Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ricks Lyhne.

unser Gehirn hat ihn sich zu ost da oben vorgestellt, es ist mit ihm ein¬
gesungen, als wir ganz klein waren.

Ricks nickte. Hjerrild beugte sich über ihn, um zu hören, ob er etwas
sagen wolle.

Sie meinen es gut, flüsterte Ricks, aber -- und er schüttelte energisch
den Kopf.

Es blieb lange still drinnen; nur das ewige Höh, hob des Bauerburschen
zerhackte die Zeit langsam in Stücke.

Hjerrild erhob sich: Lebe wohl, Lyhne, sagte er, es ist doch ein schöner
Tod, für das arme Vaterland sterben zu können.

Ja, antwortete Ricks, aber eigentlich war unser Traum von dem, was
wir ausrichten wollten, damals, vor langen, langen Jahren, ein ganz andrer.

Hjerrild ging. Als er in sein Zimmer kam, stand er lange am Fenster
und sah zu den Sternen auf. Wenn ich Gott wäre, murmelte er und fügte
in Gedanken hinzu: dann würde ich weit lieber den selig machen, der nicht in
seiner letzten Stunde noch umkehrt.

Ricks' Schmerzen wurden heftiger und heftiger, es hämmerte unbarmherzig
in der Brust, ohne aufzuhören. Es wäre so schön gewesen, wenn er nun einen
Gott gehabt hätte, zu dem er hätte klagen, zu dem er hätte beten können.

Gegen Morgen sing er an, zu phantasiren; die Entzündung war in vollem
Gange.

Und so ging es noch zwei Tage und zwei Nächte weiter.

Das letzte mal, als Hjerrild Ricks Lyhne sah, lag er da und phantasirte
von seiner Rüstung, und daß er stehend sterben wolle.

Und endlich starb er denn den Tod, den schweren Tod.




Kleinere Mitteilungen. ^

Prozeß kosten. Die Auslassungen, welche das letzte Heft der Grenzboten
über diesen Gegenstand gebracht hat, sind durch ein Mißverständnis ohne jede
redaktionelle Bemerkung abgedruckt worden, wodurch der Anschein erweckt werden
konnte, die Grenzboten hätten den Standpunkt, den sie seit längerer Zeit einge¬
nommen haben, verlassen oder hielten ihn für kontrovers. Es sei deshalb nach¬
träglich zunächst ausdrücklich bemerkt, daß dies nicht der Fall ist, daß die Grenzboten
vielmehr an den Anschauungen durchaus festhalten, die auch in dem "Notschrei"
in Heft 30 zum Ausdruck gelangen. Auf den Gegenstand wird später noch weiter
eingegangen werden.




Für die Redaktion verantwortlich: Dr. G. Wustmann in Leipzig (in Vertretung).
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig.
Ricks Lyhne.

unser Gehirn hat ihn sich zu ost da oben vorgestellt, es ist mit ihm ein¬
gesungen, als wir ganz klein waren.

Ricks nickte. Hjerrild beugte sich über ihn, um zu hören, ob er etwas
sagen wolle.

Sie meinen es gut, flüsterte Ricks, aber — und er schüttelte energisch
den Kopf.

Es blieb lange still drinnen; nur das ewige Höh, hob des Bauerburschen
zerhackte die Zeit langsam in Stücke.

Hjerrild erhob sich: Lebe wohl, Lyhne, sagte er, es ist doch ein schöner
Tod, für das arme Vaterland sterben zu können.

Ja, antwortete Ricks, aber eigentlich war unser Traum von dem, was
wir ausrichten wollten, damals, vor langen, langen Jahren, ein ganz andrer.

Hjerrild ging. Als er in sein Zimmer kam, stand er lange am Fenster
und sah zu den Sternen auf. Wenn ich Gott wäre, murmelte er und fügte
in Gedanken hinzu: dann würde ich weit lieber den selig machen, der nicht in
seiner letzten Stunde noch umkehrt.

Ricks' Schmerzen wurden heftiger und heftiger, es hämmerte unbarmherzig
in der Brust, ohne aufzuhören. Es wäre so schön gewesen, wenn er nun einen
Gott gehabt hätte, zu dem er hätte klagen, zu dem er hätte beten können.

Gegen Morgen sing er an, zu phantasiren; die Entzündung war in vollem
Gange.

Und so ging es noch zwei Tage und zwei Nächte weiter.

Das letzte mal, als Hjerrild Ricks Lyhne sah, lag er da und phantasirte
von seiner Rüstung, und daß er stehend sterben wolle.

Und endlich starb er denn den Tod, den schweren Tod.




Kleinere Mitteilungen. ^

Prozeß kosten. Die Auslassungen, welche das letzte Heft der Grenzboten
über diesen Gegenstand gebracht hat, sind durch ein Mißverständnis ohne jede
redaktionelle Bemerkung abgedruckt worden, wodurch der Anschein erweckt werden
konnte, die Grenzboten hätten den Standpunkt, den sie seit längerer Zeit einge¬
nommen haben, verlassen oder hielten ihn für kontrovers. Es sei deshalb nach¬
träglich zunächst ausdrücklich bemerkt, daß dies nicht der Fall ist, daß die Grenzboten
vielmehr an den Anschauungen durchaus festhalten, die auch in dem „Notschrei"
in Heft 30 zum Ausdruck gelangen. Auf den Gegenstand wird später noch weiter
eingegangen werden.




Für die Redaktion verantwortlich: Dr. G. Wustmann in Leipzig (in Vertretung).
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0636" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289759"/>
          <fw type="header" place="top"> Ricks Lyhne.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2165" prev="#ID_2164"> unser Gehirn hat ihn sich zu ost da oben vorgestellt, es ist mit ihm ein¬<lb/>
gesungen, als wir ganz klein waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2166"> Ricks nickte. Hjerrild beugte sich über ihn, um zu hören, ob er etwas<lb/>
sagen wolle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2167"> Sie meinen es gut, flüsterte Ricks, aber &#x2014; und er schüttelte energisch<lb/>
den Kopf.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2168"> Es blieb lange still drinnen; nur das ewige Höh, hob des Bauerburschen<lb/>
zerhackte die Zeit langsam in Stücke.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2169"> Hjerrild erhob sich: Lebe wohl, Lyhne, sagte er, es ist doch ein schöner<lb/>
Tod, für das arme Vaterland sterben zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2170"> Ja, antwortete Ricks, aber eigentlich war unser Traum von dem, was<lb/>
wir ausrichten wollten, damals, vor langen, langen Jahren, ein ganz andrer.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2171"> Hjerrild ging. Als er in sein Zimmer kam, stand er lange am Fenster<lb/>
und sah zu den Sternen auf. Wenn ich Gott wäre, murmelte er und fügte<lb/>
in Gedanken hinzu: dann würde ich weit lieber den selig machen, der nicht in<lb/>
seiner letzten Stunde noch umkehrt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2172"> Ricks' Schmerzen wurden heftiger und heftiger, es hämmerte unbarmherzig<lb/>
in der Brust, ohne aufzuhören. Es wäre so schön gewesen, wenn er nun einen<lb/>
Gott gehabt hätte, zu dem er hätte klagen, zu dem er hätte beten können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2173"> Gegen Morgen sing er an, zu phantasiren; die Entzündung war in vollem<lb/>
Gange.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2174"> Und so ging es noch zwei Tage und zwei Nächte weiter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2175"> Das letzte mal, als Hjerrild Ricks Lyhne sah, lag er da und phantasirte<lb/>
von seiner Rüstung, und daß er stehend sterben wolle.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2176"> Und endlich starb er denn den Tod, den schweren Tod.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kleinere Mitteilungen. ^</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2177"> Prozeß kosten. Die Auslassungen, welche das letzte Heft der Grenzboten<lb/>
über diesen Gegenstand gebracht hat, sind durch ein Mißverständnis ohne jede<lb/>
redaktionelle Bemerkung abgedruckt worden, wodurch der Anschein erweckt werden<lb/>
konnte, die Grenzboten hätten den Standpunkt, den sie seit längerer Zeit einge¬<lb/>
nommen haben, verlassen oder hielten ihn für kontrovers. Es sei deshalb nach¬<lb/>
träglich zunächst ausdrücklich bemerkt, daß dies nicht der Fall ist, daß die Grenzboten<lb/>
vielmehr an den Anschauungen durchaus festhalten, die auch in dem &#x201E;Notschrei"<lb/>
in Heft 30 zum Ausdruck gelangen. Auf den Gegenstand wird später noch weiter<lb/>
eingegangen werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Dr. G. Wustmann in Leipzig (in Vertretung).<lb/>
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. &#x2014; Druck von Carl Marquart in Leipzig.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0636] Ricks Lyhne. unser Gehirn hat ihn sich zu ost da oben vorgestellt, es ist mit ihm ein¬ gesungen, als wir ganz klein waren. Ricks nickte. Hjerrild beugte sich über ihn, um zu hören, ob er etwas sagen wolle. Sie meinen es gut, flüsterte Ricks, aber — und er schüttelte energisch den Kopf. Es blieb lange still drinnen; nur das ewige Höh, hob des Bauerburschen zerhackte die Zeit langsam in Stücke. Hjerrild erhob sich: Lebe wohl, Lyhne, sagte er, es ist doch ein schöner Tod, für das arme Vaterland sterben zu können. Ja, antwortete Ricks, aber eigentlich war unser Traum von dem, was wir ausrichten wollten, damals, vor langen, langen Jahren, ein ganz andrer. Hjerrild ging. Als er in sein Zimmer kam, stand er lange am Fenster und sah zu den Sternen auf. Wenn ich Gott wäre, murmelte er und fügte in Gedanken hinzu: dann würde ich weit lieber den selig machen, der nicht in seiner letzten Stunde noch umkehrt. Ricks' Schmerzen wurden heftiger und heftiger, es hämmerte unbarmherzig in der Brust, ohne aufzuhören. Es wäre so schön gewesen, wenn er nun einen Gott gehabt hätte, zu dem er hätte klagen, zu dem er hätte beten können. Gegen Morgen sing er an, zu phantasiren; die Entzündung war in vollem Gange. Und so ging es noch zwei Tage und zwei Nächte weiter. Das letzte mal, als Hjerrild Ricks Lyhne sah, lag er da und phantasirte von seiner Rüstung, und daß er stehend sterben wolle. Und endlich starb er denn den Tod, den schweren Tod. Kleinere Mitteilungen. ^ Prozeß kosten. Die Auslassungen, welche das letzte Heft der Grenzboten über diesen Gegenstand gebracht hat, sind durch ein Mißverständnis ohne jede redaktionelle Bemerkung abgedruckt worden, wodurch der Anschein erweckt werden konnte, die Grenzboten hätten den Standpunkt, den sie seit längerer Zeit einge¬ nommen haben, verlassen oder hielten ihn für kontrovers. Es sei deshalb nach¬ träglich zunächst ausdrücklich bemerkt, daß dies nicht der Fall ist, daß die Grenzboten vielmehr an den Anschauungen durchaus festhalten, die auch in dem „Notschrei" in Heft 30 zum Ausdruck gelangen. Auf den Gegenstand wird später noch weiter eingegangen werden. Für die Redaktion verantwortlich: Dr. G. Wustmann in Leipzig (in Vertretung). Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/636
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/636>, abgerufen am 22.07.2024.