Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Deutschland und das Tlawentnin unes Europa hin führt den Kampf nicht das russische Volk, sondern der Staat. Hier, auf dem russischen Gebiete zwischen Ostsee und Donan, kämpft der Dazu kommen nun die unmittelbar militärischen Vorbereitungen zu einem Deutschland und das Tlawentnin unes Europa hin führt den Kampf nicht das russische Volk, sondern der Staat. Hier, auf dem russischen Gebiete zwischen Ostsee und Donan, kämpft der Dazu kommen nun die unmittelbar militärischen Vorbereitungen zu einem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0115" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204204"/> <fw type="header" place="top"> Deutschland und das Tlawentnin</fw><lb/> <p xml:id="ID_345" prev="#ID_344"> unes Europa hin führt den Kampf nicht das russische Volk, sondern der Staat.<lb/> Das russische Element vermag hier nicht Boden zu fassen; aber der Staat<lb/> Nicht seit Jahrzehnten die soziale und Kulturführung den ruthenischen, pol¬<lb/> nischen und deutscheu Händen zu entreißen und durch die Herrschaft russischem<lb/> Beamtentums zu ersetzen. Vermag das Nussentum diese Länder nicht zu ge¬<lb/> winnen, so soll sie wenigstens auch kein andres Kulturvolk leiten, beherrschen.<lb/> Der Besitz dieser Länder ist in nationalem Sinne zum Teil eine noch offene<lb/> Frage, und je mehr sich Rußland gegensätzlich zu Europa stellt, um so deut¬<lb/> licher tritt auch an die Polen, den in diesen Ländern stärksten Stamm, die<lb/> Frage heran, ob sie ihre Zukunft von russischem oder europäischem Geiste<lb/> wollen beherrschen lassen, d. h. in diesem Falle, ob sie rassischem oder deutschem<lb/> leiste folgen wollen; der deutsche ist vermöge der geographischen Verhältnisse<lb/> der für sie gegebene Träger europäischer Kultur.</p><lb/> <p xml:id="ID_346"> Hier, auf dem russischen Gebiete zwischen Ostsee und Donan, kämpft der<lb/> russische Staat seit etwa einem Vierteljahrhundert mit Aufbietung großer Kraft<lb/> und großer Rücksichtslosigkeit gegen alles an, was ihm jetzt oder in Zukunft<lb/> als ein Verbündeter Europas, europäischer Interessen, insbesondre als ein<lb/> künftiger Verbündeter Deutschlands erscheint. Von der oben erwähnten Über¬<lb/> zeugung ausgehend, daß Deutschland seine Macht gebrauchen werde zur Aus¬<lb/> dehnung auf'Kosten Rußlands, sucht Rußland sein westliches Glacis klar zu<lb/> machen. Es befindet sich in voller Kriegsvorbereitung. Nur so lassen sich<lb/> viele, sonst sinnlose, diese Provinzen schwer schädigende Maßregeln erklären,<lb/> une z. B. die gewaltsame Verdrängung der Polen und der Fremden aus der<lb/> Industrie und der Landwirtschaft, ans städtischem und ländlichem Besitz und<lb/> Gewerbe, die Entfernung der polnischen Offiziere aus dem Westen, die Zer¬<lb/> störung der als gut, zum Teil musterhaft anerkannten Zustände in den Ostsee¬<lb/> provinzen n. a. in. Ein mit Vernunft regierter Staat, der nicht ans einer<lb/> ^une mit der Türkei oder Persien steht, könnte sonst nicht in der Weise, wie<lb/> in Rußland geschieht, die materielle und geistige Entwicklung großer Pro-<lb/> vinzen vernachlässigen, ja sogar bewußterweise hindern, zerstören. Daß diese<lb/> Provinzen von der russischen Politik als Glacis gegen die beiden großen west-<lb/> ^chen Nachbarn angesehen und behandelt werden, wird auch durch den Umstand<lb/> estätigt, daß Finnland eine völlig abweichende Behandlung erfährt, doch nur<lb/> eshalb, weil man den schwächeren schwedischen Nachbar nicht glaubt fürchten<lb/> zu müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_347" next="#ID_348"> Dazu kommen nun die unmittelbar militärischen Vorbereitungen zu einem<lb/> rünftigen Kampfe gegen die verbündeten Kaiserreiche: die eifrigen Festungs-<lb/> bauten, die Vervollständigung des strategischen Bahnuetzes, das fortgesetzte<lb/> Ansammeln der russischen Streitkräfte an der Westgrenze, die rasche Förderung<lb/> S^macht auf dem Schwarzen Meere, die bedrohende Stellung gegen die<lb/> Türkei in Vorderasien und Persien. Alles dieses hätte einen weniger feind-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0115]
Deutschland und das Tlawentnin
unes Europa hin führt den Kampf nicht das russische Volk, sondern der Staat.
Das russische Element vermag hier nicht Boden zu fassen; aber der Staat
Nicht seit Jahrzehnten die soziale und Kulturführung den ruthenischen, pol¬
nischen und deutscheu Händen zu entreißen und durch die Herrschaft russischem
Beamtentums zu ersetzen. Vermag das Nussentum diese Länder nicht zu ge¬
winnen, so soll sie wenigstens auch kein andres Kulturvolk leiten, beherrschen.
Der Besitz dieser Länder ist in nationalem Sinne zum Teil eine noch offene
Frage, und je mehr sich Rußland gegensätzlich zu Europa stellt, um so deut¬
licher tritt auch an die Polen, den in diesen Ländern stärksten Stamm, die
Frage heran, ob sie ihre Zukunft von russischem oder europäischem Geiste
wollen beherrschen lassen, d. h. in diesem Falle, ob sie rassischem oder deutschem
leiste folgen wollen; der deutsche ist vermöge der geographischen Verhältnisse
der für sie gegebene Träger europäischer Kultur.
Hier, auf dem russischen Gebiete zwischen Ostsee und Donan, kämpft der
russische Staat seit etwa einem Vierteljahrhundert mit Aufbietung großer Kraft
und großer Rücksichtslosigkeit gegen alles an, was ihm jetzt oder in Zukunft
als ein Verbündeter Europas, europäischer Interessen, insbesondre als ein
künftiger Verbündeter Deutschlands erscheint. Von der oben erwähnten Über¬
zeugung ausgehend, daß Deutschland seine Macht gebrauchen werde zur Aus¬
dehnung auf'Kosten Rußlands, sucht Rußland sein westliches Glacis klar zu
machen. Es befindet sich in voller Kriegsvorbereitung. Nur so lassen sich
viele, sonst sinnlose, diese Provinzen schwer schädigende Maßregeln erklären,
une z. B. die gewaltsame Verdrängung der Polen und der Fremden aus der
Industrie und der Landwirtschaft, ans städtischem und ländlichem Besitz und
Gewerbe, die Entfernung der polnischen Offiziere aus dem Westen, die Zer¬
störung der als gut, zum Teil musterhaft anerkannten Zustände in den Ostsee¬
provinzen n. a. in. Ein mit Vernunft regierter Staat, der nicht ans einer
^une mit der Türkei oder Persien steht, könnte sonst nicht in der Weise, wie
in Rußland geschieht, die materielle und geistige Entwicklung großer Pro-
vinzen vernachlässigen, ja sogar bewußterweise hindern, zerstören. Daß diese
Provinzen von der russischen Politik als Glacis gegen die beiden großen west-
^chen Nachbarn angesehen und behandelt werden, wird auch durch den Umstand
estätigt, daß Finnland eine völlig abweichende Behandlung erfährt, doch nur
eshalb, weil man den schwächeren schwedischen Nachbar nicht glaubt fürchten
zu müssen.
Dazu kommen nun die unmittelbar militärischen Vorbereitungen zu einem
rünftigen Kampfe gegen die verbündeten Kaiserreiche: die eifrigen Festungs-
bauten, die Vervollständigung des strategischen Bahnuetzes, das fortgesetzte
Ansammeln der russischen Streitkräfte an der Westgrenze, die rasche Förderung
S^macht auf dem Schwarzen Meere, die bedrohende Stellung gegen die
Türkei in Vorderasien und Persien. Alles dieses hätte einen weniger feind-
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