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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Emin Pascha.

gewiß nicht zu den Annehmlichkeiten des Daseins. Sobald die Reisenden das
Dorf verlassen hatten, hörte jede Spur eines Weges auf. Dagegen dehnte sich
weithin ein Meer von Gras, das, dicht wie Filz, eine fabelhafte Höhe erreicht
hatte. Überall blitzte der Thau in dicken Tropfen. Diesen feuchten und dicken
Wald von Halmen mußten die Reisenden förmlich durchbrechen. Emin, der
als Führer voranschritt, hatte natürlich von der Feuchtigkeit und Stachligkeit
des Grases am meisten zu leiden. Naß wie eine Wasserratte, bei 63 Grad
Fahrenheit, durch ein solches Gebüsch zu kriechen, ist selbst im zentralen Afrika
kein Vergnügen. Es war kaum möglich, sich nach dem Kompaß zu orientiren,
es war alles mit Wasser bedeckt, und das Gras schlug unverschämt in Augen
und Ohren. Die erste Lichtung wurde erst nach zweiunddreiviertelstündigem
Marsche erreicht, und hier erst konnten sich die Schiffer dieses kontinentalen
Sargassomeers in der Sonne trocknen. Dazu wehte ein kalter Wind, und um
sich zu erwärmen, mußte man nun laufen, so lange es ging. In Modo, einem
alten Stationsorte, der kurz nach Mittag erreicht wurde, war das ohnehin
spärliche Wasser von Elefanten und Büffeln völlig ausgetrunken, und so mußten
sich die Reisenden mit lechzender Zunge noch 2^ Stunde weiter schleppen,
bis sie in Nah-el-Fit ankamen. Hier fanden sie dann in einer Reihe von
Bächen Wasser, das sie nun nach achtstündigem, beschwerlichem Marsche er¬
quickte.

Man sieht aus dieser Probe, daß, wenn Emin Pascha sich weigert, zurück¬
zukehren, es nicht deshalb geschieht, weil er in jenem "Reiche" auf Rosen ge¬
bettet sei. Alle Unannehmlichkeit einer typischen Afrikacxpedition hat er zu
überstehen, um sein Land in Ordnung zu halten. Von den bewohnten Teilen
desselben erhalten wir freilich andre Schilderungen. Auf den Stationen hat
sich der Gartenbau entwickelt, und Gemüse und Obst wächst hier in Fülle. Den
Ackerbau hat Emin durch Einführung mehrerer Spielarten der Bambusstaude
gefördert, er hat die Eingebornen zum Anbau mehrerer amerikanischen Getreide-
arten bewogen, deren Samen er ihnen beschaffte, er hat den Reisbau und deu
Anbau vieler andern Nährpflanzen in Schwung gebracht. Die Vorliebe
für Garten- und Ackerbau, sagt er, hat sich in meinem Volke sehr ver¬
breitet, und ich erhalte täglich Briefe, in denen man mich um Samen und
Schößlinge bittet. Für den Handel liegt aber der Reichtum des Landes in
seiner Baumwolle, seinem Kaffee und Zucker. Außer diesen Produkten bezeichnet
Emin in einem Schreiben an or. Schweinfurth vom Jahre 1883 noch Elfen¬
bein, verschiedne Sorten Öl, Felle, Korn(?), Straußenfedern, Gummi, Wachs
und Eisen als Erzeugnisse des Landes, mit denen ein bedeutender Handel ge¬
trieben werden könnte. Eisenlager giebts an mehreren Stellen, und das Vor¬
handensein andrer wertvoller Mineralien ist mehr als wahrscheinlich. Auch
Kautschuk, sagt Emin, könnte das Land in großen Mengen liefern, allein es
war ja verhindert, mit der "Welt" in unmittelbare Handelsbeziehungen zu


Emin Pascha.

gewiß nicht zu den Annehmlichkeiten des Daseins. Sobald die Reisenden das
Dorf verlassen hatten, hörte jede Spur eines Weges auf. Dagegen dehnte sich
weithin ein Meer von Gras, das, dicht wie Filz, eine fabelhafte Höhe erreicht
hatte. Überall blitzte der Thau in dicken Tropfen. Diesen feuchten und dicken
Wald von Halmen mußten die Reisenden förmlich durchbrechen. Emin, der
als Führer voranschritt, hatte natürlich von der Feuchtigkeit und Stachligkeit
des Grases am meisten zu leiden. Naß wie eine Wasserratte, bei 63 Grad
Fahrenheit, durch ein solches Gebüsch zu kriechen, ist selbst im zentralen Afrika
kein Vergnügen. Es war kaum möglich, sich nach dem Kompaß zu orientiren,
es war alles mit Wasser bedeckt, und das Gras schlug unverschämt in Augen
und Ohren. Die erste Lichtung wurde erst nach zweiunddreiviertelstündigem
Marsche erreicht, und hier erst konnten sich die Schiffer dieses kontinentalen
Sargassomeers in der Sonne trocknen. Dazu wehte ein kalter Wind, und um
sich zu erwärmen, mußte man nun laufen, so lange es ging. In Modo, einem
alten Stationsorte, der kurz nach Mittag erreicht wurde, war das ohnehin
spärliche Wasser von Elefanten und Büffeln völlig ausgetrunken, und so mußten
sich die Reisenden mit lechzender Zunge noch 2^ Stunde weiter schleppen,
bis sie in Nah-el-Fit ankamen. Hier fanden sie dann in einer Reihe von
Bächen Wasser, das sie nun nach achtstündigem, beschwerlichem Marsche er¬
quickte.

Man sieht aus dieser Probe, daß, wenn Emin Pascha sich weigert, zurück¬
zukehren, es nicht deshalb geschieht, weil er in jenem „Reiche" auf Rosen ge¬
bettet sei. Alle Unannehmlichkeit einer typischen Afrikacxpedition hat er zu
überstehen, um sein Land in Ordnung zu halten. Von den bewohnten Teilen
desselben erhalten wir freilich andre Schilderungen. Auf den Stationen hat
sich der Gartenbau entwickelt, und Gemüse und Obst wächst hier in Fülle. Den
Ackerbau hat Emin durch Einführung mehrerer Spielarten der Bambusstaude
gefördert, er hat die Eingebornen zum Anbau mehrerer amerikanischen Getreide-
arten bewogen, deren Samen er ihnen beschaffte, er hat den Reisbau und deu
Anbau vieler andern Nährpflanzen in Schwung gebracht. Die Vorliebe
für Garten- und Ackerbau, sagt er, hat sich in meinem Volke sehr ver¬
breitet, und ich erhalte täglich Briefe, in denen man mich um Samen und
Schößlinge bittet. Für den Handel liegt aber der Reichtum des Landes in
seiner Baumwolle, seinem Kaffee und Zucker. Außer diesen Produkten bezeichnet
Emin in einem Schreiben an or. Schweinfurth vom Jahre 1883 noch Elfen¬
bein, verschiedne Sorten Öl, Felle, Korn(?), Straußenfedern, Gummi, Wachs
und Eisen als Erzeugnisse des Landes, mit denen ein bedeutender Handel ge¬
trieben werden könnte. Eisenlager giebts an mehreren Stellen, und das Vor¬
handensein andrer wertvoller Mineralien ist mehr als wahrscheinlich. Auch
Kautschuk, sagt Emin, könnte das Land in großen Mengen liefern, allein es
war ja verhindert, mit der „Welt" in unmittelbare Handelsbeziehungen zu


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[0071] Emin Pascha. gewiß nicht zu den Annehmlichkeiten des Daseins. Sobald die Reisenden das Dorf verlassen hatten, hörte jede Spur eines Weges auf. Dagegen dehnte sich weithin ein Meer von Gras, das, dicht wie Filz, eine fabelhafte Höhe erreicht hatte. Überall blitzte der Thau in dicken Tropfen. Diesen feuchten und dicken Wald von Halmen mußten die Reisenden förmlich durchbrechen. Emin, der als Führer voranschritt, hatte natürlich von der Feuchtigkeit und Stachligkeit des Grases am meisten zu leiden. Naß wie eine Wasserratte, bei 63 Grad Fahrenheit, durch ein solches Gebüsch zu kriechen, ist selbst im zentralen Afrika kein Vergnügen. Es war kaum möglich, sich nach dem Kompaß zu orientiren, es war alles mit Wasser bedeckt, und das Gras schlug unverschämt in Augen und Ohren. Die erste Lichtung wurde erst nach zweiunddreiviertelstündigem Marsche erreicht, und hier erst konnten sich die Schiffer dieses kontinentalen Sargassomeers in der Sonne trocknen. Dazu wehte ein kalter Wind, und um sich zu erwärmen, mußte man nun laufen, so lange es ging. In Modo, einem alten Stationsorte, der kurz nach Mittag erreicht wurde, war das ohnehin spärliche Wasser von Elefanten und Büffeln völlig ausgetrunken, und so mußten sich die Reisenden mit lechzender Zunge noch 2^ Stunde weiter schleppen, bis sie in Nah-el-Fit ankamen. Hier fanden sie dann in einer Reihe von Bächen Wasser, das sie nun nach achtstündigem, beschwerlichem Marsche er¬ quickte. Man sieht aus dieser Probe, daß, wenn Emin Pascha sich weigert, zurück¬ zukehren, es nicht deshalb geschieht, weil er in jenem „Reiche" auf Rosen ge¬ bettet sei. Alle Unannehmlichkeit einer typischen Afrikacxpedition hat er zu überstehen, um sein Land in Ordnung zu halten. Von den bewohnten Teilen desselben erhalten wir freilich andre Schilderungen. Auf den Stationen hat sich der Gartenbau entwickelt, und Gemüse und Obst wächst hier in Fülle. Den Ackerbau hat Emin durch Einführung mehrerer Spielarten der Bambusstaude gefördert, er hat die Eingebornen zum Anbau mehrerer amerikanischen Getreide- arten bewogen, deren Samen er ihnen beschaffte, er hat den Reisbau und deu Anbau vieler andern Nährpflanzen in Schwung gebracht. Die Vorliebe für Garten- und Ackerbau, sagt er, hat sich in meinem Volke sehr ver¬ breitet, und ich erhalte täglich Briefe, in denen man mich um Samen und Schößlinge bittet. Für den Handel liegt aber der Reichtum des Landes in seiner Baumwolle, seinem Kaffee und Zucker. Außer diesen Produkten bezeichnet Emin in einem Schreiben an or. Schweinfurth vom Jahre 1883 noch Elfen¬ bein, verschiedne Sorten Öl, Felle, Korn(?), Straußenfedern, Gummi, Wachs und Eisen als Erzeugnisse des Landes, mit denen ein bedeutender Handel ge¬ trieben werden könnte. Eisenlager giebts an mehreren Stellen, und das Vor¬ handensein andrer wertvoller Mineralien ist mehr als wahrscheinlich. Auch Kautschuk, sagt Emin, könnte das Land in großen Mengen liefern, allein es war ja verhindert, mit der „Welt" in unmittelbare Handelsbeziehungen zu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/71>, abgerufen am 22.07.2024.