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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur landwirtschaftlichen Notlage.

Blätter nicht mehr zerstören. Im Gegenteil, je mehr dort gehetzt wird, desto
mehr wird Frankreich als der eigentliche Störenfried der europäischen Verhält¬
nisse dastehen, was ihm in der Massauafrage deutlich genug gesagt worden ist.
Es war nur die Angst, daß ihm das Handwerk gründlich gelegt werden könnte,
die ans dem französischen Geschwätz sprach, daß Herbert Bismarck nach Paris
kommen und die Entwaffnung Frankreichs binnen zehn Tagen fordern werde.
Diese Forderung könnte wohl noch einmal kommen, aber nicht vor, sondern nach
einem Kriege, den wir erst aufnehmen werden, wenn es sein muß. Hoffentlich
können wir die "große Nation" mit ihrem Hexenkessel Paris noch recht lange
sich selber und ihrem Schicksal überlassen.




Die landwirtschaftliche Notlage.
(Schluß.)

in weiterer Übelstand, der die ungehinderte Entfaltung der Ar¬
beitskraft des Landwirtes sehr erschwert und der dringend eine
vorurteilsfreie Erwägung erheischt, ist die dein Grundbesitzer
auferlegte ländliche Polizciverwaltung. Wer weiß, welche stetig
angespannte Hingebung, welche Aufopferung der mühevolle Be¬
trieb der Landwirtschaft vom Dirigenten und allen seinen Beamten fordert,
der kann sich nicht darein finden, daß die ehrenamtliche Verwaltung einer allge¬
meinen Staatsangelegenheit noch so viele Freunde und Verteidiger, selbst in den
Kreisen der Großgrundbesitzer, findet. Zum allergrößten Teile haben diese sie
freilich bereits in die Hände ihrer Stellvertreter und Beamten übergehen lassen.
Aber dennoch bleibt die große Belastung für sie bestehen und wird dadurch nicht
vermindert.

Die Zeitverhältnisse verlangen genaue Zusammenraffung aller Kräfte; unser
Gewerbe verträgt am allerwenigsten eine Zersplitterung derselben. Die Anfor¬
derung, die eine ordnungsmäßige Führung der ländlichen Polizei bei dem wach¬
senden Verkehre und der Überbürdung mit schriftlichen Arbeiten an Zeit, Ar¬
beitskraft und Studium mit sich bringt, taugt nicht für den mit ausreichenden


Zur landwirtschaftlichen Notlage.

Blätter nicht mehr zerstören. Im Gegenteil, je mehr dort gehetzt wird, desto
mehr wird Frankreich als der eigentliche Störenfried der europäischen Verhält¬
nisse dastehen, was ihm in der Massauafrage deutlich genug gesagt worden ist.
Es war nur die Angst, daß ihm das Handwerk gründlich gelegt werden könnte,
die ans dem französischen Geschwätz sprach, daß Herbert Bismarck nach Paris
kommen und die Entwaffnung Frankreichs binnen zehn Tagen fordern werde.
Diese Forderung könnte wohl noch einmal kommen, aber nicht vor, sondern nach
einem Kriege, den wir erst aufnehmen werden, wenn es sein muß. Hoffentlich
können wir die „große Nation" mit ihrem Hexenkessel Paris noch recht lange
sich selber und ihrem Schicksal überlassen.




Die landwirtschaftliche Notlage.
(Schluß.)

in weiterer Übelstand, der die ungehinderte Entfaltung der Ar¬
beitskraft des Landwirtes sehr erschwert und der dringend eine
vorurteilsfreie Erwägung erheischt, ist die dein Grundbesitzer
auferlegte ländliche Polizciverwaltung. Wer weiß, welche stetig
angespannte Hingebung, welche Aufopferung der mühevolle Be¬
trieb der Landwirtschaft vom Dirigenten und allen seinen Beamten fordert,
der kann sich nicht darein finden, daß die ehrenamtliche Verwaltung einer allge¬
meinen Staatsangelegenheit noch so viele Freunde und Verteidiger, selbst in den
Kreisen der Großgrundbesitzer, findet. Zum allergrößten Teile haben diese sie
freilich bereits in die Hände ihrer Stellvertreter und Beamten übergehen lassen.
Aber dennoch bleibt die große Belastung für sie bestehen und wird dadurch nicht
vermindert.

Die Zeitverhältnisse verlangen genaue Zusammenraffung aller Kräfte; unser
Gewerbe verträgt am allerwenigsten eine Zersplitterung derselben. Die Anfor¬
derung, die eine ordnungsmäßige Führung der ländlichen Polizei bei dem wach¬
senden Verkehre und der Überbürdung mit schriftlichen Arbeiten an Zeit, Ar¬
beitskraft und Studium mit sich bringt, taugt nicht für den mit ausreichenden


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[0594] Zur landwirtschaftlichen Notlage. Blätter nicht mehr zerstören. Im Gegenteil, je mehr dort gehetzt wird, desto mehr wird Frankreich als der eigentliche Störenfried der europäischen Verhält¬ nisse dastehen, was ihm in der Massauafrage deutlich genug gesagt worden ist. Es war nur die Angst, daß ihm das Handwerk gründlich gelegt werden könnte, die ans dem französischen Geschwätz sprach, daß Herbert Bismarck nach Paris kommen und die Entwaffnung Frankreichs binnen zehn Tagen fordern werde. Diese Forderung könnte wohl noch einmal kommen, aber nicht vor, sondern nach einem Kriege, den wir erst aufnehmen werden, wenn es sein muß. Hoffentlich können wir die „große Nation" mit ihrem Hexenkessel Paris noch recht lange sich selber und ihrem Schicksal überlassen. Die landwirtschaftliche Notlage. (Schluß.) in weiterer Übelstand, der die ungehinderte Entfaltung der Ar¬ beitskraft des Landwirtes sehr erschwert und der dringend eine vorurteilsfreie Erwägung erheischt, ist die dein Grundbesitzer auferlegte ländliche Polizciverwaltung. Wer weiß, welche stetig angespannte Hingebung, welche Aufopferung der mühevolle Be¬ trieb der Landwirtschaft vom Dirigenten und allen seinen Beamten fordert, der kann sich nicht darein finden, daß die ehrenamtliche Verwaltung einer allge¬ meinen Staatsangelegenheit noch so viele Freunde und Verteidiger, selbst in den Kreisen der Großgrundbesitzer, findet. Zum allergrößten Teile haben diese sie freilich bereits in die Hände ihrer Stellvertreter und Beamten übergehen lassen. Aber dennoch bleibt die große Belastung für sie bestehen und wird dadurch nicht vermindert. Die Zeitverhältnisse verlangen genaue Zusammenraffung aller Kräfte; unser Gewerbe verträgt am allerwenigsten eine Zersplitterung derselben. Die Anfor¬ derung, die eine ordnungsmäßige Führung der ländlichen Polizei bei dem wach¬ senden Verkehre und der Überbürdung mit schriftlichen Arbeiten an Zeit, Ar¬ beitskraft und Studium mit sich bringt, taugt nicht für den mit ausreichenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/594>, abgerufen am 22.07.2024.