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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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und Schätzung des Versicheruugsobjekts, die ohne Hilft von Sachverständigen
w der Regel nicht zu bewerkstelligen ist, erfordern, und zwar nicht nur zur
Zeit der Versicherung, sondern auch, wenigstens bei längerer Versicheruugs-
^ner, zu wiederholtem Malen im Laufe der Versicheruugsperiode. Die Aus¬
übung der Kontrolle in dieser einzig wirksamen Form ist aber geradezu ein
Ding der Unmöglichkeit. Der Aufwand von Arbeit und Kosten für die Hundert-
tausende jährlicher Versicherungsabschlüsse würde unermeßlich sein, und eine
^waldige Verteuerung der Feuerversicherung würde die Folge davon sein. Die
Behörde beschränkt sich denn auch darauf, ihre untern Polizeiorgane zu befragen,
ein Bedenken gegen die Höhe der Versicherung obwalte, und erteilt, wenn,
U'le in der ungeheuern Mehrzahl der Versicheruugsfälle ein solches Bedenken
^egen der völligen Unkenntnis der in Betracht kommenden Verhältnisse nicht
erhoben werden kann, ihre Genehmigung. Von der großen Zahl der Ver¬
sicherungsanträge wird daher nur ein außerordentlich geringer Bruchteil be¬
anstandet. Von diesen stellt sich bei näherer Untersuchung wieder ein Teil als
auf Unkenntnis oder Unerfahrenheit des betreffenden Beamten, ein andrer Teil
als auf bloßer Unwissenheit und Gutgläubigkeit des Antragstellers beruhend
heraus, und nur in überaus seltenen Fällen ist wirklich eine strafbare Über¬
versicherung nachzuweisen. Die Sache läuft also im Grunde auf eine zwecklose
T"rin Humus, deren gesetzlich vorgeschriebene Erfüllung für die Gesamtheit
^er Versicherungsabschlüsse ein ungeheures Schreibwerk, Erschwerungen und
Ausgaben ohne praktischen Nutzen für das öffentliche Wohl nach sich zieht
und vielfach sogar unmittelbar schadet, indem sie den Abschluß der Versiche¬
rungen zum Nachteil der Versicherungsuchcudeu häufig nicht unerheblich verzögert.

Steht es sonach fest, daß die bisherige Gesetzgebung gegen die Gefahren
^r böswilligen spekulativen Überversicherung mit unrichtigen Mitteln ankämpft,
^ sollen doch diese Gefahren, bestehend in dem Anreiz zur verbrecherischen
Brandstiftung und in der betrügerischen Ausnutzung eines Brandfalles zu
ungesetzlichen Vermögensvvrteilen keineswegs geleugnet werden. Die Mittel
zur Verhütung dieser Gefahren müssen aber logischerweise einzig daraus ge¬
achtet sei", die Ausführung der mit einer Überversicherung etwa verbundenen
verbrecherischen Absicht unmöglich zu macheu und diese Unmöglichkeit durch
unchdrückliche und in das Wesen der Sache eindringende Handhabung der ent-
^rechenden Gesetzesvorschriften zum allgemeinen Bewußtsein zu bringen. Der
^Ne Teil dieser Aufgabe, soweit sie rein kriminalistischer Natur ist und sich
darauf bezieht, die Untersuchungen über die Entstehung der Brandfälle erfolg¬
reicher zu gestalten, als es bisher leider der Fall gewesen ist, soll hier, weil
^ in die Kompetenz der Justizverwaltungen der Einzelstaaten fällt, nicht weiter
erörtert werden; es sei nur gestattet, auf die Vorschlüge eines Untersuchungs-
^cheers, des Herrn Dr. Medem in Greifswald, aufmerksam zu machen und
""rauf hinzuweisen, daß es vielleicht zweckmäßig wäre, den Versicherungs-


Grenzbvten I 1889 17

und Schätzung des Versicheruugsobjekts, die ohne Hilft von Sachverständigen
w der Regel nicht zu bewerkstelligen ist, erfordern, und zwar nicht nur zur
Zeit der Versicherung, sondern auch, wenigstens bei längerer Versicheruugs-
^ner, zu wiederholtem Malen im Laufe der Versicheruugsperiode. Die Aus¬
übung der Kontrolle in dieser einzig wirksamen Form ist aber geradezu ein
Ding der Unmöglichkeit. Der Aufwand von Arbeit und Kosten für die Hundert-
tausende jährlicher Versicherungsabschlüsse würde unermeßlich sein, und eine
^waldige Verteuerung der Feuerversicherung würde die Folge davon sein. Die
Behörde beschränkt sich denn auch darauf, ihre untern Polizeiorgane zu befragen,
ein Bedenken gegen die Höhe der Versicherung obwalte, und erteilt, wenn,
U'le in der ungeheuern Mehrzahl der Versicheruugsfälle ein solches Bedenken
^egen der völligen Unkenntnis der in Betracht kommenden Verhältnisse nicht
erhoben werden kann, ihre Genehmigung. Von der großen Zahl der Ver¬
sicherungsanträge wird daher nur ein außerordentlich geringer Bruchteil be¬
anstandet. Von diesen stellt sich bei näherer Untersuchung wieder ein Teil als
auf Unkenntnis oder Unerfahrenheit des betreffenden Beamten, ein andrer Teil
als auf bloßer Unwissenheit und Gutgläubigkeit des Antragstellers beruhend
heraus, und nur in überaus seltenen Fällen ist wirklich eine strafbare Über¬
versicherung nachzuweisen. Die Sache läuft also im Grunde auf eine zwecklose
T"rin Humus, deren gesetzlich vorgeschriebene Erfüllung für die Gesamtheit
^er Versicherungsabschlüsse ein ungeheures Schreibwerk, Erschwerungen und
Ausgaben ohne praktischen Nutzen für das öffentliche Wohl nach sich zieht
und vielfach sogar unmittelbar schadet, indem sie den Abschluß der Versiche¬
rungen zum Nachteil der Versicherungsuchcudeu häufig nicht unerheblich verzögert.

Steht es sonach fest, daß die bisherige Gesetzgebung gegen die Gefahren
^r böswilligen spekulativen Überversicherung mit unrichtigen Mitteln ankämpft,
^ sollen doch diese Gefahren, bestehend in dem Anreiz zur verbrecherischen
Brandstiftung und in der betrügerischen Ausnutzung eines Brandfalles zu
ungesetzlichen Vermögensvvrteilen keineswegs geleugnet werden. Die Mittel
zur Verhütung dieser Gefahren müssen aber logischerweise einzig daraus ge¬
achtet sei», die Ausführung der mit einer Überversicherung etwa verbundenen
verbrecherischen Absicht unmöglich zu macheu und diese Unmöglichkeit durch
unchdrückliche und in das Wesen der Sache eindringende Handhabung der ent-
^rechenden Gesetzesvorschriften zum allgemeinen Bewußtsein zu bringen. Der
^Ne Teil dieser Aufgabe, soweit sie rein kriminalistischer Natur ist und sich
darauf bezieht, die Untersuchungen über die Entstehung der Brandfälle erfolg¬
reicher zu gestalten, als es bisher leider der Fall gewesen ist, soll hier, weil
^ in die Kompetenz der Justizverwaltungen der Einzelstaaten fällt, nicht weiter
erörtert werden; es sei nur gestattet, auf die Vorschlüge eines Untersuchungs-
^cheers, des Herrn Dr. Medem in Greifswald, aufmerksam zu machen und
"«rauf hinzuweisen, daß es vielleicht zweckmäßig wäre, den Versicherungs-


Grenzbvten I 1889 17
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/137>, abgerufen am 29.09.2024.