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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur landwirtschaftlichen Notlage.

eine möglichst liberale Gründung dürfte die anzustrebende größere Ausdehnung,
der Übertritt so vieler tüchtiger, aber für die bisherigen Besitzverhältnisse kapi¬
talistisch nicht genügend ausgestatteter Eigentümer und damit anch der staatliche
Zweck erreicht werden.

Ich bin mit nieinen Auslassungen über die wichtigsten Notstände der heu¬
tigen Landwirtschaft und die mir dagegen wirksam erscheinenden Mittel zu Ende.
Mögen sie eine wohlwollende Beachtung finden. Sie kommen ans dem Leben
und sind fürs Leben geschrieben. Wohl weiß ich, daß es unsrer Zeit noch an
dem richtigen Verständnis für die Aufgabe und den Endzweck des Landbaues
sehr fehlt; aber dieser Endzweck ist gerade für unser deutsches Vaterland so
überaus wichtig, daß man sich wohl des Glaubens getrösten darf, die erforder¬
liche Einsicht werde zum Durchbruch kommen. Die gesamte staatliche Gesell¬
schaft ist bei uns sehr wesentlich am Landbau beteiligt, wenn auch nicht in un¬
mittelbarer Arbeit, so doch rin der Zinsnutzung der dabei angelegten Kapi¬
talien, der Staat durch die Beschaffung seiner Militärkraft, und dann auch
wieder im Kriegsfall durch die bereite Deckung seiner allergewöhnlichsten Lebens¬
bedürfnisse. Wir können nicht dahin geführt werden, wohin es in England
kommt, welches keine Schulden und Hypotheken bei seinem Grundbesitze kennt,
und wo das Einkommen aller Staatsbürger, auch des höchsten Adels, ans
Handel und Gewerbe gezogen wird. Dort ist es wohl gerechtfertigt, wenigstens
erklärlich, wenn das Land brach gelegt wird und die Güter in Parks und Jagd¬
gründe umgewandelt werden. In Deutschland kann die Landwirtschaft der all¬
seitige" Fürsorge nicht entbehren. Die Zeiten sind vorüber, wo man sagen
durfte, daß auf dem Lande jeder mit einer Handvoll Glück und Verstand aus¬
komme. Zur Ansammlung von Reichtümern wie in der Industrie gelangt man
da nicht. Es ist schon hoch genug zu schätzen, wenn Kräfte angesammelt werden,
um den unabwendbaren Heimsuchungen widerstehen zu können.

Ein sicheres Zeichen des Niederganges unsrer Landwirtschaft ist es deshalb,
wenn aus altem, befestigtem Grundbesitze, der solche Kräfte im Laufe der Jahre
aufzuspeichern vermochte, Klagen über schwere Notstände kommen. Gerade der
ausgedehnte, umfassende Großgrundbesitz, der intelligent und damit auch ren¬
tabel verwaltet wird, hat den Vorzug, daß er für die Versorgung der Märkte
durch eine seinen Wirtschaftsbedarf überschreitende Produktion arbeitet und, wie
z. B. die preußische Pferdezucht es darthut, zu einzelnen wichtigen Bedürfnissen
des Staates hervorragend beiträgt. Es ist ungerechtfertigt gegen ihn und unsre
Adelsgeschlechter, denen wir geschichtlich so viel verdanken, die leichtfertige An¬
klage geringer landwirtlicher Leistungsfähigkeit zu erheben. Sollte sich erst das
Kapital an seine Stelle setzen, wie kommen zu wollen es den Anschein hat,
dann könnten wir nur mit unsern nationalen Erfolgen und Aufgaben abschließen
und die Vorwürfe unsrer Nachkommen auf uns nehmen, die dann mit Recht
dahin lauten würden, wir seien uns unsrer Macht und der Kraft, den Verfall


Grenzboten III. 1333. 75
Zur landwirtschaftlichen Notlage.

eine möglichst liberale Gründung dürfte die anzustrebende größere Ausdehnung,
der Übertritt so vieler tüchtiger, aber für die bisherigen Besitzverhältnisse kapi¬
talistisch nicht genügend ausgestatteter Eigentümer und damit anch der staatliche
Zweck erreicht werden.

Ich bin mit nieinen Auslassungen über die wichtigsten Notstände der heu¬
tigen Landwirtschaft und die mir dagegen wirksam erscheinenden Mittel zu Ende.
Mögen sie eine wohlwollende Beachtung finden. Sie kommen ans dem Leben
und sind fürs Leben geschrieben. Wohl weiß ich, daß es unsrer Zeit noch an
dem richtigen Verständnis für die Aufgabe und den Endzweck des Landbaues
sehr fehlt; aber dieser Endzweck ist gerade für unser deutsches Vaterland so
überaus wichtig, daß man sich wohl des Glaubens getrösten darf, die erforder¬
liche Einsicht werde zum Durchbruch kommen. Die gesamte staatliche Gesell¬
schaft ist bei uns sehr wesentlich am Landbau beteiligt, wenn auch nicht in un¬
mittelbarer Arbeit, so doch rin der Zinsnutzung der dabei angelegten Kapi¬
talien, der Staat durch die Beschaffung seiner Militärkraft, und dann auch
wieder im Kriegsfall durch die bereite Deckung seiner allergewöhnlichsten Lebens¬
bedürfnisse. Wir können nicht dahin geführt werden, wohin es in England
kommt, welches keine Schulden und Hypotheken bei seinem Grundbesitze kennt,
und wo das Einkommen aller Staatsbürger, auch des höchsten Adels, ans
Handel und Gewerbe gezogen wird. Dort ist es wohl gerechtfertigt, wenigstens
erklärlich, wenn das Land brach gelegt wird und die Güter in Parks und Jagd¬
gründe umgewandelt werden. In Deutschland kann die Landwirtschaft der all¬
seitige» Fürsorge nicht entbehren. Die Zeiten sind vorüber, wo man sagen
durfte, daß auf dem Lande jeder mit einer Handvoll Glück und Verstand aus¬
komme. Zur Ansammlung von Reichtümern wie in der Industrie gelangt man
da nicht. Es ist schon hoch genug zu schätzen, wenn Kräfte angesammelt werden,
um den unabwendbaren Heimsuchungen widerstehen zu können.

Ein sicheres Zeichen des Niederganges unsrer Landwirtschaft ist es deshalb,
wenn aus altem, befestigtem Grundbesitze, der solche Kräfte im Laufe der Jahre
aufzuspeichern vermochte, Klagen über schwere Notstände kommen. Gerade der
ausgedehnte, umfassende Großgrundbesitz, der intelligent und damit auch ren¬
tabel verwaltet wird, hat den Vorzug, daß er für die Versorgung der Märkte
durch eine seinen Wirtschaftsbedarf überschreitende Produktion arbeitet und, wie
z. B. die preußische Pferdezucht es darthut, zu einzelnen wichtigen Bedürfnissen
des Staates hervorragend beiträgt. Es ist ungerechtfertigt gegen ihn und unsre
Adelsgeschlechter, denen wir geschichtlich so viel verdanken, die leichtfertige An¬
klage geringer landwirtlicher Leistungsfähigkeit zu erheben. Sollte sich erst das
Kapital an seine Stelle setzen, wie kommen zu wollen es den Anschein hat,
dann könnten wir nur mit unsern nationalen Erfolgen und Aufgaben abschließen
und die Vorwürfe unsrer Nachkommen auf uns nehmen, die dann mit Recht
dahin lauten würden, wir seien uns unsrer Macht und der Kraft, den Verfall


Grenzboten III. 1333. 75
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[0601] Zur landwirtschaftlichen Notlage. eine möglichst liberale Gründung dürfte die anzustrebende größere Ausdehnung, der Übertritt so vieler tüchtiger, aber für die bisherigen Besitzverhältnisse kapi¬ talistisch nicht genügend ausgestatteter Eigentümer und damit anch der staatliche Zweck erreicht werden. Ich bin mit nieinen Auslassungen über die wichtigsten Notstände der heu¬ tigen Landwirtschaft und die mir dagegen wirksam erscheinenden Mittel zu Ende. Mögen sie eine wohlwollende Beachtung finden. Sie kommen ans dem Leben und sind fürs Leben geschrieben. Wohl weiß ich, daß es unsrer Zeit noch an dem richtigen Verständnis für die Aufgabe und den Endzweck des Landbaues sehr fehlt; aber dieser Endzweck ist gerade für unser deutsches Vaterland so überaus wichtig, daß man sich wohl des Glaubens getrösten darf, die erforder¬ liche Einsicht werde zum Durchbruch kommen. Die gesamte staatliche Gesell¬ schaft ist bei uns sehr wesentlich am Landbau beteiligt, wenn auch nicht in un¬ mittelbarer Arbeit, so doch rin der Zinsnutzung der dabei angelegten Kapi¬ talien, der Staat durch die Beschaffung seiner Militärkraft, und dann auch wieder im Kriegsfall durch die bereite Deckung seiner allergewöhnlichsten Lebens¬ bedürfnisse. Wir können nicht dahin geführt werden, wohin es in England kommt, welches keine Schulden und Hypotheken bei seinem Grundbesitze kennt, und wo das Einkommen aller Staatsbürger, auch des höchsten Adels, ans Handel und Gewerbe gezogen wird. Dort ist es wohl gerechtfertigt, wenigstens erklärlich, wenn das Land brach gelegt wird und die Güter in Parks und Jagd¬ gründe umgewandelt werden. In Deutschland kann die Landwirtschaft der all¬ seitige» Fürsorge nicht entbehren. Die Zeiten sind vorüber, wo man sagen durfte, daß auf dem Lande jeder mit einer Handvoll Glück und Verstand aus¬ komme. Zur Ansammlung von Reichtümern wie in der Industrie gelangt man da nicht. Es ist schon hoch genug zu schätzen, wenn Kräfte angesammelt werden, um den unabwendbaren Heimsuchungen widerstehen zu können. Ein sicheres Zeichen des Niederganges unsrer Landwirtschaft ist es deshalb, wenn aus altem, befestigtem Grundbesitze, der solche Kräfte im Laufe der Jahre aufzuspeichern vermochte, Klagen über schwere Notstände kommen. Gerade der ausgedehnte, umfassende Großgrundbesitz, der intelligent und damit auch ren¬ tabel verwaltet wird, hat den Vorzug, daß er für die Versorgung der Märkte durch eine seinen Wirtschaftsbedarf überschreitende Produktion arbeitet und, wie z. B. die preußische Pferdezucht es darthut, zu einzelnen wichtigen Bedürfnissen des Staates hervorragend beiträgt. Es ist ungerechtfertigt gegen ihn und unsre Adelsgeschlechter, denen wir geschichtlich so viel verdanken, die leichtfertige An¬ klage geringer landwirtlicher Leistungsfähigkeit zu erheben. Sollte sich erst das Kapital an seine Stelle setzen, wie kommen zu wollen es den Anschein hat, dann könnten wir nur mit unsern nationalen Erfolgen und Aufgaben abschließen und die Vorwürfe unsrer Nachkommen auf uns nehmen, die dann mit Recht dahin lauten würden, wir seien uns unsrer Macht und der Kraft, den Verfall Grenzboten III. 1333. 75

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/601>, abgerufen am 24.08.2024.