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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Tagel'nchblättcr eines Sonntagsphilosophen.

dem Dritten), wer ist das? Jul, Nisfert in einem trefflichen Aufsätze in Herrigs
Archiv 63. 288, "die Hermannsschlacht in der deutschen Litteratur," sieht Friedrich
den Großen darin, und es kann gar nicht anders sein; daß Cramer als Sachse
nicht deutlicher wird, laßt sich begreifen aus Rücksicht nach oben. Auch von
Klopstock weiß man nun (s. Nisfert S. 294, Strauß kleine Schriften, 1866,
S. 132 ff.), daß in der Jugendode: Heinrich der Vogler ursprünglich Friedrich
gemeint und gefeiert war als künftiger Befreier Deutschlands. Der Gedanke
könnte in dem Leipziger studentischen Freundeskreise, dem Klopstock und Cramer
angehörten, als ein Punkt, ein Kernpunkt der neuen deutschen Welt, die sie
kühn in sich ausbrüteten, gar wohl mit aufgetaucht und ausgebildet sein, viel¬
leicht gerade zuerst in Klopstocks, der feurigsten deutschen Seele. Wenn man
ihm seine spätere Abwendung von Friedrich jetzt als patriotische Lücke auf die
Rechnung oder in sein Bild setzt, so denkt man sichs zu rasch vom heutigen
Standpunkte aus und vergißt, was in Klopstocks deutschem Welt- und Fürsten¬
bilde bewußtes Deutschtum und Christentum war. die er bei dem großen König
schmerzlich vermißte, vermissen mußte. Cramer, der Theolog, hat daran freilich
keinen Anstoß genommen, er feiert noch später Friedrich in hochgchendster Be¬
geisterung als den rechten Mann Gottes, z. B. in den sämtlichen Gedichten
1783 3. 326 ff. 374 ff.

Das Denken an Friedrich fand aber auch schon einen ältern Hintergrund
vor. War doch schon am Ende des siebzehnten Jahrhunderts der deutsche Gc-
dankcnheld geradezu nach Berlin versetzt worden, in Lohensteins Roman Armiuius,
den erst nach des Verfassers Tode sein Bruder Hans Casper herausgab, "von
andrer Hand" vollendet. Es war im Jahre 1689, das Werk hatte ursprünglich
dein großen Kurfürsten gewidmet werden sollen, nun wurde Friedrich der Dritte
für ihn eingesetzt. Aus der ersten Fassung ist aber stehen geblieben, im Anschluß
an die Erfindung des Dichters, daß Armin von einem Brandenburger Fürsten
treue Hilfe erfährt: "Was Wunder, daß er sArmin^ sich mit seinen sieghaften
zu dem großen Europäischen Friedrich Wilhelm zu wenden begehret?" d. h. der
Armin im Buche zugleich als lebende Gestalt, als Vertreter des deutschen Ge¬
dankens vorgestellt. Und dann geradezu: "Arminius bleibt nun Zweifels ohne
in dem berühmten Berlin, dessen Verherrlichung herrliches Aufsteigen^ einen
Angust zum Beherrscher andeutet," mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß
Friedrich der Dritte der Hermann Deutschlands sein werde, als Nachfolger des
großen Kurfürsten (Nisfert S. 252).

Dem großen König selbst wird bei seinem allumfassenden und scharf ein¬
dringenden Denken auch dieser Gedankenkreis nicht fremd gewesen sein. Er muß
in dem Gespräche Friedrichs mit Gellert im Jahre 1760, das uns leider nur
mit Lücken bekannt ist, gestreift worden sein, da der König auch die Frage auf¬
wirft: "Wie? will Er denn einen August in ganz Deutschland haben?" worauf
Gellert ausweichend antwortet, er kümmere sich nicht um die Politik. Die Klein-


Grenzbotcn HI. 1838. 10
Tagel'nchblättcr eines Sonntagsphilosophen.

dem Dritten), wer ist das? Jul, Nisfert in einem trefflichen Aufsätze in Herrigs
Archiv 63. 288, „die Hermannsschlacht in der deutschen Litteratur," sieht Friedrich
den Großen darin, und es kann gar nicht anders sein; daß Cramer als Sachse
nicht deutlicher wird, laßt sich begreifen aus Rücksicht nach oben. Auch von
Klopstock weiß man nun (s. Nisfert S. 294, Strauß kleine Schriften, 1866,
S. 132 ff.), daß in der Jugendode: Heinrich der Vogler ursprünglich Friedrich
gemeint und gefeiert war als künftiger Befreier Deutschlands. Der Gedanke
könnte in dem Leipziger studentischen Freundeskreise, dem Klopstock und Cramer
angehörten, als ein Punkt, ein Kernpunkt der neuen deutschen Welt, die sie
kühn in sich ausbrüteten, gar wohl mit aufgetaucht und ausgebildet sein, viel¬
leicht gerade zuerst in Klopstocks, der feurigsten deutschen Seele. Wenn man
ihm seine spätere Abwendung von Friedrich jetzt als patriotische Lücke auf die
Rechnung oder in sein Bild setzt, so denkt man sichs zu rasch vom heutigen
Standpunkte aus und vergißt, was in Klopstocks deutschem Welt- und Fürsten¬
bilde bewußtes Deutschtum und Christentum war. die er bei dem großen König
schmerzlich vermißte, vermissen mußte. Cramer, der Theolog, hat daran freilich
keinen Anstoß genommen, er feiert noch später Friedrich in hochgchendster Be¬
geisterung als den rechten Mann Gottes, z. B. in den sämtlichen Gedichten
1783 3. 326 ff. 374 ff.

Das Denken an Friedrich fand aber auch schon einen ältern Hintergrund
vor. War doch schon am Ende des siebzehnten Jahrhunderts der deutsche Gc-
dankcnheld geradezu nach Berlin versetzt worden, in Lohensteins Roman Armiuius,
den erst nach des Verfassers Tode sein Bruder Hans Casper herausgab, „von
andrer Hand" vollendet. Es war im Jahre 1689, das Werk hatte ursprünglich
dein großen Kurfürsten gewidmet werden sollen, nun wurde Friedrich der Dritte
für ihn eingesetzt. Aus der ersten Fassung ist aber stehen geblieben, im Anschluß
an die Erfindung des Dichters, daß Armin von einem Brandenburger Fürsten
treue Hilfe erfährt: „Was Wunder, daß er sArmin^ sich mit seinen sieghaften
zu dem großen Europäischen Friedrich Wilhelm zu wenden begehret?" d. h. der
Armin im Buche zugleich als lebende Gestalt, als Vertreter des deutschen Ge¬
dankens vorgestellt. Und dann geradezu: „Arminius bleibt nun Zweifels ohne
in dem berühmten Berlin, dessen Verherrlichung herrliches Aufsteigen^ einen
Angust zum Beherrscher andeutet," mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß
Friedrich der Dritte der Hermann Deutschlands sein werde, als Nachfolger des
großen Kurfürsten (Nisfert S. 252).

Dem großen König selbst wird bei seinem allumfassenden und scharf ein¬
dringenden Denken auch dieser Gedankenkreis nicht fremd gewesen sein. Er muß
in dem Gespräche Friedrichs mit Gellert im Jahre 1760, das uns leider nur
mit Lücken bekannt ist, gestreift worden sein, da der König auch die Frage auf¬
wirft: „Wie? will Er denn einen August in ganz Deutschland haben?" worauf
Gellert ausweichend antwortet, er kümmere sich nicht um die Politik. Die Klein-


Grenzbotcn HI. 1838. 10
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/81>, abgerufen am 24.08.2024.