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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Schulvereine.

Die weit gedehnte Südgrenze des deutschen Sprachgebietes ist nicht minder
scharf bewacht und eifrig befehdet. Ganze Kronländer, wie das naturschöne
Kram, sind in den letzten Jahren fast über Nacht dem Deutschtume entrissen
worden, und Natiönchcn, wie die Slovenen oder Winden, von deren Litteratur
ein österreichischer Abgeordneter mit Recht sagt, daß sie in der Westentasche zu
tragen sei, haben mit zwei uralten Kulturvölkern einen erfolgreichen Kampf auf
allen Linien eröffnet, und diese letztern selbst, die Deutschen und Italiener,
machen einander jeden Quadratfuß Erde streitig. Welch ein erbittertes Auf-
einanderplatzen der Gegensätze in jenem Völkerwinkel der Adria! Kampf ist
Leben. Ja freilich, aber welches Leben bringt er hier zu stände I Das Denkmal
eines der edelsten deutschen Dichter muß in Laibach von der Polizei bewacht
werden, damit es nicht gemeine Gassenjungen besudeln, und in Trieft jubelte
man offen dem Andenken des Meuchelmörders Oberdank!

Der slovenische Schulverein hat sich einen Namen gewählt, der allein schon
ein mächtiges Agitationsmittel ist. Indem der südslawische "Cyrill- und Method¬
verein" in den schützenden Falten des Talars jener hochberühmten Slawen¬
apostel einherwandelt, hat er mit schlauer Berechnung der Bigotterie seiner meist
bäuerischen Volksgenossen einen Verbündeten gewonnen, der auch bei den Nord¬
slawen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Während der deutsche Priester
mit wenigen Ausnahmen seinem eignen Volke als Römling fremd gegenüber¬
steht, ist sein slawischer Amtsbruder der zuverlässigste und durch seinen Einfluß
auch wichtigste Vorkämpfer des Nationalismus, und so manche Errungenschaft
des Gegners wäre ohne ihn gar nicht möglich gewesen.

Von ebenso sichern Erfolgen ist auch die Arbeit des italienischen Rivalen
gekrönt. Schon die stolze Aufschrift desselben: ?ro Mria läßt durchblicken,
für welche Zukunft er vorbereitet, und da die Italiener eine offen ausge¬
sprochene Jrredcnta mit unzweideutigen Programm besitzen, so darf es uns nicht
Wunder nehmen, wenn bei allen politischen Verhaftungen, die in jenem Grenz¬
gebiete mit der heißen Sonne und den noch heißern Köpfen so häufig vor¬
genommen werden, die Personalien des Verhafteten auch seine Mitgliedschaft
bei diesem Bunde erweisen. Daten zu geben ist dem Verfasser dieser Zeilen
nicht möglich geworden; es scheint fast, als hütete sich der über ganz Jstrien,
Dalmatien und Südtirol ausgebreitete Verein, von seinem Gebühren öffentlich
statistische Rechenschaft zu geben. Leider ist seine deutschfeindliche Thätigkeit
auch ohne diese an dem steten Zurückweichen der deutschen Stellungen deutlich
zu erkennen.

Das Schweizergcbiet, das bekanntlich von Deutschen, Italienern und Fran¬
zosen bewohnt ist, vermag unser Interesse nicht in demselben Grade zu fesseln
wie die deutsche Grenzlinie in Osterreich. Einerseits liegt es in der Natur
eines von hohen Bergen und tiefen Thälern erfüllten Landes, daß seine Be¬
wohner an den alten Sitten, der altererbter Sprache mit Zähigkeit festhalten,


Die Schulvereine.

Die weit gedehnte Südgrenze des deutschen Sprachgebietes ist nicht minder
scharf bewacht und eifrig befehdet. Ganze Kronländer, wie das naturschöne
Kram, sind in den letzten Jahren fast über Nacht dem Deutschtume entrissen
worden, und Natiönchcn, wie die Slovenen oder Winden, von deren Litteratur
ein österreichischer Abgeordneter mit Recht sagt, daß sie in der Westentasche zu
tragen sei, haben mit zwei uralten Kulturvölkern einen erfolgreichen Kampf auf
allen Linien eröffnet, und diese letztern selbst, die Deutschen und Italiener,
machen einander jeden Quadratfuß Erde streitig. Welch ein erbittertes Auf-
einanderplatzen der Gegensätze in jenem Völkerwinkel der Adria! Kampf ist
Leben. Ja freilich, aber welches Leben bringt er hier zu stände I Das Denkmal
eines der edelsten deutschen Dichter muß in Laibach von der Polizei bewacht
werden, damit es nicht gemeine Gassenjungen besudeln, und in Trieft jubelte
man offen dem Andenken des Meuchelmörders Oberdank!

Der slovenische Schulverein hat sich einen Namen gewählt, der allein schon
ein mächtiges Agitationsmittel ist. Indem der südslawische „Cyrill- und Method¬
verein" in den schützenden Falten des Talars jener hochberühmten Slawen¬
apostel einherwandelt, hat er mit schlauer Berechnung der Bigotterie seiner meist
bäuerischen Volksgenossen einen Verbündeten gewonnen, der auch bei den Nord¬
slawen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Während der deutsche Priester
mit wenigen Ausnahmen seinem eignen Volke als Römling fremd gegenüber¬
steht, ist sein slawischer Amtsbruder der zuverlässigste und durch seinen Einfluß
auch wichtigste Vorkämpfer des Nationalismus, und so manche Errungenschaft
des Gegners wäre ohne ihn gar nicht möglich gewesen.

Von ebenso sichern Erfolgen ist auch die Arbeit des italienischen Rivalen
gekrönt. Schon die stolze Aufschrift desselben: ?ro Mria läßt durchblicken,
für welche Zukunft er vorbereitet, und da die Italiener eine offen ausge¬
sprochene Jrredcnta mit unzweideutigen Programm besitzen, so darf es uns nicht
Wunder nehmen, wenn bei allen politischen Verhaftungen, die in jenem Grenz¬
gebiete mit der heißen Sonne und den noch heißern Köpfen so häufig vor¬
genommen werden, die Personalien des Verhafteten auch seine Mitgliedschaft
bei diesem Bunde erweisen. Daten zu geben ist dem Verfasser dieser Zeilen
nicht möglich geworden; es scheint fast, als hütete sich der über ganz Jstrien,
Dalmatien und Südtirol ausgebreitete Verein, von seinem Gebühren öffentlich
statistische Rechenschaft zu geben. Leider ist seine deutschfeindliche Thätigkeit
auch ohne diese an dem steten Zurückweichen der deutschen Stellungen deutlich
zu erkennen.

Das Schweizergcbiet, das bekanntlich von Deutschen, Italienern und Fran¬
zosen bewohnt ist, vermag unser Interesse nicht in demselben Grade zu fesseln
wie die deutsche Grenzlinie in Osterreich. Einerseits liegt es in der Natur
eines von hohen Bergen und tiefen Thälern erfüllten Landes, daß seine Be¬
wohner an den alten Sitten, der altererbter Sprache mit Zähigkeit festhalten,


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[0556] Die Schulvereine. Die weit gedehnte Südgrenze des deutschen Sprachgebietes ist nicht minder scharf bewacht und eifrig befehdet. Ganze Kronländer, wie das naturschöne Kram, sind in den letzten Jahren fast über Nacht dem Deutschtume entrissen worden, und Natiönchcn, wie die Slovenen oder Winden, von deren Litteratur ein österreichischer Abgeordneter mit Recht sagt, daß sie in der Westentasche zu tragen sei, haben mit zwei uralten Kulturvölkern einen erfolgreichen Kampf auf allen Linien eröffnet, und diese letztern selbst, die Deutschen und Italiener, machen einander jeden Quadratfuß Erde streitig. Welch ein erbittertes Auf- einanderplatzen der Gegensätze in jenem Völkerwinkel der Adria! Kampf ist Leben. Ja freilich, aber welches Leben bringt er hier zu stände I Das Denkmal eines der edelsten deutschen Dichter muß in Laibach von der Polizei bewacht werden, damit es nicht gemeine Gassenjungen besudeln, und in Trieft jubelte man offen dem Andenken des Meuchelmörders Oberdank! Der slovenische Schulverein hat sich einen Namen gewählt, der allein schon ein mächtiges Agitationsmittel ist. Indem der südslawische „Cyrill- und Method¬ verein" in den schützenden Falten des Talars jener hochberühmten Slawen¬ apostel einherwandelt, hat er mit schlauer Berechnung der Bigotterie seiner meist bäuerischen Volksgenossen einen Verbündeten gewonnen, der auch bei den Nord¬ slawen eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Während der deutsche Priester mit wenigen Ausnahmen seinem eignen Volke als Römling fremd gegenüber¬ steht, ist sein slawischer Amtsbruder der zuverlässigste und durch seinen Einfluß auch wichtigste Vorkämpfer des Nationalismus, und so manche Errungenschaft des Gegners wäre ohne ihn gar nicht möglich gewesen. Von ebenso sichern Erfolgen ist auch die Arbeit des italienischen Rivalen gekrönt. Schon die stolze Aufschrift desselben: ?ro Mria läßt durchblicken, für welche Zukunft er vorbereitet, und da die Italiener eine offen ausge¬ sprochene Jrredcnta mit unzweideutigen Programm besitzen, so darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn bei allen politischen Verhaftungen, die in jenem Grenz¬ gebiete mit der heißen Sonne und den noch heißern Köpfen so häufig vor¬ genommen werden, die Personalien des Verhafteten auch seine Mitgliedschaft bei diesem Bunde erweisen. Daten zu geben ist dem Verfasser dieser Zeilen nicht möglich geworden; es scheint fast, als hütete sich der über ganz Jstrien, Dalmatien und Südtirol ausgebreitete Verein, von seinem Gebühren öffentlich statistische Rechenschaft zu geben. Leider ist seine deutschfeindliche Thätigkeit auch ohne diese an dem steten Zurückweichen der deutschen Stellungen deutlich zu erkennen. Das Schweizergcbiet, das bekanntlich von Deutschen, Italienern und Fran¬ zosen bewohnt ist, vermag unser Interesse nicht in demselben Grade zu fesseln wie die deutsche Grenzlinie in Osterreich. Einerseits liegt es in der Natur eines von hohen Bergen und tiefen Thälern erfüllten Landes, daß seine Be¬ wohner an den alten Sitten, der altererbter Sprache mit Zähigkeit festhalten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/556>, abgerufen am 24.08.2024.