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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur landwirtschaftlichen Notlage.

Geltung behält, und wenn dazu der Staat seiner Pflicht für eine allgemein
auskömmliche Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Gewerbes gesetzgeberisch
Sorge zu tragen entspricht. Es ist das wichtig, weil die Überzeugung davon
den Anlaß geben darf zu einem größern Domänenbesitz und zu weitern Ankäufen
überzugehen.

Die Verpachtung unsrer preußischen Domänen in neuester Zeit hat er¬
wiesen, daß diese trotz der hohen Schutzzölle reichlich 10 Prozent weniger ein¬
tragen als vor 18 Jahren. Sie hätten aber bei dem gewöhnlichsten Kultur¬
fortschritt mehr einbringen müssen. Der Rückgang beruht auf der Ermäßigung
der Rente, die das Kapital abwirft, und die sich in den allgemeinen Zins-
rückgängen ausspricht. Durch sie hat der Gutsbesitzerstand eine sehr erhebliche
Aushilfe und einen gewissen Ausgleich mit den anderweitigen wirtschaftlichen
Verhältnissen gefunden. Nach billigem Ermessen hätte sie auch der Pächterstand
erhalten müssen, weil ja der Besitzer an seinen Hypothekenzinsen so viel erspart
und selbst der Staat seineu Gläubigern gegenüber in die Konvertirungen eintritt.
Viele Privatpersonen haben sie auch gewährt.

Dieser der Ermäßigung im Zinsfuße entsprechende Niedergang der Güter¬
pachten zeigt, wie notwendig der Landwirtschaft der ihr durch die Getreide¬
zölle zu teil gewordene Schutz gewesen ist, und welch eine ungeheure Kalamität
hereingebrochen wäre, wenn diese Zölle nicht eingeführt worden wären. Es
wird damit aber auch ferner erwiesen, wie allein schon auf Grund des Pacht¬
erträgnisses von dem doch nur sehr mäßigen Domänenbesitz und ohne auf
andre, immerhin leicht zu färbende Berichte sich stützen zu müssen, das Land-
wirtschaftsministcrium, das Staats- und das Neichsministerium die Lage unsrer
Landwirtschaft beurteilen können. Diese Einsicht wird noch klarer werden, wenn
erst erheblich mehr Landgüter, und zwar in den allerverschiedensten Gegenden
und Verhältnissen, durch die Hände der Domänenverwaltung gehen werden.
Daher erscheint es denn auch erwünscht, daß das landwirtschaftliche Ministerium
und nicht etwa eine größere Gesellschaft oder Genossenschafr. mit dem Ankauf
von preiswürdig zu erwerbenden Gütern und deren, wie der bisherigen Staats¬
domäne", Überführung in befestigten Familienbesitz betraut werde. Das Ministe¬
rium ist auf eine sachkundige Verwaltung schon eingerichtet und hat die aus¬
reichenden Kräfte dafür. Es bedarf nur weniger Maßnahmen, um ohne jeg¬
liche Gefährdung der allgemeinen Staatsinteressen die Leitung auch in weitester
Ausdehnung zu allseitiger Anerkennung zu übernehmen.

Zu diesen veränderten Maßnahmen der zur Zeit geltenden Verwaltungs¬
grundsätze rechne ich: 1. Strenge Forderung nicht bloß einer ausreichenden
Intelligenz, sondern ganz besonders auch genügende Kapitalkraft bei der Zu¬
lassung zum Angebot für den neuen Nentenerwcrb der Staatsgüter. Ich möchte
in dieser Beziehung darauf Wert legen, daß der Vermögensnachweis schärfer
als bisher, namentlich in eigner schriftlicher, auch eidlich beglaubigter Kund-


Zur landwirtschaftlichen Notlage.

Geltung behält, und wenn dazu der Staat seiner Pflicht für eine allgemein
auskömmliche Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Gewerbes gesetzgeberisch
Sorge zu tragen entspricht. Es ist das wichtig, weil die Überzeugung davon
den Anlaß geben darf zu einem größern Domänenbesitz und zu weitern Ankäufen
überzugehen.

Die Verpachtung unsrer preußischen Domänen in neuester Zeit hat er¬
wiesen, daß diese trotz der hohen Schutzzölle reichlich 10 Prozent weniger ein¬
tragen als vor 18 Jahren. Sie hätten aber bei dem gewöhnlichsten Kultur¬
fortschritt mehr einbringen müssen. Der Rückgang beruht auf der Ermäßigung
der Rente, die das Kapital abwirft, und die sich in den allgemeinen Zins-
rückgängen ausspricht. Durch sie hat der Gutsbesitzerstand eine sehr erhebliche
Aushilfe und einen gewissen Ausgleich mit den anderweitigen wirtschaftlichen
Verhältnissen gefunden. Nach billigem Ermessen hätte sie auch der Pächterstand
erhalten müssen, weil ja der Besitzer an seinen Hypothekenzinsen so viel erspart
und selbst der Staat seineu Gläubigern gegenüber in die Konvertirungen eintritt.
Viele Privatpersonen haben sie auch gewährt.

Dieser der Ermäßigung im Zinsfuße entsprechende Niedergang der Güter¬
pachten zeigt, wie notwendig der Landwirtschaft der ihr durch die Getreide¬
zölle zu teil gewordene Schutz gewesen ist, und welch eine ungeheure Kalamität
hereingebrochen wäre, wenn diese Zölle nicht eingeführt worden wären. Es
wird damit aber auch ferner erwiesen, wie allein schon auf Grund des Pacht¬
erträgnisses von dem doch nur sehr mäßigen Domänenbesitz und ohne auf
andre, immerhin leicht zu färbende Berichte sich stützen zu müssen, das Land-
wirtschaftsministcrium, das Staats- und das Neichsministerium die Lage unsrer
Landwirtschaft beurteilen können. Diese Einsicht wird noch klarer werden, wenn
erst erheblich mehr Landgüter, und zwar in den allerverschiedensten Gegenden
und Verhältnissen, durch die Hände der Domänenverwaltung gehen werden.
Daher erscheint es denn auch erwünscht, daß das landwirtschaftliche Ministerium
und nicht etwa eine größere Gesellschaft oder Genossenschafr. mit dem Ankauf
von preiswürdig zu erwerbenden Gütern und deren, wie der bisherigen Staats¬
domäne», Überführung in befestigten Familienbesitz betraut werde. Das Ministe¬
rium ist auf eine sachkundige Verwaltung schon eingerichtet und hat die aus¬
reichenden Kräfte dafür. Es bedarf nur weniger Maßnahmen, um ohne jeg¬
liche Gefährdung der allgemeinen Staatsinteressen die Leitung auch in weitester
Ausdehnung zu allseitiger Anerkennung zu übernehmen.

Zu diesen veränderten Maßnahmen der zur Zeit geltenden Verwaltungs¬
grundsätze rechne ich: 1. Strenge Forderung nicht bloß einer ausreichenden
Intelligenz, sondern ganz besonders auch genügende Kapitalkraft bei der Zu¬
lassung zum Angebot für den neuen Nentenerwcrb der Staatsgüter. Ich möchte
in dieser Beziehung darauf Wert legen, daß der Vermögensnachweis schärfer
als bisher, namentlich in eigner schriftlicher, auch eidlich beglaubigter Kund-


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[0599] Zur landwirtschaftlichen Notlage. Geltung behält, und wenn dazu der Staat seiner Pflicht für eine allgemein auskömmliche Ertragsfähigkeit des landwirtschaftlichen Gewerbes gesetzgeberisch Sorge zu tragen entspricht. Es ist das wichtig, weil die Überzeugung davon den Anlaß geben darf zu einem größern Domänenbesitz und zu weitern Ankäufen überzugehen. Die Verpachtung unsrer preußischen Domänen in neuester Zeit hat er¬ wiesen, daß diese trotz der hohen Schutzzölle reichlich 10 Prozent weniger ein¬ tragen als vor 18 Jahren. Sie hätten aber bei dem gewöhnlichsten Kultur¬ fortschritt mehr einbringen müssen. Der Rückgang beruht auf der Ermäßigung der Rente, die das Kapital abwirft, und die sich in den allgemeinen Zins- rückgängen ausspricht. Durch sie hat der Gutsbesitzerstand eine sehr erhebliche Aushilfe und einen gewissen Ausgleich mit den anderweitigen wirtschaftlichen Verhältnissen gefunden. Nach billigem Ermessen hätte sie auch der Pächterstand erhalten müssen, weil ja der Besitzer an seinen Hypothekenzinsen so viel erspart und selbst der Staat seineu Gläubigern gegenüber in die Konvertirungen eintritt. Viele Privatpersonen haben sie auch gewährt. Dieser der Ermäßigung im Zinsfuße entsprechende Niedergang der Güter¬ pachten zeigt, wie notwendig der Landwirtschaft der ihr durch die Getreide¬ zölle zu teil gewordene Schutz gewesen ist, und welch eine ungeheure Kalamität hereingebrochen wäre, wenn diese Zölle nicht eingeführt worden wären. Es wird damit aber auch ferner erwiesen, wie allein schon auf Grund des Pacht¬ erträgnisses von dem doch nur sehr mäßigen Domänenbesitz und ohne auf andre, immerhin leicht zu färbende Berichte sich stützen zu müssen, das Land- wirtschaftsministcrium, das Staats- und das Neichsministerium die Lage unsrer Landwirtschaft beurteilen können. Diese Einsicht wird noch klarer werden, wenn erst erheblich mehr Landgüter, und zwar in den allerverschiedensten Gegenden und Verhältnissen, durch die Hände der Domänenverwaltung gehen werden. Daher erscheint es denn auch erwünscht, daß das landwirtschaftliche Ministerium und nicht etwa eine größere Gesellschaft oder Genossenschafr. mit dem Ankauf von preiswürdig zu erwerbenden Gütern und deren, wie der bisherigen Staats¬ domäne», Überführung in befestigten Familienbesitz betraut werde. Das Ministe¬ rium ist auf eine sachkundige Verwaltung schon eingerichtet und hat die aus¬ reichenden Kräfte dafür. Es bedarf nur weniger Maßnahmen, um ohne jeg¬ liche Gefährdung der allgemeinen Staatsinteressen die Leitung auch in weitester Ausdehnung zu allseitiger Anerkennung zu übernehmen. Zu diesen veränderten Maßnahmen der zur Zeit geltenden Verwaltungs¬ grundsätze rechne ich: 1. Strenge Forderung nicht bloß einer ausreichenden Intelligenz, sondern ganz besonders auch genügende Kapitalkraft bei der Zu¬ lassung zum Angebot für den neuen Nentenerwcrb der Staatsgüter. Ich möchte in dieser Beziehung darauf Wert legen, daß der Vermögensnachweis schärfer als bisher, namentlich in eigner schriftlicher, auch eidlich beglaubigter Kund-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/599>, abgerufen am 22.07.2024.