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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Lenin Pascha.

legeuen Gebiete, wurde, erhielt or. Emin Effendi im März 1878 die Befehls¬
haberstelle in Lato und damit die Verwaltung der Äquatvrialprovinz (Wa-
delai), die sich ungefähr vom neunten bis zum zweiten Breitengrade erstreckt,
bis hinab an die Nordküste des Albert-Nyanzasees, und die er bis heute mit
so viel Opfermut und Thatkraft behauptet hat.

Zwischen den südlichen Grenzen dieser Provinz und dem Viktoria-Nyanza-
see, an dem sich verschiedne Missionsstationen befinden, liegen die Staaten
Unyoro und Uganda, die von zwei eingebornen Nationen bewohnt werden,
welche beständig mit einander im Kriege liegen und deren Gebiete mehrere Jahre
hindurch für jeden Europäer unpassirbar waren. Seit dem Tode Mtesas
herrscht in Uganda dessen Sohn Mwanga, der nach allen Berichten, die über
ihn eingelaufen sind, ein Jüngling von äußerster Wildheit zu sein scheint, dem
man auch die Ermordung des Bischofs Hannington zur Last legt.

In diesem ausgedehnten Gebiete hatte sich zuerst Sir Samuel Baker und nach
ihm der "Chinese" Gordon abgemüht, den Sklavenhandel zu unterdrücken, eine Be¬
mühung, in welcher keiner von beiden eine wirkliche Unterstützung durch einflu߬
reiche Personen in Khartum und Kairo fand. Damit brachte Gordon das Land
in einen organisirten und friedlichen, wenn auch nicht ertragsfähigen Zustand, denn
es krankte an einer schwer drückenden Schuld und arbeitete mit einem bedeutenden
jährlichen Defizit. Als sich dann Gordon von dieser Stellung zurückzog, folgten
ihm eine Reihe gewissenloser und unfähiger eingeborner Gouverneure, welche
die Provinz bald wieder der Anarchie überlieferten und aus ihr eine Freistätte
für Erpressung und Räuberei machten. Die verschiedenen Stämme, die sich unter
dem wohlthuenden Einflüsse von Gordons Negierung erholt hatten, litten unter
seinen unwürdigen Nachfolgern schwer, während die Sklavenhändler, in be¬
festigten Dörfern wohl verschanzt, ihr häßliches Gewerbe von neuem aufnahmen.

Dies war der Zustand des Landes, als Gordon bei seiner Rückkehr nach
Khartum als Generalgouvemeur des Sudans die Verwaltung der Äquatorial¬
provinz Emin übertrug, der bis zu diesem Zeitpunkte immer nur noch erster
Arzt gewesen war. Bisher hatte er auch noch keinen ägyptischen Rang gehabt,
jetzt wurde er Bey und bald auch Pascha.

Emin ergriff die Zügel der Negierung im Jahre 1873, und bereits wenige
Jahre darauf hatte er in der Provinz eine große Veränderung bewirkt. Er
hatte sich einer Anzahl unehrenhafter Beamten entledigt, unter denen sich viele
aus Ägypten verbannte Verbrecher befanden, die in den Staatsdienst getreten
waren, nachdem sie ihre Strafe abgebüßt hatten. Solche ägyptische Soldaten,
denen er nicht trauen konnte, ersetzte er durch Eingeborne, die er sich heranzog
und die ihm ergeben waren. Er baute die in Verfall geratenen Stationen
wieder auf, verteilte die Abgaben gleichmäßig und gerecht, beschwichtigte die
Unzufriedenheit des Volkes und jagte die Sklavenhändler, diesen Fluch der
Provinz, aus dem Lande.


Lenin Pascha.

legeuen Gebiete, wurde, erhielt or. Emin Effendi im März 1878 die Befehls¬
haberstelle in Lato und damit die Verwaltung der Äquatvrialprovinz (Wa-
delai), die sich ungefähr vom neunten bis zum zweiten Breitengrade erstreckt,
bis hinab an die Nordküste des Albert-Nyanzasees, und die er bis heute mit
so viel Opfermut und Thatkraft behauptet hat.

Zwischen den südlichen Grenzen dieser Provinz und dem Viktoria-Nyanza-
see, an dem sich verschiedne Missionsstationen befinden, liegen die Staaten
Unyoro und Uganda, die von zwei eingebornen Nationen bewohnt werden,
welche beständig mit einander im Kriege liegen und deren Gebiete mehrere Jahre
hindurch für jeden Europäer unpassirbar waren. Seit dem Tode Mtesas
herrscht in Uganda dessen Sohn Mwanga, der nach allen Berichten, die über
ihn eingelaufen sind, ein Jüngling von äußerster Wildheit zu sein scheint, dem
man auch die Ermordung des Bischofs Hannington zur Last legt.

In diesem ausgedehnten Gebiete hatte sich zuerst Sir Samuel Baker und nach
ihm der „Chinese" Gordon abgemüht, den Sklavenhandel zu unterdrücken, eine Be¬
mühung, in welcher keiner von beiden eine wirkliche Unterstützung durch einflu߬
reiche Personen in Khartum und Kairo fand. Damit brachte Gordon das Land
in einen organisirten und friedlichen, wenn auch nicht ertragsfähigen Zustand, denn
es krankte an einer schwer drückenden Schuld und arbeitete mit einem bedeutenden
jährlichen Defizit. Als sich dann Gordon von dieser Stellung zurückzog, folgten
ihm eine Reihe gewissenloser und unfähiger eingeborner Gouverneure, welche
die Provinz bald wieder der Anarchie überlieferten und aus ihr eine Freistätte
für Erpressung und Räuberei machten. Die verschiedenen Stämme, die sich unter
dem wohlthuenden Einflüsse von Gordons Negierung erholt hatten, litten unter
seinen unwürdigen Nachfolgern schwer, während die Sklavenhändler, in be¬
festigten Dörfern wohl verschanzt, ihr häßliches Gewerbe von neuem aufnahmen.

Dies war der Zustand des Landes, als Gordon bei seiner Rückkehr nach
Khartum als Generalgouvemeur des Sudans die Verwaltung der Äquatorial¬
provinz Emin übertrug, der bis zu diesem Zeitpunkte immer nur noch erster
Arzt gewesen war. Bisher hatte er auch noch keinen ägyptischen Rang gehabt,
jetzt wurde er Bey und bald auch Pascha.

Emin ergriff die Zügel der Negierung im Jahre 1873, und bereits wenige
Jahre darauf hatte er in der Provinz eine große Veränderung bewirkt. Er
hatte sich einer Anzahl unehrenhafter Beamten entledigt, unter denen sich viele
aus Ägypten verbannte Verbrecher befanden, die in den Staatsdienst getreten
waren, nachdem sie ihre Strafe abgebüßt hatten. Solche ägyptische Soldaten,
denen er nicht trauen konnte, ersetzte er durch Eingeborne, die er sich heranzog
und die ihm ergeben waren. Er baute die in Verfall geratenen Stationen
wieder auf, verteilte die Abgaben gleichmäßig und gerecht, beschwichtigte die
Unzufriedenheit des Volkes und jagte die Sklavenhändler, diesen Fluch der
Provinz, aus dem Lande.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/68>, abgerufen am 22.07.2024.