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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur landwirtschaftlichen Notlage.

ist diese Scheidung ein dringendes Erfordernis, um zur Erkenntnis zu kommen.
Was der Grundbesitzer an Not und Schaden trägt, so weit dergleichen nicht
aus der allgemeinen Lage des Gewerbes stammt, muß er als eigne Verschuldung
auf sich nehmen. Es ist seine Sache, die außerhalb des Faches liegenden
Übel zu heben, oder wenn dies nicht möglich ist, von einer weiteren Führung
desselben zurückzutreten. Die Landwirtschaft ist Industrie wie jede andre ge¬
werbliche Thätigkeit. Wie allgemein in den Gewerben die Person und die
Ausstattung des Industriellen alles zusammenfaßt, was das Gedeihen der Unter¬
nehmung nach Zeit und Verhältnissen zu begründen vermag, so ist auch der
Landwirt nach seiner Person, seiner Tüchtigkeit, Thätigkeit und Intelligenz,
nach seinem Kapital seines Glückes Schmid. Der Industrielle wie der Land¬
wirt sind Künstler, die sich ihr Instrument unter den eignen Händen gestalten,
und die bei hervorragender Begabung und Ausbildung anch eine mangelhafte
Konstruktion desselben zu überwinden vermögen. Beim einsichtigen Fachmann
erregt es Erstaunen, wenn die Produktionskosten und Erträgnisse der Land¬
wirtschaft allgemein festgestellt und zur Begründung von seiner und seines
Gewerbes Notlage klar dargelegt werden sollen. Sie sind so verschieden, wie
es Güter und Landwirte sind; wenigstens so verschieden als andersartiger
Boden, andre Gegenden und so viele darauf Einfluß habende Verhältnisse es
mit sich bringen. Man nehme vergleichsweise einen Kurszettel zur Hand; man
wird daraus ersehen können, daß sich unter den Brauereien einzelne Aktien¬
gesellschaften befinden, die ein Jahreserträgnis von 4 Prozent, andre bis
hinauf zu 43 Prozent zur Auszahlung bringen, daß ihre Aktien einen Kurs¬
wert von 85 bis über 700 Prozent haben. Das Gleiche gilt von der Land¬
wirtschaft. Wie bei den Brauereien Wasser, Malz und Hopfen, auch die Fabrik¬
anlage überall einen ziemlich gleichen Wert haben und sich nur in den Diri¬
genten unterscheiden, so auch die Landgüter mit ihren verschiedenwertigcn
Wirtschaftern, Pächtern und Besitzern. Es kommt vielfach, ja meist nicht auf
die Unterlage des Gewerbes, sondern auf das Leistungsvermögen des einzelnen
Dirigenten an.

Will man sich eine Kenntnis von den Erträgnissen der Landwirtschaft,
ihrem Stande, ihrem Auf- und Niedergange verschaffen, so gewährt eine solche
der Pachtertrag der Güter. Leider ergiebt sich aber diese Erkenntnis aus dem
Ertrage von Privatpachtungen sehr schwer, und zwar wegen der Verschiedenheit
der ihnen zu Grunde liegenden Kontrakte. Nur aus dem Pachtertrage unsrer
preußischen Staatsdomänen kann sie mit möglichst zuverlässiger Sicherheit ge¬
schöpft werden. Diese haben gleichlautende Bestimmungen, wo der in Rücksicht
zu nehmende Teil aller Gutslasten schon auf den Pächter abgewälzt ist. Es
geht das so weit, daß selbst die Wiederherstellung abgebrannter Gebäude nach
ihrem Neubauwerte auf alleinige Kosten der Pächter, also ohne Beihilfe der
Verwaltung, in Aussicht genommen ist. Die allgemeine Domänen-Feuerschaden-


Zur landwirtschaftlichen Notlage.

ist diese Scheidung ein dringendes Erfordernis, um zur Erkenntnis zu kommen.
Was der Grundbesitzer an Not und Schaden trägt, so weit dergleichen nicht
aus der allgemeinen Lage des Gewerbes stammt, muß er als eigne Verschuldung
auf sich nehmen. Es ist seine Sache, die außerhalb des Faches liegenden
Übel zu heben, oder wenn dies nicht möglich ist, von einer weiteren Führung
desselben zurückzutreten. Die Landwirtschaft ist Industrie wie jede andre ge¬
werbliche Thätigkeit. Wie allgemein in den Gewerben die Person und die
Ausstattung des Industriellen alles zusammenfaßt, was das Gedeihen der Unter¬
nehmung nach Zeit und Verhältnissen zu begründen vermag, so ist auch der
Landwirt nach seiner Person, seiner Tüchtigkeit, Thätigkeit und Intelligenz,
nach seinem Kapital seines Glückes Schmid. Der Industrielle wie der Land¬
wirt sind Künstler, die sich ihr Instrument unter den eignen Händen gestalten,
und die bei hervorragender Begabung und Ausbildung anch eine mangelhafte
Konstruktion desselben zu überwinden vermögen. Beim einsichtigen Fachmann
erregt es Erstaunen, wenn die Produktionskosten und Erträgnisse der Land¬
wirtschaft allgemein festgestellt und zur Begründung von seiner und seines
Gewerbes Notlage klar dargelegt werden sollen. Sie sind so verschieden, wie
es Güter und Landwirte sind; wenigstens so verschieden als andersartiger
Boden, andre Gegenden und so viele darauf Einfluß habende Verhältnisse es
mit sich bringen. Man nehme vergleichsweise einen Kurszettel zur Hand; man
wird daraus ersehen können, daß sich unter den Brauereien einzelne Aktien¬
gesellschaften befinden, die ein Jahreserträgnis von 4 Prozent, andre bis
hinauf zu 43 Prozent zur Auszahlung bringen, daß ihre Aktien einen Kurs¬
wert von 85 bis über 700 Prozent haben. Das Gleiche gilt von der Land¬
wirtschaft. Wie bei den Brauereien Wasser, Malz und Hopfen, auch die Fabrik¬
anlage überall einen ziemlich gleichen Wert haben und sich nur in den Diri¬
genten unterscheiden, so auch die Landgüter mit ihren verschiedenwertigcn
Wirtschaftern, Pächtern und Besitzern. Es kommt vielfach, ja meist nicht auf
die Unterlage des Gewerbes, sondern auf das Leistungsvermögen des einzelnen
Dirigenten an.

Will man sich eine Kenntnis von den Erträgnissen der Landwirtschaft,
ihrem Stande, ihrem Auf- und Niedergange verschaffen, so gewährt eine solche
der Pachtertrag der Güter. Leider ergiebt sich aber diese Erkenntnis aus dem
Ertrage von Privatpachtungen sehr schwer, und zwar wegen der Verschiedenheit
der ihnen zu Grunde liegenden Kontrakte. Nur aus dem Pachtertrage unsrer
preußischen Staatsdomänen kann sie mit möglichst zuverlässiger Sicherheit ge¬
schöpft werden. Diese haben gleichlautende Bestimmungen, wo der in Rücksicht
zu nehmende Teil aller Gutslasten schon auf den Pächter abgewälzt ist. Es
geht das so weit, daß selbst die Wiederherstellung abgebrannter Gebäude nach
ihrem Neubauwerte auf alleinige Kosten der Pächter, also ohne Beihilfe der
Verwaltung, in Aussicht genommen ist. Die allgemeine Domänen-Feuerschaden-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/546>, abgerufen am 24.08.2024.