligen der fran¬<lb/> zösischen Nenaissancelittcratur, des für eine hellenisch-metrisch-musikalische Zu-<lb/> kunftspvesie begeisterten Jean Antoine de Bens durch Ernst Johann Groth. Das<lb/> von ihm herausgegebene Werk Ba'ess, eine Uebersetzung des Psalters, ruft die<lb/> Beziehungen in Erinnerung, welche gerade diese französische Neformatiouslitteratnr<lb/> zu Deutschland hat. Der Autor ist übrigens von Seiten der deutschen Litteratur¬<lb/> geschichte nicht so vernachlässigt, als der Hernnsgeber beklagt. Dieser Bens ist<lb/> übrigens zugleich einer jener französischen Zukunftsorthographeu, die in jener Zeit<lb/> (1ö. Jahrhundert) auch zu uns (Paul Schede-Melissus) Ableger sandten. Gegenwärtig<lb/> finden sie diesseits des Rheines zniu mindesten begeistertem Anklang, wie hier<lb/> Wendelin Försters Auffrischung des Jre-Uo (so!) ni« 1a. (-r-rmmsrs ^'nunzocZM von Louis<lb/> Meigret (1550) beweist, gleichfalls einem Reformator der französischen Recht¬<lb/> schreibung (im Sinne der Lantschrcibuug), der etwas überschwänglich „zu deu<lb/> wahrhaft großen Männern, die als Apostel neuer, wahrer Ideen (!) mit dem Un¬<lb/> verstand und der gewohnheitsmäßigen Denkfanlheit in Kampf gerieten," gerechnet<lb/> wird. Ein neuer Fischart für diese modernen orthographischen Ketzer! Uns<lb/> will es doch scheinen, daß „das Land, das Stciatsformen und Dynastien wie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0199]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
In Deutschland, dem Philvlogenlande, ist die Sache methodisch angegriffen
worden. Nicht bloß der alte Druck, auch das Bild einer ganzen alten Litteratur
sollte neubelebt werden. Gliedere nud Tittmann hatten noch in der Form von
Neuausgaben mit dem 1<i. und 17. Jahrhundert begonnen. Bereits nach dem
neuen Grundsatz typographischer Nachbildung folgten auf demselben Gebiete die
Brauneschen „Neudrucke" (Halle, Niemeyer). neuerdings scheint die gesamte Neu-
druckslitteratur in dem großen Verlagsmittclpuukt für neuere Philologie Gebrüder
Henninger in Heilbronn gleichfalls einen Mittelpunkt gefunden zu haben. Hier
lag es nahe, auch die ausländischen Litteraturen mit Rücksicht ans die höhere Schnl-
lektüre, aber auch auf die literarhistorische Forschung und Liebhaberei heranzuziehn.
Und so können wir uns dank dem unermüdlichen Eifer dieses Verlages bereits
einer Reihe kritischer Neuansgabcn neuerer französischer und englischer Sprach-
und Litteraturdenkmale rühmen, die, durchweg von tüchtig geschulten Fachgelehrten,
zum Teil den in erster Reihe stehenden Forschern besorgt, in ihrer Auswahl,
Zuverlässigkeit und Billigkeit in den litterarischen Heimatländern nicht ihresgleichen
finden. Die englischen Litteraturdenkmale führten sich ein mit den dnrch die Be¬
schäftigung mit Shakespeare weiten Kreisen bekannten Marksteinen der euglischenThcater-
geschichte, den Dramen (Zorboäne or 1'örrex -an?orrvx und Marlvwes 'l'!»mburlg.imo.
Die Herausgeber sind Tvulmin Smith und Albrecht Wagner, eine historisch-kritische
Ausgabe von Marlvwes übrigen Werken hat Breymann in München übernommen.
Der für deu Gesellschaftstou eines ganzen Jahrhunderts vorbildliche Roman lZnxbuos
von John Lyly (dem Vater des „Euphuismus") verbunden mit (leider nnr) einem
Kapitel der Sidneyscheu ^rkaxlia,, des in den deutschen Litteraturvereinen des
17. Jahrhunderts mehrmals in die Wirklichkeit übersetzten Schäferromans, liegt
mit einer erschöpfenden Einleitung und Noten von Friedrich Landmann vor. Von
den frühern französischen Erscheinungen erwähnen wir Wendelin Försters treuen
Abdruck der ersten Gesamtausgabe der Tragödien Robert Garuicrs (Paris 1585),
des bedeutendsten vvrklassischen Dramatikers Frankreichs. Ein für das klassische
Drama sehr bemerkenswertes (als solches schon Voltaire auffälliges) Stück, die
LovIwniLve des angeblich von Deutschen stammenden Jean de Mairet (1V35) brachte
dies Jahr die etwas einseitig auf das Bibliographische sich beschränkende Ausgabe
von Karl Vollmöller in Göttingen, des Leiters der beiden Sanunluugeu. Litterar-
historisch unterrichtender ist die Behandlung eines wunderlichen Heiligen der fran¬
zösischen Nenaissancelittcratur, des für eine hellenisch-metrisch-musikalische Zu-
kunftspvesie begeisterten Jean Antoine de Bens durch Ernst Johann Groth. Das
von ihm herausgegebene Werk Ba'ess, eine Uebersetzung des Psalters, ruft die
Beziehungen in Erinnerung, welche gerade diese französische Neformatiouslitteratnr
zu Deutschland hat. Der Autor ist übrigens von Seiten der deutschen Litteratur¬
geschichte nicht so vernachlässigt, als der Hernnsgeber beklagt. Dieser Bens ist
übrigens zugleich einer jener französischen Zukunftsorthographeu, die in jener Zeit
(1ö. Jahrhundert) auch zu uns (Paul Schede-Melissus) Ableger sandten. Gegenwärtig
finden sie diesseits des Rheines zniu mindesten begeistertem Anklang, wie hier
Wendelin Försters Auffrischung des Jre-Uo (so!) ni« 1a. (-r-rmmsrs ^'nunzocZM von Louis
Meigret (1550) beweist, gleichfalls einem Reformator der französischen Recht¬
schreibung (im Sinne der Lantschrcibuug), der etwas überschwänglich „zu deu
wahrhaft großen Männern, die als Apostel neuer, wahrer Ideen (!) mit dem Un¬
verstand und der gewohnheitsmäßigen Denkfanlheit in Kampf gerieten," gerechnet
wird. Ein neuer Fischart für diese modernen orthographischen Ketzer! Uns
will es doch scheinen, daß „das Land, das Stciatsformen und Dynastien wie
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |