Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Deutschland und das Slawentum uns Verbündet, das war die stille Voraussetzung des Vertrages von 1879; Es ist unvermeidlich, daß der nationale deutsch-slawische Krieg, in dem Es ist nur zu wahr, wenn in einem Kvrrespondenzblatt des Schulvereins zu lesen ist: Deutschland und das Slawentum uns Verbündet, das war die stille Voraussetzung des Vertrages von 1879; Es ist unvermeidlich, daß der nationale deutsch-slawische Krieg, in dem Es ist nur zu wahr, wenn in einem Kvrrespondenzblatt des Schulvereins zu lesen ist: <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204209"/> <fw type="header" place="top"> Deutschland und das Slawentum</fw><lb/> <p xml:id="ID_355" prev="#ID_354"> uns Verbündet, das war die stille Voraussetzung des Vertrages von 1879;<lb/> wir könnten nicht Schutzfreundschaft halten mit einem Staate, der unser nationaler<lb/> Gegner wäre. Dieser unselige Zwiespalt zeigt sich schon jetzt in Österreich<lb/> selbst, indem unwillkürlich slawische wie auch deutsche Parteiinteressen gegen<lb/> das deutsch-österreichische Bündnis anrennen. Je stärker und selbstbewußter<lb/> dort das Slawentum wird, um so deutlicher zeigt es seiue Abneigung gegen<lb/> das Bündnis; um so schlimmer wird auch die Lage der deutschen Parteien<lb/> und mehrt sich die Zahl derjenigen Deutschen, die nnr noch von eiuer Ver¬<lb/> einigung mit Deutschland Rettung erwarten. Das ist ein Prozeß, der uns<lb/> nur mit der größten Besorgnis erfülle» kann, weil wir eine Stärkung, keine<lb/> Auflösung Österreichs wünschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_356"> Es ist unvermeidlich, daß der nationale deutsch-slawische Krieg, in dem<lb/> wir uns befinden, von Jahr zu Jahr stärker auf das staatliche Verhältnis<lb/> Einfluß gewinnt. Ja man kann schon von Monat zu Monat die wachsenden<lb/> Wirkungen dieser Sachlage auf unsre Beziehungen zu Österreich und Rußland<lb/> verfolgen. Die Lebensbedingungen unsrer nationalen Zukunft liegen vornehmlich<lb/> im Osten; gegen Westen haben wir dem seit Jahrhunderten sich vollziehenden<lb/> Abbröckeln deutschen Gebiets Einhalt gethan, können jedoch nicht erwarten,<lb/> unser nationales Wachstum dorthin auszudehnen. Im Westen muß unsre Thür<lb/> verschlossen bleiben, im Osten müssen wir sie offen halten. Daher erscheint die<lb/> steigende Sorge völlig gerechtfertigt, mit der leider bisher nur in engen Kreisen<lb/> der slawische Ansturm beobachtet wird. Wie ernst man aber diese Sache auch<lb/> bei uns bereits zu nehmen beginnt, zeigt eine jüngst an die „Kölnischen<lb/> Zeitung" gerichtete Zuschrift eines Gliedes des deutschen Schulvereins. Darin<lb/> heißt es:</p><lb/> <p xml:id="ID_357" next="#ID_358"> Es ist nur zu wahr, wenn in einem Kvrrespondenzblatt des Schulvereins zu lesen ist:<lb/> „Hunderte von Liedern und Gedichten feiern die deutsche Treue, das deutsche Wort, die<lb/> deutsche That, das deutsche Vaterland; alljährlich werden nationale Feste gefeiert und hier<lb/> zu Ehren des deutschen Volkstums viele wohlklingende Reden gehalten; diese Hervorhebung<lb/> des deutschen Gedankens ist aber eine bloße leere Form ohne innern Kern geworden." Daß<lb/> die bittern Worte nicht unverdient sind, zeigt sich leider in der Teilnahmlosigkeit, mit welcher<lb/> man bei uns dem heißesten Kampfe zusieht, der jemals zur Vernichtung deutschen Volkstums<lb/> mit allen Mitteln geführt worden ist, die grimmiger Haß nur ersinnen kann. Und doch ist<lb/> es unsre eigne Sache, ist es die eigenste Sache unsers neuerstandenen Reichs, die dort im<lb/> Südosten des deutschen Landes ausgefochten wird. Zweifelt denn jemand daran, daß über<lb/> kurz oder lang die bange Schicksalsstunde kommen muß, wo wir um unser Bestehen mit den<lb/> haßerfüllten Feinden des Westens und des Ostens zu ringen haben? Kann denn jemand<lb/> ein so kindliches Vertrauen in die Kraft von Bündnissen setzen, daß er von einem slawisch<lb/> gewordenen Österreich auch noch Buudeshilfe hofft? Und nun steht doch die Sache so,<lb/> daß die verhältnismäßig kleine Schar unsrer Brüder in Österreich nur siegen kann, wenn<lb/> wir durch unser Verhalten in ihnen das Gefühl wecken, daß die Wucht eines Volkes von<lb/> 40 Millionen hinter ihnen stehe. Noch stehen unsre Brüder aufrecht und rüsten sich zum<lb/> schweren Kampfe. Sie werden siegen, wenn wir ihnen nicht fehlen. Verlassen wir sie aber,<lb/> so wird ihnen aller Heldenmut, alle Aufopferung nichts helfen; der Osten unsers Vaterlandes<lb/> und was noch weiter nach Osten liegt, wird dem Barbarentum verfallen, und wie wird es<lb/> unserm teuren deutschen Vaterlande gehen, wenn endlich die unheilschwangere Schicksalsstunde<lb/> kommt? Wir mögen nicht daran denken, wollen vielmehr die Hoffnung nicht sinken lassen,<lb/> daß auch für diese gute deutsche Sache das Nationalgefühl endlich erwache. Nichts, durchaus</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0120]
Deutschland und das Slawentum
uns Verbündet, das war die stille Voraussetzung des Vertrages von 1879;
wir könnten nicht Schutzfreundschaft halten mit einem Staate, der unser nationaler
Gegner wäre. Dieser unselige Zwiespalt zeigt sich schon jetzt in Österreich
selbst, indem unwillkürlich slawische wie auch deutsche Parteiinteressen gegen
das deutsch-österreichische Bündnis anrennen. Je stärker und selbstbewußter
dort das Slawentum wird, um so deutlicher zeigt es seiue Abneigung gegen
das Bündnis; um so schlimmer wird auch die Lage der deutschen Parteien
und mehrt sich die Zahl derjenigen Deutschen, die nnr noch von eiuer Ver¬
einigung mit Deutschland Rettung erwarten. Das ist ein Prozeß, der uns
nur mit der größten Besorgnis erfülle» kann, weil wir eine Stärkung, keine
Auflösung Österreichs wünschen.
Es ist unvermeidlich, daß der nationale deutsch-slawische Krieg, in dem
wir uns befinden, von Jahr zu Jahr stärker auf das staatliche Verhältnis
Einfluß gewinnt. Ja man kann schon von Monat zu Monat die wachsenden
Wirkungen dieser Sachlage auf unsre Beziehungen zu Österreich und Rußland
verfolgen. Die Lebensbedingungen unsrer nationalen Zukunft liegen vornehmlich
im Osten; gegen Westen haben wir dem seit Jahrhunderten sich vollziehenden
Abbröckeln deutschen Gebiets Einhalt gethan, können jedoch nicht erwarten,
unser nationales Wachstum dorthin auszudehnen. Im Westen muß unsre Thür
verschlossen bleiben, im Osten müssen wir sie offen halten. Daher erscheint die
steigende Sorge völlig gerechtfertigt, mit der leider bisher nur in engen Kreisen
der slawische Ansturm beobachtet wird. Wie ernst man aber diese Sache auch
bei uns bereits zu nehmen beginnt, zeigt eine jüngst an die „Kölnischen
Zeitung" gerichtete Zuschrift eines Gliedes des deutschen Schulvereins. Darin
heißt es:
Es ist nur zu wahr, wenn in einem Kvrrespondenzblatt des Schulvereins zu lesen ist:
„Hunderte von Liedern und Gedichten feiern die deutsche Treue, das deutsche Wort, die
deutsche That, das deutsche Vaterland; alljährlich werden nationale Feste gefeiert und hier
zu Ehren des deutschen Volkstums viele wohlklingende Reden gehalten; diese Hervorhebung
des deutschen Gedankens ist aber eine bloße leere Form ohne innern Kern geworden." Daß
die bittern Worte nicht unverdient sind, zeigt sich leider in der Teilnahmlosigkeit, mit welcher
man bei uns dem heißesten Kampfe zusieht, der jemals zur Vernichtung deutschen Volkstums
mit allen Mitteln geführt worden ist, die grimmiger Haß nur ersinnen kann. Und doch ist
es unsre eigne Sache, ist es die eigenste Sache unsers neuerstandenen Reichs, die dort im
Südosten des deutschen Landes ausgefochten wird. Zweifelt denn jemand daran, daß über
kurz oder lang die bange Schicksalsstunde kommen muß, wo wir um unser Bestehen mit den
haßerfüllten Feinden des Westens und des Ostens zu ringen haben? Kann denn jemand
ein so kindliches Vertrauen in die Kraft von Bündnissen setzen, daß er von einem slawisch
gewordenen Österreich auch noch Buudeshilfe hofft? Und nun steht doch die Sache so,
daß die verhältnismäßig kleine Schar unsrer Brüder in Österreich nur siegen kann, wenn
wir durch unser Verhalten in ihnen das Gefühl wecken, daß die Wucht eines Volkes von
40 Millionen hinter ihnen stehe. Noch stehen unsre Brüder aufrecht und rüsten sich zum
schweren Kampfe. Sie werden siegen, wenn wir ihnen nicht fehlen. Verlassen wir sie aber,
so wird ihnen aller Heldenmut, alle Aufopferung nichts helfen; der Osten unsers Vaterlandes
und was noch weiter nach Osten liegt, wird dem Barbarentum verfallen, und wie wird es
unserm teuren deutschen Vaterlande gehen, wenn endlich die unheilschwangere Schicksalsstunde
kommt? Wir mögen nicht daran denken, wollen vielmehr die Hoffnung nicht sinken lassen,
daß auch für diese gute deutsche Sache das Nationalgefühl endlich erwache. Nichts, durchaus
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