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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Emin Pascha.

Er errichtete auch ein Hospital in Lato, das er selbst leitete, und unter¬
nahm vielfache Reisen durch sei" Gebiet. Ende 1882 konnte er berichten, daß
seine Provinz beruhigt und vom Sklavenhandel befreit sei, daß der Anbau von
Baumwolle, Indigo, Kaffee, Reis und Zucker emsig gefördert werde, daß zwischen
den einzelnen Stationen eine regelmäßige, wöchentliche PostVerbindung hergestellt
sei, daß die Wege verbessert und widerstandsfähiger gemacht worden seien, und
daß endlich das Budget nach Abzug sämtlicher Verwaltungskosten, statt eines
Fehlbetrages, einen Überschuß von achttausend Pfund aufweise. Und alles dieses
hatte ohne jegliche Hilfe ein deutscher Arzt vollendet, der, als er nach Afrika
ging, nichts von militärischen, finanziellen und landwirtschaftlichen Angelegen¬
heiten wußte, und der seine einzigen Erfahrungen in der Diplomatie unter
Gordon gemacht hatte.

Besonders bemerkenswert ist bei Emin seine Neigung zu wissenschaftlicher
Forschung und der Eifer, mit dem er botanische und zoologische Studien
betreibt, ohne jedoch dabei im geringsten die überwältigenden amtlichen Pflichten
zu vergessen, die auf ihm ruhen. Seine Tagebücher sind überreich an Bemer¬
kungen, die für den Naturforscher von größtem Werte sind, und man hat auch
Grund anzunehmen, daß er einige wichtige geographische Probleme gelöst habe,
die auf die Länder und Flüsse im Süden des Albert-Nycmzasees Beziehung
haben. Kehrt er noch einmal nach Europa zurück, was übrigens nach den
neuesten Nachrichten wenig wahrscheinlich ist, oder gelingt es ihm, seine geo¬
graphischen Forschungen in ihrer Vollständigkeit nach Europa gelangen zu
lassen, so wird man ohne Zweifel imstande sein, eine zuverlässige Karte Zentral¬
afrikas bis zum Äquator zu entwerfen.

or. Felkin, der in den Jahren 1878/79 bei Emin war, erzählt, daß ihm
am meisten der Pflichteifer und die Selbstlosigkeit des Mannes aufgefallen seien.
Sein ganzes Leben, sagt Felkin, scheint in der Sorge für das Wohlergehen
seines Volkes und für die Fortschritte der Wissenschaft aufzugehen, ohne daß
er einen Gedanken an seinen Ruhm oder an seinen persönlichen Vorteil hegt.

Dr. Hartlaub sagt: "Die Arbeit, die Emin durch seine zoologischen Samm¬
lungen und Beobachtungen geleistet hat, ist erstaunlich. Sie konnte aber nur
von einem Manne ausgeführt werden, dessen Herz in dem reinen Feuer wissen¬
schaftlicher Bestrebungen, in begeisterter, völlig selbstloser Liebe zur Natur er¬
glüht und von dem unwiderstehlichen Drange erfüllt wird, nach besten Kräften
die Schätze zu ihrer Erkenntnis zusammenzutragen."

Das also ist der Mann, der von der ägyptischen Regierung immer mit
Undank behandelt und seinem Schicksale überlassen wurde, als der Aufstand des
Mcchdi ausbrach, als Khartum fiel und Gordon schmählich ermordet wurde.
Dreiundeinhalb Jahre lang blieb Emin ohne Nachricht von der Außenwelt.
Er hörte, daß sein früherer Leutnant, der nachmalige Gouverneur der Nachbar-
Provinz Bahr-el-Ghazcilhad, sich dem Mcchdi unterworfen habe, und eine Zeit


Emin Pascha.

Er errichtete auch ein Hospital in Lato, das er selbst leitete, und unter¬
nahm vielfache Reisen durch sei» Gebiet. Ende 1882 konnte er berichten, daß
seine Provinz beruhigt und vom Sklavenhandel befreit sei, daß der Anbau von
Baumwolle, Indigo, Kaffee, Reis und Zucker emsig gefördert werde, daß zwischen
den einzelnen Stationen eine regelmäßige, wöchentliche PostVerbindung hergestellt
sei, daß die Wege verbessert und widerstandsfähiger gemacht worden seien, und
daß endlich das Budget nach Abzug sämtlicher Verwaltungskosten, statt eines
Fehlbetrages, einen Überschuß von achttausend Pfund aufweise. Und alles dieses
hatte ohne jegliche Hilfe ein deutscher Arzt vollendet, der, als er nach Afrika
ging, nichts von militärischen, finanziellen und landwirtschaftlichen Angelegen¬
heiten wußte, und der seine einzigen Erfahrungen in der Diplomatie unter
Gordon gemacht hatte.

Besonders bemerkenswert ist bei Emin seine Neigung zu wissenschaftlicher
Forschung und der Eifer, mit dem er botanische und zoologische Studien
betreibt, ohne jedoch dabei im geringsten die überwältigenden amtlichen Pflichten
zu vergessen, die auf ihm ruhen. Seine Tagebücher sind überreich an Bemer¬
kungen, die für den Naturforscher von größtem Werte sind, und man hat auch
Grund anzunehmen, daß er einige wichtige geographische Probleme gelöst habe,
die auf die Länder und Flüsse im Süden des Albert-Nycmzasees Beziehung
haben. Kehrt er noch einmal nach Europa zurück, was übrigens nach den
neuesten Nachrichten wenig wahrscheinlich ist, oder gelingt es ihm, seine geo¬
graphischen Forschungen in ihrer Vollständigkeit nach Europa gelangen zu
lassen, so wird man ohne Zweifel imstande sein, eine zuverlässige Karte Zentral¬
afrikas bis zum Äquator zu entwerfen.

or. Felkin, der in den Jahren 1878/79 bei Emin war, erzählt, daß ihm
am meisten der Pflichteifer und die Selbstlosigkeit des Mannes aufgefallen seien.
Sein ganzes Leben, sagt Felkin, scheint in der Sorge für das Wohlergehen
seines Volkes und für die Fortschritte der Wissenschaft aufzugehen, ohne daß
er einen Gedanken an seinen Ruhm oder an seinen persönlichen Vorteil hegt.

Dr. Hartlaub sagt: „Die Arbeit, die Emin durch seine zoologischen Samm¬
lungen und Beobachtungen geleistet hat, ist erstaunlich. Sie konnte aber nur
von einem Manne ausgeführt werden, dessen Herz in dem reinen Feuer wissen¬
schaftlicher Bestrebungen, in begeisterter, völlig selbstloser Liebe zur Natur er¬
glüht und von dem unwiderstehlichen Drange erfüllt wird, nach besten Kräften
die Schätze zu ihrer Erkenntnis zusammenzutragen."

Das also ist der Mann, der von der ägyptischen Regierung immer mit
Undank behandelt und seinem Schicksale überlassen wurde, als der Aufstand des
Mcchdi ausbrach, als Khartum fiel und Gordon schmählich ermordet wurde.
Dreiundeinhalb Jahre lang blieb Emin ohne Nachricht von der Außenwelt.
Er hörte, daß sein früherer Leutnant, der nachmalige Gouverneur der Nachbar-
Provinz Bahr-el-Ghazcilhad, sich dem Mcchdi unterworfen habe, und eine Zeit


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[0069] Emin Pascha. Er errichtete auch ein Hospital in Lato, das er selbst leitete, und unter¬ nahm vielfache Reisen durch sei» Gebiet. Ende 1882 konnte er berichten, daß seine Provinz beruhigt und vom Sklavenhandel befreit sei, daß der Anbau von Baumwolle, Indigo, Kaffee, Reis und Zucker emsig gefördert werde, daß zwischen den einzelnen Stationen eine regelmäßige, wöchentliche PostVerbindung hergestellt sei, daß die Wege verbessert und widerstandsfähiger gemacht worden seien, und daß endlich das Budget nach Abzug sämtlicher Verwaltungskosten, statt eines Fehlbetrages, einen Überschuß von achttausend Pfund aufweise. Und alles dieses hatte ohne jegliche Hilfe ein deutscher Arzt vollendet, der, als er nach Afrika ging, nichts von militärischen, finanziellen und landwirtschaftlichen Angelegen¬ heiten wußte, und der seine einzigen Erfahrungen in der Diplomatie unter Gordon gemacht hatte. Besonders bemerkenswert ist bei Emin seine Neigung zu wissenschaftlicher Forschung und der Eifer, mit dem er botanische und zoologische Studien betreibt, ohne jedoch dabei im geringsten die überwältigenden amtlichen Pflichten zu vergessen, die auf ihm ruhen. Seine Tagebücher sind überreich an Bemer¬ kungen, die für den Naturforscher von größtem Werte sind, und man hat auch Grund anzunehmen, daß er einige wichtige geographische Probleme gelöst habe, die auf die Länder und Flüsse im Süden des Albert-Nycmzasees Beziehung haben. Kehrt er noch einmal nach Europa zurück, was übrigens nach den neuesten Nachrichten wenig wahrscheinlich ist, oder gelingt es ihm, seine geo¬ graphischen Forschungen in ihrer Vollständigkeit nach Europa gelangen zu lassen, so wird man ohne Zweifel imstande sein, eine zuverlässige Karte Zentral¬ afrikas bis zum Äquator zu entwerfen. or. Felkin, der in den Jahren 1878/79 bei Emin war, erzählt, daß ihm am meisten der Pflichteifer und die Selbstlosigkeit des Mannes aufgefallen seien. Sein ganzes Leben, sagt Felkin, scheint in der Sorge für das Wohlergehen seines Volkes und für die Fortschritte der Wissenschaft aufzugehen, ohne daß er einen Gedanken an seinen Ruhm oder an seinen persönlichen Vorteil hegt. Dr. Hartlaub sagt: „Die Arbeit, die Emin durch seine zoologischen Samm¬ lungen und Beobachtungen geleistet hat, ist erstaunlich. Sie konnte aber nur von einem Manne ausgeführt werden, dessen Herz in dem reinen Feuer wissen¬ schaftlicher Bestrebungen, in begeisterter, völlig selbstloser Liebe zur Natur er¬ glüht und von dem unwiderstehlichen Drange erfüllt wird, nach besten Kräften die Schätze zu ihrer Erkenntnis zusammenzutragen." Das also ist der Mann, der von der ägyptischen Regierung immer mit Undank behandelt und seinem Schicksale überlassen wurde, als der Aufstand des Mcchdi ausbrach, als Khartum fiel und Gordon schmählich ermordet wurde. Dreiundeinhalb Jahre lang blieb Emin ohne Nachricht von der Außenwelt. Er hörte, daß sein früherer Leutnant, der nachmalige Gouverneur der Nachbar- Provinz Bahr-el-Ghazcilhad, sich dem Mcchdi unterworfen habe, und eine Zeit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/69>, abgerufen am 24.08.2024.