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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Kaiser Wilhelm II. und die Freisinnigen und Ultramontanen.

genug, denen diese Aussicht nicht erfreulich war. Freisinn und Panslawismus
versuchten alles mögliche, die Tragweite dieser Kaiserbegegnung abzuschwächen,
den Frieden als im Grunde aussichtslos hinzustellen. Aber auch hier, als der
junge Kaiser sein Freundeswort dem Zaren rief, sprach er aus der Seele seines
Volkes.

Und das ist derselbe Kaiser, von dem die "Historisch-Politischen Blätter"
in einem Aufsatze vom 24. Juni, aus dessen Sätzen überall der Fuchsschwanz
von Tücke und Heuchelei herausguckt, zu berichten wußten, daß "der stumme
Kaiser vor drei Monaten in seinen Manifesten eingehender und deutlicher ge¬
sprochen, als jetzt der redende," und als Ergebnis von der ganzen politischen
Veränderung das herausfand, daß "einfach der preußische Konstitutionalismus mit
der Eigenart eines inamoviblen Herrliches Wort!) Ministers wiederhergestellt" sei.
"Ein Kaiser und König herrscht, der Kanzler regiert; hier der Körper, dort der
Schatten. Hat sich der siegreiche Kaiser Wilhelm I. in weit vorgerückteren
Jahren aus freien Stücken und wohlgemut in das Verhältnis gefügt, warum
sollte sich der blutjunge Kaiser Wilhelm II. nicht auch in diesem Punkte nach
dem Vorbilde des Großvaters, nicht bloß aus politischer Berechnung, sondern
sogar aus Herzensbedürfnis, gerichtet haben? Die schweren Stunden, aber
auch klare Stellungen werden erst kommen und kommen müssen, wenn weitere
zwei greise Augen sich schließen." So der Jesuit in den gelben Blättern. Es
hilft euch alles nichts, ihr Herren mit dem Fuchsschwänze! Auch wenn die
zwei Augen sich schließen, werden sie noch fortleuchten, lange, lange, wie des
großen Friedrich Augen fortleuchteten bis zu König Wilhelm und bis zu Otto
von Bismarck. Solche Augen erlöschen nicht; auch machen sie die Stellungen klar
für Jahrhunderte, sodaß nicht erst klare Stellungen "kommen und kommen
müssen" bei ihrem Abscheiden, das die Herren so schmerzlich ersehnen, als
wären sie Patrioten Dvroulödes. Die Römlinge auf deutschem Boden sollen
sich wohl gerade so täuschen über die Stellungen, die "kommen müssen", wie
sie sich getäuscht haben in den Hoffnungen, die sich "überall im In- und Aus¬
lande regten," als Kaiser Wilhelm starb. "Wer immer -- so schrieb das Je¬
suitenblatt -- von der erdrückenden Stickluft unsrer Tage den Atem beschwert
fühlte, hat den Blick unverwandt auf Kaiser Friedrich gerichtet. Es waren
unbestimmte und unklare Hoffnungen; aber tröstliche Hoffnungen waren es,
und sie sind mit dem hohen Dulder dahingeschieden." Man sieht, was für
Genossen an diesen Römlingen die Freisinnigen hatten. Ganz wie die fort¬
schrittlichen Blätter, sahen auch diese ultramontanen in dem Kaiser Friedrich
den, "der trauernd über sich ergehen lassen mußte, was er nicht verhindern
konnte." Aber "nicht alles, was geschehen ist, ist unveränderlich und nicht
mehr gut zu machen." Ja ja, was soll doch alles gut gemacht werden, wenn
sich "weitere zwei greise Augen schließen!" Da soll wahrscheinlich angefangen
werden mit dem, worauf die Recht und Wahrheit liebenden gelben Blätter


Kaiser Wilhelm II. und die Freisinnigen und Ultramontanen.

genug, denen diese Aussicht nicht erfreulich war. Freisinn und Panslawismus
versuchten alles mögliche, die Tragweite dieser Kaiserbegegnung abzuschwächen,
den Frieden als im Grunde aussichtslos hinzustellen. Aber auch hier, als der
junge Kaiser sein Freundeswort dem Zaren rief, sprach er aus der Seele seines
Volkes.

Und das ist derselbe Kaiser, von dem die „Historisch-Politischen Blätter"
in einem Aufsatze vom 24. Juni, aus dessen Sätzen überall der Fuchsschwanz
von Tücke und Heuchelei herausguckt, zu berichten wußten, daß „der stumme
Kaiser vor drei Monaten in seinen Manifesten eingehender und deutlicher ge¬
sprochen, als jetzt der redende," und als Ergebnis von der ganzen politischen
Veränderung das herausfand, daß „einfach der preußische Konstitutionalismus mit
der Eigenart eines inamoviblen Herrliches Wort!) Ministers wiederhergestellt" sei.
„Ein Kaiser und König herrscht, der Kanzler regiert; hier der Körper, dort der
Schatten. Hat sich der siegreiche Kaiser Wilhelm I. in weit vorgerückteren
Jahren aus freien Stücken und wohlgemut in das Verhältnis gefügt, warum
sollte sich der blutjunge Kaiser Wilhelm II. nicht auch in diesem Punkte nach
dem Vorbilde des Großvaters, nicht bloß aus politischer Berechnung, sondern
sogar aus Herzensbedürfnis, gerichtet haben? Die schweren Stunden, aber
auch klare Stellungen werden erst kommen und kommen müssen, wenn weitere
zwei greise Augen sich schließen." So der Jesuit in den gelben Blättern. Es
hilft euch alles nichts, ihr Herren mit dem Fuchsschwänze! Auch wenn die
zwei Augen sich schließen, werden sie noch fortleuchten, lange, lange, wie des
großen Friedrich Augen fortleuchteten bis zu König Wilhelm und bis zu Otto
von Bismarck. Solche Augen erlöschen nicht; auch machen sie die Stellungen klar
für Jahrhunderte, sodaß nicht erst klare Stellungen „kommen und kommen
müssen" bei ihrem Abscheiden, das die Herren so schmerzlich ersehnen, als
wären sie Patrioten Dvroulödes. Die Römlinge auf deutschem Boden sollen
sich wohl gerade so täuschen über die Stellungen, die „kommen müssen", wie
sie sich getäuscht haben in den Hoffnungen, die sich „überall im In- und Aus¬
lande regten," als Kaiser Wilhelm starb. „Wer immer — so schrieb das Je¬
suitenblatt — von der erdrückenden Stickluft unsrer Tage den Atem beschwert
fühlte, hat den Blick unverwandt auf Kaiser Friedrich gerichtet. Es waren
unbestimmte und unklare Hoffnungen; aber tröstliche Hoffnungen waren es,
und sie sind mit dem hohen Dulder dahingeschieden." Man sieht, was für
Genossen an diesen Römlingen die Freisinnigen hatten. Ganz wie die fort¬
schrittlichen Blätter, sahen auch diese ultramontanen in dem Kaiser Friedrich
den, „der trauernd über sich ergehen lassen mußte, was er nicht verhindern
konnte." Aber „nicht alles, was geschehen ist, ist unveränderlich und nicht
mehr gut zu machen." Ja ja, was soll doch alles gut gemacht werden, wenn
sich „weitere zwei greise Augen schließen!" Da soll wahrscheinlich angefangen
werden mit dem, worauf die Recht und Wahrheit liebenden gelben Blätter


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[0591] Kaiser Wilhelm II. und die Freisinnigen und Ultramontanen. genug, denen diese Aussicht nicht erfreulich war. Freisinn und Panslawismus versuchten alles mögliche, die Tragweite dieser Kaiserbegegnung abzuschwächen, den Frieden als im Grunde aussichtslos hinzustellen. Aber auch hier, als der junge Kaiser sein Freundeswort dem Zaren rief, sprach er aus der Seele seines Volkes. Und das ist derselbe Kaiser, von dem die „Historisch-Politischen Blätter" in einem Aufsatze vom 24. Juni, aus dessen Sätzen überall der Fuchsschwanz von Tücke und Heuchelei herausguckt, zu berichten wußten, daß „der stumme Kaiser vor drei Monaten in seinen Manifesten eingehender und deutlicher ge¬ sprochen, als jetzt der redende," und als Ergebnis von der ganzen politischen Veränderung das herausfand, daß „einfach der preußische Konstitutionalismus mit der Eigenart eines inamoviblen Herrliches Wort!) Ministers wiederhergestellt" sei. „Ein Kaiser und König herrscht, der Kanzler regiert; hier der Körper, dort der Schatten. Hat sich der siegreiche Kaiser Wilhelm I. in weit vorgerückteren Jahren aus freien Stücken und wohlgemut in das Verhältnis gefügt, warum sollte sich der blutjunge Kaiser Wilhelm II. nicht auch in diesem Punkte nach dem Vorbilde des Großvaters, nicht bloß aus politischer Berechnung, sondern sogar aus Herzensbedürfnis, gerichtet haben? Die schweren Stunden, aber auch klare Stellungen werden erst kommen und kommen müssen, wenn weitere zwei greise Augen sich schließen." So der Jesuit in den gelben Blättern. Es hilft euch alles nichts, ihr Herren mit dem Fuchsschwänze! Auch wenn die zwei Augen sich schließen, werden sie noch fortleuchten, lange, lange, wie des großen Friedrich Augen fortleuchteten bis zu König Wilhelm und bis zu Otto von Bismarck. Solche Augen erlöschen nicht; auch machen sie die Stellungen klar für Jahrhunderte, sodaß nicht erst klare Stellungen „kommen und kommen müssen" bei ihrem Abscheiden, das die Herren so schmerzlich ersehnen, als wären sie Patrioten Dvroulödes. Die Römlinge auf deutschem Boden sollen sich wohl gerade so täuschen über die Stellungen, die „kommen müssen", wie sie sich getäuscht haben in den Hoffnungen, die sich „überall im In- und Aus¬ lande regten," als Kaiser Wilhelm starb. „Wer immer — so schrieb das Je¬ suitenblatt — von der erdrückenden Stickluft unsrer Tage den Atem beschwert fühlte, hat den Blick unverwandt auf Kaiser Friedrich gerichtet. Es waren unbestimmte und unklare Hoffnungen; aber tröstliche Hoffnungen waren es, und sie sind mit dem hohen Dulder dahingeschieden." Man sieht, was für Genossen an diesen Römlingen die Freisinnigen hatten. Ganz wie die fort¬ schrittlichen Blätter, sahen auch diese ultramontanen in dem Kaiser Friedrich den, „der trauernd über sich ergehen lassen mußte, was er nicht verhindern konnte." Aber „nicht alles, was geschehen ist, ist unveränderlich und nicht mehr gut zu machen." Ja ja, was soll doch alles gut gemacht werden, wenn sich „weitere zwei greise Augen schließen!" Da soll wahrscheinlich angefangen werden mit dem, worauf die Recht und Wahrheit liebenden gelben Blätter

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/591>, abgerufen am 22.07.2024.