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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Anfänge des Papsttums.

habe, ein Gesetz, das für Bekenntnis und Lehramt entscheidend wurde. Mehr
und mehr begann die dogmatische Thätigkeit der römischen Bischöfe; in den
heftigen Streitigkeiten über die Lehre Augustins von der Prädestination wurden
sie um Entscheidung angerufen. Sie gaben kluge Urteile mit Betonung ihrer
Pflicht für die Gesamtiirche. Schnell erweiterte sich der Geschäftskreis;
Damasus I. (366--384) und Innocenz I. (401--417) waren hervorragende
Männer. Nur noch ein Schritt verblieb bis zu dem Edikt Valentinians III.
(445), welches dem apostolischen Stuhle höchste gesetzgebende und richterliche
Befugnis überwies.

Wo waren jetzt die Zeiten, da ein Bischof von Korinth daran erinnern
durfte, auch seine Gemeinde sei gleich der römischen von Petrus und Paulus
gepflanzt, wo der Papst die Entscheidung über eine Irrlehre ablehnte, weil
er kein Recht zu selbstherrlichen Urteile besitze, wo karthagische Synoden ihn
an geziemende Demut erinnerten, sich alle Einmischung verbaten und die von
ihm gebilligte Erbsündenlehre feierlich verwarfen, wo ein Cypricin allen Aposteln
dieselbe Macht und Ehre zusprach wie Petrus, alle Bischöfe als gleichstehende,
gemeinsame Träger der unteilbaren Kirchengewalt bezeichnete, wo Sulpicius
Severus, ein geistlicher Eiferer, in seiner Kirchengeschichte nichts vom Primat
des römischen Bischofs wußte, und eine ökumenische Synode gehalten wurde,
die das Dogma vom heiligen Geiste feststellte (331), ohne daß der apostolische
Stuhl auch nur vertreten war. Ein neuer Abschnitt hatte begonnen: von
440--461 waltete Leo I., der früheste Papst von weltgeschichtlicher Bedeutung,
den die Kirche zugleich den Großen und den Heiligen nennen konnte.

Als die kaiserliche Macht in Italien zusammenbrach, als Hunnen und
Wandalen vorstürmten, trat Leo ihnen entgegen als Beschützer des Landes, als
Hort des Glaubens, richtete er an Stelle der weltlichen Gewalt helfend und
lindernd die väterlich geistliche empor, stellte er diese in den Mittelpunkt der
Ereignisse. In ihm sammelten sich die Strahlen, die bisher vereinzelt von
Rom her geleuchtet hatten. Seit dem 8. Oktober 451 tagte fern im Orient
die Synode von Chalkedon, deren Entscheidung wesentlich in päpstlichen Sinne
auffiel, selbst in der vielumstrittenen Frage nach der Person Christi. Die
Synode gestaltete sich dadurch zu einer Vereinigung von Abend- und Morgen¬
land, der Nachfolger Petri war maßgebend geworden auch am Bosporus; er
durfte wagen auszusprechen, daß er die Beschlüsse zu Gunsten der geistlichen
Gleichstellung Konstantinopels kraft der Autorität des Apostelfürsten kassire,
durfte den Patriarchen mit dem Banne bedrohen, wenn er nicht zurücktrete.

So war der Boden gegeben für den Riesenbau des Katholizismus.




Die Anfänge des Papsttums.

habe, ein Gesetz, das für Bekenntnis und Lehramt entscheidend wurde. Mehr
und mehr begann die dogmatische Thätigkeit der römischen Bischöfe; in den
heftigen Streitigkeiten über die Lehre Augustins von der Prädestination wurden
sie um Entscheidung angerufen. Sie gaben kluge Urteile mit Betonung ihrer
Pflicht für die Gesamtiirche. Schnell erweiterte sich der Geschäftskreis;
Damasus I. (366—384) und Innocenz I. (401—417) waren hervorragende
Männer. Nur noch ein Schritt verblieb bis zu dem Edikt Valentinians III.
(445), welches dem apostolischen Stuhle höchste gesetzgebende und richterliche
Befugnis überwies.

Wo waren jetzt die Zeiten, da ein Bischof von Korinth daran erinnern
durfte, auch seine Gemeinde sei gleich der römischen von Petrus und Paulus
gepflanzt, wo der Papst die Entscheidung über eine Irrlehre ablehnte, weil
er kein Recht zu selbstherrlichen Urteile besitze, wo karthagische Synoden ihn
an geziemende Demut erinnerten, sich alle Einmischung verbaten und die von
ihm gebilligte Erbsündenlehre feierlich verwarfen, wo ein Cypricin allen Aposteln
dieselbe Macht und Ehre zusprach wie Petrus, alle Bischöfe als gleichstehende,
gemeinsame Träger der unteilbaren Kirchengewalt bezeichnete, wo Sulpicius
Severus, ein geistlicher Eiferer, in seiner Kirchengeschichte nichts vom Primat
des römischen Bischofs wußte, und eine ökumenische Synode gehalten wurde,
die das Dogma vom heiligen Geiste feststellte (331), ohne daß der apostolische
Stuhl auch nur vertreten war. Ein neuer Abschnitt hatte begonnen: von
440—461 waltete Leo I., der früheste Papst von weltgeschichtlicher Bedeutung,
den die Kirche zugleich den Großen und den Heiligen nennen konnte.

Als die kaiserliche Macht in Italien zusammenbrach, als Hunnen und
Wandalen vorstürmten, trat Leo ihnen entgegen als Beschützer des Landes, als
Hort des Glaubens, richtete er an Stelle der weltlichen Gewalt helfend und
lindernd die väterlich geistliche empor, stellte er diese in den Mittelpunkt der
Ereignisse. In ihm sammelten sich die Strahlen, die bisher vereinzelt von
Rom her geleuchtet hatten. Seit dem 8. Oktober 451 tagte fern im Orient
die Synode von Chalkedon, deren Entscheidung wesentlich in päpstlichen Sinne
auffiel, selbst in der vielumstrittenen Frage nach der Person Christi. Die
Synode gestaltete sich dadurch zu einer Vereinigung von Abend- und Morgen¬
land, der Nachfolger Petri war maßgebend geworden auch am Bosporus; er
durfte wagen auszusprechen, daß er die Beschlüsse zu Gunsten der geistlichen
Gleichstellung Konstantinopels kraft der Autorität des Apostelfürsten kassire,
durfte den Patriarchen mit dem Banne bedrohen, wenn er nicht zurücktrete.

So war der Boden gegeben für den Riesenbau des Katholizismus.




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[0632] Die Anfänge des Papsttums. habe, ein Gesetz, das für Bekenntnis und Lehramt entscheidend wurde. Mehr und mehr begann die dogmatische Thätigkeit der römischen Bischöfe; in den heftigen Streitigkeiten über die Lehre Augustins von der Prädestination wurden sie um Entscheidung angerufen. Sie gaben kluge Urteile mit Betonung ihrer Pflicht für die Gesamtiirche. Schnell erweiterte sich der Geschäftskreis; Damasus I. (366—384) und Innocenz I. (401—417) waren hervorragende Männer. Nur noch ein Schritt verblieb bis zu dem Edikt Valentinians III. (445), welches dem apostolischen Stuhle höchste gesetzgebende und richterliche Befugnis überwies. Wo waren jetzt die Zeiten, da ein Bischof von Korinth daran erinnern durfte, auch seine Gemeinde sei gleich der römischen von Petrus und Paulus gepflanzt, wo der Papst die Entscheidung über eine Irrlehre ablehnte, weil er kein Recht zu selbstherrlichen Urteile besitze, wo karthagische Synoden ihn an geziemende Demut erinnerten, sich alle Einmischung verbaten und die von ihm gebilligte Erbsündenlehre feierlich verwarfen, wo ein Cypricin allen Aposteln dieselbe Macht und Ehre zusprach wie Petrus, alle Bischöfe als gleichstehende, gemeinsame Träger der unteilbaren Kirchengewalt bezeichnete, wo Sulpicius Severus, ein geistlicher Eiferer, in seiner Kirchengeschichte nichts vom Primat des römischen Bischofs wußte, und eine ökumenische Synode gehalten wurde, die das Dogma vom heiligen Geiste feststellte (331), ohne daß der apostolische Stuhl auch nur vertreten war. Ein neuer Abschnitt hatte begonnen: von 440—461 waltete Leo I., der früheste Papst von weltgeschichtlicher Bedeutung, den die Kirche zugleich den Großen und den Heiligen nennen konnte. Als die kaiserliche Macht in Italien zusammenbrach, als Hunnen und Wandalen vorstürmten, trat Leo ihnen entgegen als Beschützer des Landes, als Hort des Glaubens, richtete er an Stelle der weltlichen Gewalt helfend und lindernd die väterlich geistliche empor, stellte er diese in den Mittelpunkt der Ereignisse. In ihm sammelten sich die Strahlen, die bisher vereinzelt von Rom her geleuchtet hatten. Seit dem 8. Oktober 451 tagte fern im Orient die Synode von Chalkedon, deren Entscheidung wesentlich in päpstlichen Sinne auffiel, selbst in der vielumstrittenen Frage nach der Person Christi. Die Synode gestaltete sich dadurch zu einer Vereinigung von Abend- und Morgen¬ land, der Nachfolger Petri war maßgebend geworden auch am Bosporus; er durfte wagen auszusprechen, daß er die Beschlüsse zu Gunsten der geistlichen Gleichstellung Konstantinopels kraft der Autorität des Apostelfürsten kassire, durfte den Patriarchen mit dem Banne bedrohen, wenn er nicht zurücktrete. So war der Boden gegeben für den Riesenbau des Katholizismus.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/632>, abgerufen am 24.08.2024.