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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks Lyhne,

Fenmmore rief; sie hatte schon eine Weile wach gelegen, so glücklich, sich
frei von Schmerz zu fühlen, daß sie nicht daran gedacht hatte, zu reden. Jetzt
wollte sie aufstehen und Licht anzünden, aber Ricks fuhr fort, den Arzt zu
spielen, und zwang sie, liegen zu bleiben. Es würde gewiß nicht gut für sie
sein, wenn sie jetzt aufstünde; er habe Schwefelhölzer in der Tasche, und eine
Lampe werde er schon finden.

Als er die Lampe angezündet hatte, stellte er sie auf den Vlumentritt in
die Ecke, sodaß die runde, weißschimmernde Kuppel halb von dem feinen, schlum¬
mernden Laube einer Akazie verdeckt ward, und daß es nur gerade so hell
wurde, daß sie einander sehen konnten.

Er setzte sich vor sie hin, und sie sprachen von dem Regen, und wie gut
es sei, daß Erik seinen Regenmantel mitgenommen habe, und wie naß die arme
Trine wohl werden würde. Dann kam das Gespräch ins Stocken.

Fennimores Gedanken waren noch ein wenig schläfrig, und die Mattigkeit,
die über ihr lag, machte es so angenehm, so ruhig dazuliegen und halb zu
denken, ohne zu sprechen, und Ricks war anch nicht zum Reden aufgelegt, er
stand noch unter dem Einflüsse des langen, schweigsamen Nachmittags.

Hast du dies Haus gern? fragte Fennimore endlich.

Ach ja, er hatte es wohl gern.

Wirklich? Erinnerst dn dich der Möbel von zu Hanse?

In Fjordby? Ganz genau!

Wie ich sie liebe, und wie ich mich oft nach ihnen sehne! Die Möbel,
die wir hier haben, gehören uns ja nicht, sie sind nur gemietet und gehen uns
nichts an; an ihnen hängen keinerlei Erinnerungen für uns, und wir sollen
auch nicht länger mit ihnen zusammenleben, als wir hier sind. Du wirst es
gewiß merkwürdig finden, aber ich versichere dir, ich fühle mich oft so einsam
zwischen all diesen fremden Möbeln, die hier so gleichgiltig und stumm dastehen
und mich gehen lassen, wie ich will, ohne sich im mindesten um mich zu
kümmern. Und da sie mir nicht folgen werden, sondern hier bleiben, bis andre
Leute kommen, um sie zu mieten, so kann ich mich auch nicht an sie anschließen
oder mich für sie interessiren, wie ich es könnte, wenn ich wüßte, daß mein
Heim stets das ihre sein würde, und daß, was auch Gutes und Böses kommen
mag, es mir stets mitten unter ihnen kommen wird. Du findest das kindlich,
vielleicht ist es das auch, aber ich kann nun einmal nichts dafür.

Ich weiß nicht, was es ist, ich kenne es von mir selber, damals, als ich
allein im Auslande war. Meine Uhr wollte nicht gehen, und als ich sie dann
von dem Uhrmacher zurückerhielt und sie wieder ging, so war es -- so wie
du vorhin sagtest. Ich liebte sie förmlich, es lag etwas eigenartiges in dem
Gefühl, etwas so gründlich Gutes!

Ja, nicht wahr! Ach, an deiner Stelle würde ich die Uhr geküßt haben!

Würdest du das gethan haben?


Ricks Lyhne,

Fenmmore rief; sie hatte schon eine Weile wach gelegen, so glücklich, sich
frei von Schmerz zu fühlen, daß sie nicht daran gedacht hatte, zu reden. Jetzt
wollte sie aufstehen und Licht anzünden, aber Ricks fuhr fort, den Arzt zu
spielen, und zwang sie, liegen zu bleiben. Es würde gewiß nicht gut für sie
sein, wenn sie jetzt aufstünde; er habe Schwefelhölzer in der Tasche, und eine
Lampe werde er schon finden.

Als er die Lampe angezündet hatte, stellte er sie auf den Vlumentritt in
die Ecke, sodaß die runde, weißschimmernde Kuppel halb von dem feinen, schlum¬
mernden Laube einer Akazie verdeckt ward, und daß es nur gerade so hell
wurde, daß sie einander sehen konnten.

Er setzte sich vor sie hin, und sie sprachen von dem Regen, und wie gut
es sei, daß Erik seinen Regenmantel mitgenommen habe, und wie naß die arme
Trine wohl werden würde. Dann kam das Gespräch ins Stocken.

Fennimores Gedanken waren noch ein wenig schläfrig, und die Mattigkeit,
die über ihr lag, machte es so angenehm, so ruhig dazuliegen und halb zu
denken, ohne zu sprechen, und Ricks war anch nicht zum Reden aufgelegt, er
stand noch unter dem Einflüsse des langen, schweigsamen Nachmittags.

Hast du dies Haus gern? fragte Fennimore endlich.

Ach ja, er hatte es wohl gern.

Wirklich? Erinnerst dn dich der Möbel von zu Hanse?

In Fjordby? Ganz genau!

Wie ich sie liebe, und wie ich mich oft nach ihnen sehne! Die Möbel,
die wir hier haben, gehören uns ja nicht, sie sind nur gemietet und gehen uns
nichts an; an ihnen hängen keinerlei Erinnerungen für uns, und wir sollen
auch nicht länger mit ihnen zusammenleben, als wir hier sind. Du wirst es
gewiß merkwürdig finden, aber ich versichere dir, ich fühle mich oft so einsam
zwischen all diesen fremden Möbeln, die hier so gleichgiltig und stumm dastehen
und mich gehen lassen, wie ich will, ohne sich im mindesten um mich zu
kümmern. Und da sie mir nicht folgen werden, sondern hier bleiben, bis andre
Leute kommen, um sie zu mieten, so kann ich mich auch nicht an sie anschließen
oder mich für sie interessiren, wie ich es könnte, wenn ich wüßte, daß mein
Heim stets das ihre sein würde, und daß, was auch Gutes und Böses kommen
mag, es mir stets mitten unter ihnen kommen wird. Du findest das kindlich,
vielleicht ist es das auch, aber ich kann nun einmal nichts dafür.

Ich weiß nicht, was es ist, ich kenne es von mir selber, damals, als ich
allein im Auslande war. Meine Uhr wollte nicht gehen, und als ich sie dann
von dem Uhrmacher zurückerhielt und sie wieder ging, so war es — so wie
du vorhin sagtest. Ich liebte sie förmlich, es lag etwas eigenartiges in dem
Gefühl, etwas so gründlich Gutes!

Ja, nicht wahr! Ach, an deiner Stelle würde ich die Uhr geküßt haben!

Würdest du das gethan haben?


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[0339] Ricks Lyhne, Fenmmore rief; sie hatte schon eine Weile wach gelegen, so glücklich, sich frei von Schmerz zu fühlen, daß sie nicht daran gedacht hatte, zu reden. Jetzt wollte sie aufstehen und Licht anzünden, aber Ricks fuhr fort, den Arzt zu spielen, und zwang sie, liegen zu bleiben. Es würde gewiß nicht gut für sie sein, wenn sie jetzt aufstünde; er habe Schwefelhölzer in der Tasche, und eine Lampe werde er schon finden. Als er die Lampe angezündet hatte, stellte er sie auf den Vlumentritt in die Ecke, sodaß die runde, weißschimmernde Kuppel halb von dem feinen, schlum¬ mernden Laube einer Akazie verdeckt ward, und daß es nur gerade so hell wurde, daß sie einander sehen konnten. Er setzte sich vor sie hin, und sie sprachen von dem Regen, und wie gut es sei, daß Erik seinen Regenmantel mitgenommen habe, und wie naß die arme Trine wohl werden würde. Dann kam das Gespräch ins Stocken. Fennimores Gedanken waren noch ein wenig schläfrig, und die Mattigkeit, die über ihr lag, machte es so angenehm, so ruhig dazuliegen und halb zu denken, ohne zu sprechen, und Ricks war anch nicht zum Reden aufgelegt, er stand noch unter dem Einflüsse des langen, schweigsamen Nachmittags. Hast du dies Haus gern? fragte Fennimore endlich. Ach ja, er hatte es wohl gern. Wirklich? Erinnerst dn dich der Möbel von zu Hanse? In Fjordby? Ganz genau! Wie ich sie liebe, und wie ich mich oft nach ihnen sehne! Die Möbel, die wir hier haben, gehören uns ja nicht, sie sind nur gemietet und gehen uns nichts an; an ihnen hängen keinerlei Erinnerungen für uns, und wir sollen auch nicht länger mit ihnen zusammenleben, als wir hier sind. Du wirst es gewiß merkwürdig finden, aber ich versichere dir, ich fühle mich oft so einsam zwischen all diesen fremden Möbeln, die hier so gleichgiltig und stumm dastehen und mich gehen lassen, wie ich will, ohne sich im mindesten um mich zu kümmern. Und da sie mir nicht folgen werden, sondern hier bleiben, bis andre Leute kommen, um sie zu mieten, so kann ich mich auch nicht an sie anschließen oder mich für sie interessiren, wie ich es könnte, wenn ich wüßte, daß mein Heim stets das ihre sein würde, und daß, was auch Gutes und Böses kommen mag, es mir stets mitten unter ihnen kommen wird. Du findest das kindlich, vielleicht ist es das auch, aber ich kann nun einmal nichts dafür. Ich weiß nicht, was es ist, ich kenne es von mir selber, damals, als ich allein im Auslande war. Meine Uhr wollte nicht gehen, und als ich sie dann von dem Uhrmacher zurückerhielt und sie wieder ging, so war es — so wie du vorhin sagtest. Ich liebte sie förmlich, es lag etwas eigenartiges in dem Gefühl, etwas so gründlich Gutes! Ja, nicht wahr! Ach, an deiner Stelle würde ich die Uhr geküßt haben! Würdest du das gethan haben?

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/339>, abgerufen am 24.08.2024.