Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die landwirtschaftliche Notlage.

Werkzeug waren, um so große welthistorische Ereignisse herbeizuführen." Da
es noch früh war und genug Zeit bis zum Anfange der Vorträge übrig blieb,
so ging ich in das Nebenzimmer, um sofort das Diktat ins Reine zu schreiben
und es dann gleich zur Genehmigung vorzulegen. Während ich damit beschäf¬
tigt war, kamen mir Bedenken gegen die Fassung. "Die Vorsehung hat es ge¬
wollt, daß wir das Werkzeug warm." Es schien mir nicht gerechtfertigt, daß
der Mensch, und sei es auch der mächtigste, sich mit solcher Bestimmtheit für
eingeweiht in den Willen der Vorsehung und für ihr Werkzeug erklärt. Ich
erlaubte mir daher die Änderung: "Die Vorsehung hat es gestattet, daß wir
ihr Werkzeug sein durften," und ging ganz stolz auf meine Verbesserung in das
Arbeitszimmer zurück, um mir die Genehmigung zu erbitten. Als ich an die
fragliche Stelle kam, unterbrach mich der Kaiser mit den Worten: "Das habe
ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Die Vorsehung hat es gewollt." -- "Ich
hatte es auch so mit Bleistift niedergeschrieben -- antwortete ich --, aber bei
der Fassung kamen mir Bedenken, ob auch jeder der Leser den Gedankengang
Eurer Majestät sofort richtig erkennen werde. Was die Vorsehung gewollt hat,
kann der Mensch nicht wissen." -- "Glauben Sie denn -- erhielt ich da zur
Antwort --, daß ich die schwere Last dieses Krieges Hütte tragen können, oder
daß solche Erfolge möglich gewesen wären, wenn ich nicht fest überzeugt wäre,
daß die Vorsehung gewollt und uns zu ihrem Werkzeuge ausgewählt hat?
Schreibe" Sie genau, wie ich es Ihnen diktirt habe." -- "Zum erstenmale
stimmt meine Auffassung nicht mit der Ausdrucksweise Eurer Majestät überein",
wagte ich zu bemerken. "Ich bitte daher, Eure Majestät wollen die Gnade
haben, das Wort gestattet in gewollt abzuändern und dann das ganze Schrift¬
stück zu unterzeichnen." -- "Was das für ein Eigensinn ist! Geben Sie her.
So -- jetzt werden Ihre Bedenken wohl gehoben sein."" So entstand ein
Dokument, welches höchst interessant ist, insofern es zeigt, daß Kaiser Wilhelm
daran nichts ändern ließ, "weil er eben damit den innersten Gedanken seines
Herzens aussprechen wollte: Nicht uns, nicht uns! Ihm allein die Ehre!"




Die landwirtschaftliche Notlage.

n einer ernsten Zeit, wie es die unsrige ist, dürfte es auch wohl
dem, der nicht gewohnt ist, mit der Feder im Dienste der Öffent¬
lichkeit zu arbeiten, gestattet sein, sein Scherflein beizutragen,
wenn es darauf ankommt, eine Notlage und deren mögliche Abhilfe
zu erörtern. Ich stehe an der Grenze des Lebens, wo man für
seine Person nicht mehr vorwärts, sondern rückwärts sieht, wo man mit


Die landwirtschaftliche Notlage.

Werkzeug waren, um so große welthistorische Ereignisse herbeizuführen.« Da
es noch früh war und genug Zeit bis zum Anfange der Vorträge übrig blieb,
so ging ich in das Nebenzimmer, um sofort das Diktat ins Reine zu schreiben
und es dann gleich zur Genehmigung vorzulegen. Während ich damit beschäf¬
tigt war, kamen mir Bedenken gegen die Fassung. »Die Vorsehung hat es ge¬
wollt, daß wir das Werkzeug warm.« Es schien mir nicht gerechtfertigt, daß
der Mensch, und sei es auch der mächtigste, sich mit solcher Bestimmtheit für
eingeweiht in den Willen der Vorsehung und für ihr Werkzeug erklärt. Ich
erlaubte mir daher die Änderung: »Die Vorsehung hat es gestattet, daß wir
ihr Werkzeug sein durften,« und ging ganz stolz auf meine Verbesserung in das
Arbeitszimmer zurück, um mir die Genehmigung zu erbitten. Als ich an die
fragliche Stelle kam, unterbrach mich der Kaiser mit den Worten: »Das habe
ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Die Vorsehung hat es gewollt.« — »Ich
hatte es auch so mit Bleistift niedergeschrieben — antwortete ich —, aber bei
der Fassung kamen mir Bedenken, ob auch jeder der Leser den Gedankengang
Eurer Majestät sofort richtig erkennen werde. Was die Vorsehung gewollt hat,
kann der Mensch nicht wissen.« — »Glauben Sie denn — erhielt ich da zur
Antwort —, daß ich die schwere Last dieses Krieges Hütte tragen können, oder
daß solche Erfolge möglich gewesen wären, wenn ich nicht fest überzeugt wäre,
daß die Vorsehung gewollt und uns zu ihrem Werkzeuge ausgewählt hat?
Schreibe» Sie genau, wie ich es Ihnen diktirt habe.« — »Zum erstenmale
stimmt meine Auffassung nicht mit der Ausdrucksweise Eurer Majestät überein«,
wagte ich zu bemerken. »Ich bitte daher, Eure Majestät wollen die Gnade
haben, das Wort gestattet in gewollt abzuändern und dann das ganze Schrift¬
stück zu unterzeichnen.« — »Was das für ein Eigensinn ist! Geben Sie her.
So — jetzt werden Ihre Bedenken wohl gehoben sein.«" So entstand ein
Dokument, welches höchst interessant ist, insofern es zeigt, daß Kaiser Wilhelm
daran nichts ändern ließ, „weil er eben damit den innersten Gedanken seines
Herzens aussprechen wollte: Nicht uns, nicht uns! Ihm allein die Ehre!"




Die landwirtschaftliche Notlage.

n einer ernsten Zeit, wie es die unsrige ist, dürfte es auch wohl
dem, der nicht gewohnt ist, mit der Feder im Dienste der Öffent¬
lichkeit zu arbeiten, gestattet sein, sein Scherflein beizutragen,
wenn es darauf ankommt, eine Notlage und deren mögliche Abhilfe
zu erörtern. Ich stehe an der Grenze des Lebens, wo man für
seine Person nicht mehr vorwärts, sondern rückwärts sieht, wo man mit


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0544" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289667"/>
          <fw type="header" place="top"> Die landwirtschaftliche Notlage.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1830" prev="#ID_1829"> Werkzeug waren, um so große welthistorische Ereignisse herbeizuführen.« Da<lb/>
es noch früh war und genug Zeit bis zum Anfange der Vorträge übrig blieb,<lb/>
so ging ich in das Nebenzimmer, um sofort das Diktat ins Reine zu schreiben<lb/>
und es dann gleich zur Genehmigung vorzulegen. Während ich damit beschäf¬<lb/>
tigt war, kamen mir Bedenken gegen die Fassung. »Die Vorsehung hat es ge¬<lb/>
wollt, daß wir das Werkzeug warm.« Es schien mir nicht gerechtfertigt, daß<lb/>
der Mensch, und sei es auch der mächtigste, sich mit solcher Bestimmtheit für<lb/>
eingeweiht in den Willen der Vorsehung und für ihr Werkzeug erklärt. Ich<lb/>
erlaubte mir daher die Änderung: »Die Vorsehung hat es gestattet, daß wir<lb/>
ihr Werkzeug sein durften,« und ging ganz stolz auf meine Verbesserung in das<lb/>
Arbeitszimmer zurück, um mir die Genehmigung zu erbitten. Als ich an die<lb/>
fragliche Stelle kam, unterbrach mich der Kaiser mit den Worten: »Das habe<lb/>
ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Die Vorsehung hat es gewollt.« &#x2014; »Ich<lb/>
hatte es auch so mit Bleistift niedergeschrieben &#x2014; antwortete ich &#x2014;, aber bei<lb/>
der Fassung kamen mir Bedenken, ob auch jeder der Leser den Gedankengang<lb/>
Eurer Majestät sofort richtig erkennen werde. Was die Vorsehung gewollt hat,<lb/>
kann der Mensch nicht wissen.« &#x2014; »Glauben Sie denn &#x2014; erhielt ich da zur<lb/>
Antwort &#x2014;, daß ich die schwere Last dieses Krieges Hütte tragen können, oder<lb/>
daß solche Erfolge möglich gewesen wären, wenn ich nicht fest überzeugt wäre,<lb/>
daß die Vorsehung gewollt und uns zu ihrem Werkzeuge ausgewählt hat?<lb/>
Schreibe» Sie genau, wie ich es Ihnen diktirt habe.« &#x2014; »Zum erstenmale<lb/>
stimmt meine Auffassung nicht mit der Ausdrucksweise Eurer Majestät überein«,<lb/>
wagte ich zu bemerken. »Ich bitte daher, Eure Majestät wollen die Gnade<lb/>
haben, das Wort gestattet in gewollt abzuändern und dann das ganze Schrift¬<lb/>
stück zu unterzeichnen.« &#x2014; »Was das für ein Eigensinn ist! Geben Sie her.<lb/>
So &#x2014; jetzt werden Ihre Bedenken wohl gehoben sein.«" So entstand ein<lb/>
Dokument, welches höchst interessant ist, insofern es zeigt, daß Kaiser Wilhelm<lb/>
daran nichts ändern ließ, &#x201E;weil er eben damit den innersten Gedanken seines<lb/>
Herzens aussprechen wollte: Nicht uns, nicht uns! Ihm allein die Ehre!"</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Die landwirtschaftliche Notlage.</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1831" next="#ID_1832"> n einer ernsten Zeit, wie es die unsrige ist, dürfte es auch wohl<lb/>
dem, der nicht gewohnt ist, mit der Feder im Dienste der Öffent¬<lb/>
lichkeit zu arbeiten, gestattet sein, sein Scherflein beizutragen,<lb/>
wenn es darauf ankommt, eine Notlage und deren mögliche Abhilfe<lb/>
zu erörtern. Ich stehe an der Grenze des Lebens, wo man für<lb/>
seine Person nicht mehr vorwärts, sondern rückwärts sieht, wo man mit</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0544] Die landwirtschaftliche Notlage. Werkzeug waren, um so große welthistorische Ereignisse herbeizuführen.« Da es noch früh war und genug Zeit bis zum Anfange der Vorträge übrig blieb, so ging ich in das Nebenzimmer, um sofort das Diktat ins Reine zu schreiben und es dann gleich zur Genehmigung vorzulegen. Während ich damit beschäf¬ tigt war, kamen mir Bedenken gegen die Fassung. »Die Vorsehung hat es ge¬ wollt, daß wir das Werkzeug warm.« Es schien mir nicht gerechtfertigt, daß der Mensch, und sei es auch der mächtigste, sich mit solcher Bestimmtheit für eingeweiht in den Willen der Vorsehung und für ihr Werkzeug erklärt. Ich erlaubte mir daher die Änderung: »Die Vorsehung hat es gestattet, daß wir ihr Werkzeug sein durften,« und ging ganz stolz auf meine Verbesserung in das Arbeitszimmer zurück, um mir die Genehmigung zu erbitten. Als ich an die fragliche Stelle kam, unterbrach mich der Kaiser mit den Worten: »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Die Vorsehung hat es gewollt.« — »Ich hatte es auch so mit Bleistift niedergeschrieben — antwortete ich —, aber bei der Fassung kamen mir Bedenken, ob auch jeder der Leser den Gedankengang Eurer Majestät sofort richtig erkennen werde. Was die Vorsehung gewollt hat, kann der Mensch nicht wissen.« — »Glauben Sie denn — erhielt ich da zur Antwort —, daß ich die schwere Last dieses Krieges Hütte tragen können, oder daß solche Erfolge möglich gewesen wären, wenn ich nicht fest überzeugt wäre, daß die Vorsehung gewollt und uns zu ihrem Werkzeuge ausgewählt hat? Schreibe» Sie genau, wie ich es Ihnen diktirt habe.« — »Zum erstenmale stimmt meine Auffassung nicht mit der Ausdrucksweise Eurer Majestät überein«, wagte ich zu bemerken. »Ich bitte daher, Eure Majestät wollen die Gnade haben, das Wort gestattet in gewollt abzuändern und dann das ganze Schrift¬ stück zu unterzeichnen.« — »Was das für ein Eigensinn ist! Geben Sie her. So — jetzt werden Ihre Bedenken wohl gehoben sein.«" So entstand ein Dokument, welches höchst interessant ist, insofern es zeigt, daß Kaiser Wilhelm daran nichts ändern ließ, „weil er eben damit den innersten Gedanken seines Herzens aussprechen wollte: Nicht uns, nicht uns! Ihm allein die Ehre!" Die landwirtschaftliche Notlage. n einer ernsten Zeit, wie es die unsrige ist, dürfte es auch wohl dem, der nicht gewohnt ist, mit der Feder im Dienste der Öffent¬ lichkeit zu arbeiten, gestattet sein, sein Scherflein beizutragen, wenn es darauf ankommt, eine Notlage und deren mögliche Abhilfe zu erörtern. Ich stehe an der Grenze des Lebens, wo man für seine Person nicht mehr vorwärts, sondern rückwärts sieht, wo man mit

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/544
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/544>, abgerufen am 22.07.2024.