Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Fran Gottsched.

welche eine Meisterin schöner Wissenschaften ist, da sich Gleich und Gleich gesellet,
hat dieß Carmen aufgesetzt eine Freundin edler Musen, die die Dichtkunst auch
ergötzt, Anna Helena Volkmannin, geb. Wolffermannin." Unter den übrigen
Glückwünschenden finden wir auch den Leipziger Juristen Corvinus, als Dichter
..Amaranthes" genannt, den Magister Johann Daniel Heyde, Korrektor des
Gymnasiums zu Gera, den Magister Nikolaus Kelz, ein Mitglied der Gottsched-
schen Rednergescllschaft, Martin Knocher, el" Mitglied der Deutschen Gesellschaft,
den Pfarrer Adam Bernhard Pantke, ferner von Auswärtigen noch Johann
Vermehre" aus Lübeck und die Erfurter Dichterin Jungfrau Sidonia Hedwig
Zäunemann, an die Gottscheds Braut schon früher ein poetisches Sendschreiben
gerichtet hatte, das nach Gottscheds Versicherung ,,sehr nützliche Lehren für
dieselbe in sich hielt." Man sieht, die Sitte der Zeit hatte dafür gesorgt, daß
es dem jungen Paare später nicht an Gelegenheit fehlte, bei Hochzeitsfesten,
Todesfällen, Amtsveränderungen u. dergl. die dichterischen Schwingen zu
entfalten, um Gleiches mit Gleichem, Gelegenheitsgedicht mit Gelegenheits¬
gedicht zu vergelten.

In Leipzig ließ die junge Frau Professorin es sich vor allem angelegen
sein, ihre Bildung noch zu vervollkommnen. In ihrem Zimmer saß sie hinter
der Thür, die zu dem Hörsäle ihres Gatten führte, und hörte da alle Vor¬
lesungen, die er über die einzelnen Teile der Philosophie, über Beredsamkeit
und Dichtkunst hielt, mit an. Auch bei den Redeübungen, die Gottsched mit
deu besten seiner Zuhörer jahraus jahrein Mittwochs und Sonnabends ver¬
anstaltete, und den darauf folgenden Beurteilungen der gehaltenen Reden war
sie stets in derselben Weise unbemerkt ZuHörerin.

Daneben nahm sie bereits im ersten Jahre ihrer Ehe Privatunterricht in
der lateinischen Sprache bei Gottscheds Freund und Anhänger Johann Joachim
Schwabe, der später die in Gottscheds Sinne geleiteten und von seinen Anhängern
geschriebenen "Belustigungen des Verstandes und Witzes" herausgab. Von dein
Erfolge dieses Unterrichts urteilt Gottsched, daß sie es in kurzem so weit
gebracht habe, einen leichten Schriftsteller zu verstehen, und sowohl im Reden als
im Schreiben mit lateinischen Wörtern so richtig zu verfahren wie ein Gelehrter.

Auch in der Musik suchte sie sich noch weiter auszubilden. Sie nahm
Unterricht bei den, Musiker Krebs, einem Schüler Bachs; und wie sie es
überall bis zu eignen Geisteserzeugnissen zu bringen suchte, wie sie z. B. das in
den Redeübungen ihres Gatten gelernte in selbstausgcarbeiteten Reden zu ver¬
werten sich bemühte, so drang sie auch in ihren musikalischen Studien bis zur
Kompositionslehre vor, und der von ihrem Gatten veranstalteten Sammlung
ihrer Gedichte ist (Seite 178 bis 192) eine von ihr komponirte, aus Arie,
Rezitativ und Arie bestehende Kantate beigefügt, die nicht nur von tüchtiger
Beherrschung der musikalischen Formen, sondern auch, namentlich in der letzten
Arie, von echter musikalischer Empfindung Zeugnis ablegt.


Fran Gottsched.

welche eine Meisterin schöner Wissenschaften ist, da sich Gleich und Gleich gesellet,
hat dieß Carmen aufgesetzt eine Freundin edler Musen, die die Dichtkunst auch
ergötzt, Anna Helena Volkmannin, geb. Wolffermannin." Unter den übrigen
Glückwünschenden finden wir auch den Leipziger Juristen Corvinus, als Dichter
..Amaranthes" genannt, den Magister Johann Daniel Heyde, Korrektor des
Gymnasiums zu Gera, den Magister Nikolaus Kelz, ein Mitglied der Gottsched-
schen Rednergescllschaft, Martin Knocher, el» Mitglied der Deutschen Gesellschaft,
den Pfarrer Adam Bernhard Pantke, ferner von Auswärtigen noch Johann
Vermehre» aus Lübeck und die Erfurter Dichterin Jungfrau Sidonia Hedwig
Zäunemann, an die Gottscheds Braut schon früher ein poetisches Sendschreiben
gerichtet hatte, das nach Gottscheds Versicherung ,,sehr nützliche Lehren für
dieselbe in sich hielt." Man sieht, die Sitte der Zeit hatte dafür gesorgt, daß
es dem jungen Paare später nicht an Gelegenheit fehlte, bei Hochzeitsfesten,
Todesfällen, Amtsveränderungen u. dergl. die dichterischen Schwingen zu
entfalten, um Gleiches mit Gleichem, Gelegenheitsgedicht mit Gelegenheits¬
gedicht zu vergelten.

In Leipzig ließ die junge Frau Professorin es sich vor allem angelegen
sein, ihre Bildung noch zu vervollkommnen. In ihrem Zimmer saß sie hinter
der Thür, die zu dem Hörsäle ihres Gatten führte, und hörte da alle Vor¬
lesungen, die er über die einzelnen Teile der Philosophie, über Beredsamkeit
und Dichtkunst hielt, mit an. Auch bei den Redeübungen, die Gottsched mit
deu besten seiner Zuhörer jahraus jahrein Mittwochs und Sonnabends ver¬
anstaltete, und den darauf folgenden Beurteilungen der gehaltenen Reden war
sie stets in derselben Weise unbemerkt ZuHörerin.

Daneben nahm sie bereits im ersten Jahre ihrer Ehe Privatunterricht in
der lateinischen Sprache bei Gottscheds Freund und Anhänger Johann Joachim
Schwabe, der später die in Gottscheds Sinne geleiteten und von seinen Anhängern
geschriebenen „Belustigungen des Verstandes und Witzes" herausgab. Von dein
Erfolge dieses Unterrichts urteilt Gottsched, daß sie es in kurzem so weit
gebracht habe, einen leichten Schriftsteller zu verstehen, und sowohl im Reden als
im Schreiben mit lateinischen Wörtern so richtig zu verfahren wie ein Gelehrter.

Auch in der Musik suchte sie sich noch weiter auszubilden. Sie nahm
Unterricht bei den, Musiker Krebs, einem Schüler Bachs; und wie sie es
überall bis zu eignen Geisteserzeugnissen zu bringen suchte, wie sie z. B. das in
den Redeübungen ihres Gatten gelernte in selbstausgcarbeiteten Reden zu ver¬
werten sich bemühte, so drang sie auch in ihren musikalischen Studien bis zur
Kompositionslehre vor, und der von ihrem Gatten veranstalteten Sammlung
ihrer Gedichte ist (Seite 178 bis 192) eine von ihr komponirte, aus Arie,
Rezitativ und Arie bestehende Kantate beigefügt, die nicht nur von tüchtiger
Beherrschung der musikalischen Formen, sondern auch, namentlich in der letzten
Arie, von echter musikalischer Empfindung Zeugnis ablegt.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0608" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289731"/>
          <fw type="header" place="top"> Fran Gottsched.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2061" prev="#ID_2060"> welche eine Meisterin schöner Wissenschaften ist, da sich Gleich und Gleich gesellet,<lb/>
hat dieß Carmen aufgesetzt eine Freundin edler Musen, die die Dichtkunst auch<lb/>
ergötzt, Anna Helena Volkmannin, geb. Wolffermannin." Unter den übrigen<lb/>
Glückwünschenden finden wir auch den Leipziger Juristen Corvinus, als Dichter<lb/>
..Amaranthes" genannt, den Magister Johann Daniel Heyde, Korrektor des<lb/>
Gymnasiums zu Gera, den Magister Nikolaus Kelz, ein Mitglied der Gottsched-<lb/>
schen Rednergescllschaft, Martin Knocher, el» Mitglied der Deutschen Gesellschaft,<lb/>
den Pfarrer Adam Bernhard Pantke, ferner von Auswärtigen noch Johann<lb/>
Vermehre» aus Lübeck und die Erfurter Dichterin Jungfrau Sidonia Hedwig<lb/>
Zäunemann, an die Gottscheds Braut schon früher ein poetisches Sendschreiben<lb/>
gerichtet hatte, das nach Gottscheds Versicherung ,,sehr nützliche Lehren für<lb/>
dieselbe in sich hielt." Man sieht, die Sitte der Zeit hatte dafür gesorgt, daß<lb/>
es dem jungen Paare später nicht an Gelegenheit fehlte, bei Hochzeitsfesten,<lb/>
Todesfällen, Amtsveränderungen u. dergl. die dichterischen Schwingen zu<lb/>
entfalten, um Gleiches mit Gleichem, Gelegenheitsgedicht mit Gelegenheits¬<lb/>
gedicht zu vergelten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2062"> In Leipzig ließ die junge Frau Professorin es sich vor allem angelegen<lb/>
sein, ihre Bildung noch zu vervollkommnen. In ihrem Zimmer saß sie hinter<lb/>
der Thür, die zu dem Hörsäle ihres Gatten führte, und hörte da alle Vor¬<lb/>
lesungen, die er über die einzelnen Teile der Philosophie, über Beredsamkeit<lb/>
und Dichtkunst hielt, mit an. Auch bei den Redeübungen, die Gottsched mit<lb/>
deu besten seiner Zuhörer jahraus jahrein Mittwochs und Sonnabends ver¬<lb/>
anstaltete, und den darauf folgenden Beurteilungen der gehaltenen Reden war<lb/>
sie stets in derselben Weise unbemerkt ZuHörerin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2063"> Daneben nahm sie bereits im ersten Jahre ihrer Ehe Privatunterricht in<lb/>
der lateinischen Sprache bei Gottscheds Freund und Anhänger Johann Joachim<lb/>
Schwabe, der später die in Gottscheds Sinne geleiteten und von seinen Anhängern<lb/>
geschriebenen &#x201E;Belustigungen des Verstandes und Witzes" herausgab. Von dein<lb/>
Erfolge dieses Unterrichts urteilt Gottsched, daß sie es in kurzem so weit<lb/>
gebracht habe, einen leichten Schriftsteller zu verstehen, und sowohl im Reden als<lb/>
im Schreiben mit lateinischen Wörtern so richtig zu verfahren wie ein Gelehrter.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2064"> Auch in der Musik suchte sie sich noch weiter auszubilden. Sie nahm<lb/>
Unterricht bei den, Musiker Krebs, einem Schüler Bachs; und wie sie es<lb/>
überall bis zu eignen Geisteserzeugnissen zu bringen suchte, wie sie z. B. das in<lb/>
den Redeübungen ihres Gatten gelernte in selbstausgcarbeiteten Reden zu ver¬<lb/>
werten sich bemühte, so drang sie auch in ihren musikalischen Studien bis zur<lb/>
Kompositionslehre vor, und der von ihrem Gatten veranstalteten Sammlung<lb/>
ihrer Gedichte ist (Seite 178 bis 192) eine von ihr komponirte, aus Arie,<lb/>
Rezitativ und Arie bestehende Kantate beigefügt, die nicht nur von tüchtiger<lb/>
Beherrschung der musikalischen Formen, sondern auch, namentlich in der letzten<lb/>
Arie, von echter musikalischer Empfindung Zeugnis ablegt.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0608] Fran Gottsched. welche eine Meisterin schöner Wissenschaften ist, da sich Gleich und Gleich gesellet, hat dieß Carmen aufgesetzt eine Freundin edler Musen, die die Dichtkunst auch ergötzt, Anna Helena Volkmannin, geb. Wolffermannin." Unter den übrigen Glückwünschenden finden wir auch den Leipziger Juristen Corvinus, als Dichter ..Amaranthes" genannt, den Magister Johann Daniel Heyde, Korrektor des Gymnasiums zu Gera, den Magister Nikolaus Kelz, ein Mitglied der Gottsched- schen Rednergescllschaft, Martin Knocher, el» Mitglied der Deutschen Gesellschaft, den Pfarrer Adam Bernhard Pantke, ferner von Auswärtigen noch Johann Vermehre» aus Lübeck und die Erfurter Dichterin Jungfrau Sidonia Hedwig Zäunemann, an die Gottscheds Braut schon früher ein poetisches Sendschreiben gerichtet hatte, das nach Gottscheds Versicherung ,,sehr nützliche Lehren für dieselbe in sich hielt." Man sieht, die Sitte der Zeit hatte dafür gesorgt, daß es dem jungen Paare später nicht an Gelegenheit fehlte, bei Hochzeitsfesten, Todesfällen, Amtsveränderungen u. dergl. die dichterischen Schwingen zu entfalten, um Gleiches mit Gleichem, Gelegenheitsgedicht mit Gelegenheits¬ gedicht zu vergelten. In Leipzig ließ die junge Frau Professorin es sich vor allem angelegen sein, ihre Bildung noch zu vervollkommnen. In ihrem Zimmer saß sie hinter der Thür, die zu dem Hörsäle ihres Gatten führte, und hörte da alle Vor¬ lesungen, die er über die einzelnen Teile der Philosophie, über Beredsamkeit und Dichtkunst hielt, mit an. Auch bei den Redeübungen, die Gottsched mit deu besten seiner Zuhörer jahraus jahrein Mittwochs und Sonnabends ver¬ anstaltete, und den darauf folgenden Beurteilungen der gehaltenen Reden war sie stets in derselben Weise unbemerkt ZuHörerin. Daneben nahm sie bereits im ersten Jahre ihrer Ehe Privatunterricht in der lateinischen Sprache bei Gottscheds Freund und Anhänger Johann Joachim Schwabe, der später die in Gottscheds Sinne geleiteten und von seinen Anhängern geschriebenen „Belustigungen des Verstandes und Witzes" herausgab. Von dein Erfolge dieses Unterrichts urteilt Gottsched, daß sie es in kurzem so weit gebracht habe, einen leichten Schriftsteller zu verstehen, und sowohl im Reden als im Schreiben mit lateinischen Wörtern so richtig zu verfahren wie ein Gelehrter. Auch in der Musik suchte sie sich noch weiter auszubilden. Sie nahm Unterricht bei den, Musiker Krebs, einem Schüler Bachs; und wie sie es überall bis zu eignen Geisteserzeugnissen zu bringen suchte, wie sie z. B. das in den Redeübungen ihres Gatten gelernte in selbstausgcarbeiteten Reden zu ver¬ werten sich bemühte, so drang sie auch in ihren musikalischen Studien bis zur Kompositionslehre vor, und der von ihrem Gatten veranstalteten Sammlung ihrer Gedichte ist (Seite 178 bis 192) eine von ihr komponirte, aus Arie, Rezitativ und Arie bestehende Kantate beigefügt, die nicht nur von tüchtiger Beherrschung der musikalischen Formen, sondern auch, namentlich in der letzten Arie, von echter musikalischer Empfindung Zeugnis ablegt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/608
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/608>, abgerufen am 22.07.2024.