gewiesen zu werden. Kein Heim auf Erden, keinen Gott im Himmel, kein Ziel draußen in der Zukunft! Ein Heim wollte er doch wenigstens haben; er konnte durch Liebe zu seinem Eigentums sich ihn schaffen, diesen Fleck Erde, im großen wie im kleinen, jeden Stein, jeden Baum, das Leblose wie das Lebende, sein Herz zwischen dem allem teilen, sodaß es ihn nie wieder losließe.
Dreizehntes Aapitel.
Ungefähr ein Jahr lang hatte Ricks Lyhnc auf Lönborggaard gewohnt und sein Gut, nach besten Kräften und soweit sein Verwalter ihm freie Hand ließ, verwaltet. Er hatte sein Schild herabgenommen, die Devise ausgelöscht und verzichtet. Die Menschheit mußte sich ohne ihn behelfen; er hatte das Glück kennen gelernt, das die rein körperliche Arbeit gewährt, das Glück, ein Vor¬ haben unter den Händen wachsen zu sehen, wirklich fertig zu werden, sodaß man fertig ist, und, wenn man ermüdet von bannen geht, zu wissen, daß die Kräfte, die man zugesetzt hat, in einer Arbeit hinter einem liegen, daß die Arbeit Bestand haben wird, daß kein Zweifel der Nacht sie verzehren, keine Kritik einer nüchternen Morgenstunde sie vernichten kann. Bei der Landwirtschaft gab es keinen Sisyphusstein zu wälzen.
Und dann das Gefühl, den Körper müde gearbeitet zu haben, der Genuß, sich zur Ruhe zu legen und im Schlafe neue Kräfte zu sammeln, um sie wieder bei der Arbeit zuzusetzen, regelmäßig wie Tag und Nacht auf einander folgen, ohne daß die Launen des Gehirns störend dazwischen treten können, ohne mit sich selber so vorsichtig umgehen zu müssen wie mit einer gestimmten Guitarre, deren Schrauben abgenutzt sind.
Er war still glücklich, und oft konnte man ihn auf einem Zaune oder einem Grenzsteine sitzen sehen, wie sein Vater einst gesessen hatte, und über den goldnen Weizen oder den schweren Hafer hinstarrcn.
Noch hatte er keinen weitern Verkehr mit den Familien in der Umgegend angeknüpft; das einzige Haus, wo er häufiger verkehrte, war das des Kanzlci- rats Skinnerup in Varde. Der Kanzleirat war schon zu Lebzeiten von Ricks Lyhncs Vater in die Stadt gekommen, und da er ein alter Universitätsfreund desselben war, hatten beide Familien viel mit einander verkehrt. Skinnerup, ein sanfter, kahlköpfiger Mann mit scharfen Zügen und sanften Augen, war jetzt Witwer und hatte das Haus mehr als voll von vier Töchtern, von denen die älteste siebzehn, die jüngste zwölf Jahre alt war.
Ricks unterhielt sich gern mit dem sehr belesenen Kanzleirat über allerhand ästhetische Gegenstände, denn hatte er auch angefangen, seine Hände zu ge¬ brauchen, so war er doch deshalb nicht plötzlich zum Bauer geworden.
Er konnte auch die etwas komische Vorsicht wohl leiden, mit der er sich notgedrungen ausdrücken mußte, sobald die Rede ans einen Vergleich zwischen
Ricks Lyhne.
gewiesen zu werden. Kein Heim auf Erden, keinen Gott im Himmel, kein Ziel draußen in der Zukunft! Ein Heim wollte er doch wenigstens haben; er konnte durch Liebe zu seinem Eigentums sich ihn schaffen, diesen Fleck Erde, im großen wie im kleinen, jeden Stein, jeden Baum, das Leblose wie das Lebende, sein Herz zwischen dem allem teilen, sodaß es ihn nie wieder losließe.
Dreizehntes Aapitel.
Ungefähr ein Jahr lang hatte Ricks Lyhnc auf Lönborggaard gewohnt und sein Gut, nach besten Kräften und soweit sein Verwalter ihm freie Hand ließ, verwaltet. Er hatte sein Schild herabgenommen, die Devise ausgelöscht und verzichtet. Die Menschheit mußte sich ohne ihn behelfen; er hatte das Glück kennen gelernt, das die rein körperliche Arbeit gewährt, das Glück, ein Vor¬ haben unter den Händen wachsen zu sehen, wirklich fertig zu werden, sodaß man fertig ist, und, wenn man ermüdet von bannen geht, zu wissen, daß die Kräfte, die man zugesetzt hat, in einer Arbeit hinter einem liegen, daß die Arbeit Bestand haben wird, daß kein Zweifel der Nacht sie verzehren, keine Kritik einer nüchternen Morgenstunde sie vernichten kann. Bei der Landwirtschaft gab es keinen Sisyphusstein zu wälzen.
Und dann das Gefühl, den Körper müde gearbeitet zu haben, der Genuß, sich zur Ruhe zu legen und im Schlafe neue Kräfte zu sammeln, um sie wieder bei der Arbeit zuzusetzen, regelmäßig wie Tag und Nacht auf einander folgen, ohne daß die Launen des Gehirns störend dazwischen treten können, ohne mit sich selber so vorsichtig umgehen zu müssen wie mit einer gestimmten Guitarre, deren Schrauben abgenutzt sind.
Er war still glücklich, und oft konnte man ihn auf einem Zaune oder einem Grenzsteine sitzen sehen, wie sein Vater einst gesessen hatte, und über den goldnen Weizen oder den schweren Hafer hinstarrcn.
Noch hatte er keinen weitern Verkehr mit den Familien in der Umgegend angeknüpft; das einzige Haus, wo er häufiger verkehrte, war das des Kanzlci- rats Skinnerup in Varde. Der Kanzleirat war schon zu Lebzeiten von Ricks Lyhncs Vater in die Stadt gekommen, und da er ein alter Universitätsfreund desselben war, hatten beide Familien viel mit einander verkehrt. Skinnerup, ein sanfter, kahlköpfiger Mann mit scharfen Zügen und sanften Augen, war jetzt Witwer und hatte das Haus mehr als voll von vier Töchtern, von denen die älteste siebzehn, die jüngste zwölf Jahre alt war.
Ricks unterhielt sich gern mit dem sehr belesenen Kanzleirat über allerhand ästhetische Gegenstände, denn hatte er auch angefangen, seine Hände zu ge¬ brauchen, so war er doch deshalb nicht plötzlich zum Bauer geworden.
Er konnte auch die etwas komische Vorsicht wohl leiden, mit der er sich notgedrungen ausdrücken mußte, sobald die Rede ans einen Vergleich zwischen
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Ricks Lyhne.
gewiesen zu werden. Kein Heim auf Erden, keinen Gott im Himmel, kein Ziel
draußen in der Zukunft! Ein Heim wollte er doch wenigstens haben; er konnte
durch Liebe zu seinem Eigentums sich ihn schaffen, diesen Fleck Erde, im großen
wie im kleinen, jeden Stein, jeden Baum, das Leblose wie das Lebende, sein
Herz zwischen dem allem teilen, sodaß es ihn nie wieder losließe.
Dreizehntes Aapitel.
Ungefähr ein Jahr lang hatte Ricks Lyhnc auf Lönborggaard gewohnt
und sein Gut, nach besten Kräften und soweit sein Verwalter ihm freie Hand
ließ, verwaltet. Er hatte sein Schild herabgenommen, die Devise ausgelöscht
und verzichtet. Die Menschheit mußte sich ohne ihn behelfen; er hatte das Glück
kennen gelernt, das die rein körperliche Arbeit gewährt, das Glück, ein Vor¬
haben unter den Händen wachsen zu sehen, wirklich fertig zu werden, sodaß man
fertig ist, und, wenn man ermüdet von bannen geht, zu wissen, daß die Kräfte,
die man zugesetzt hat, in einer Arbeit hinter einem liegen, daß die Arbeit
Bestand haben wird, daß kein Zweifel der Nacht sie verzehren, keine Kritik
einer nüchternen Morgenstunde sie vernichten kann. Bei der Landwirtschaft
gab es keinen Sisyphusstein zu wälzen.
Und dann das Gefühl, den Körper müde gearbeitet zu haben, der Genuß,
sich zur Ruhe zu legen und im Schlafe neue Kräfte zu sammeln, um sie wieder
bei der Arbeit zuzusetzen, regelmäßig wie Tag und Nacht auf einander folgen,
ohne daß die Launen des Gehirns störend dazwischen treten können, ohne mit
sich selber so vorsichtig umgehen zu müssen wie mit einer gestimmten Guitarre,
deren Schrauben abgenutzt sind.
Er war still glücklich, und oft konnte man ihn auf einem Zaune oder
einem Grenzsteine sitzen sehen, wie sein Vater einst gesessen hatte, und über den
goldnen Weizen oder den schweren Hafer hinstarrcn.
Noch hatte er keinen weitern Verkehr mit den Familien in der Umgegend
angeknüpft; das einzige Haus, wo er häufiger verkehrte, war das des Kanzlci-
rats Skinnerup in Varde. Der Kanzleirat war schon zu Lebzeiten von Ricks
Lyhncs Vater in die Stadt gekommen, und da er ein alter Universitätsfreund
desselben war, hatten beide Familien viel mit einander verkehrt. Skinnerup,
ein sanfter, kahlköpfiger Mann mit scharfen Zügen und sanften Augen, war jetzt
Witwer und hatte das Haus mehr als voll von vier Töchtern, von denen die
älteste siebzehn, die jüngste zwölf Jahre alt war.
Ricks unterhielt sich gern mit dem sehr belesenen Kanzleirat über allerhand
ästhetische Gegenstände, denn hatte er auch angefangen, seine Hände zu ge¬
brauchen, so war er doch deshalb nicht plötzlich zum Bauer geworden.
Er konnte auch die etwas komische Vorsicht wohl leiden, mit der er sich
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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/527>, abgerufen am 25.01.2025.
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