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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Tagebuchblattor eines Soiintcigspb.ilosopb.en,

Köstlich ist zwischen Ernst und Spiel schwebend und giebt dem Gedanken doch
noch seine beste Kraft, wenn Jupiter zusagt: "Die Griechische Sprache werde
ich alsdann verschwören und nur Teutsch reden, und mit einem Wort mich so
gut Teutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vor diesem den Römern,
die Beherrschung über die ganze Welt werde ankommen lassen," also Deutsch¬
land in der verjüngten seligen Welt als Griechenland und Rom in einem
gedacht, die Königin an Bildung und Macht, alles Beste und Höchste, was
die Welt gesehen, in ihm gesammelt und vertreten. Auch darin steckt mehr
Ernst, als zunächst scheinen mag, war das doch auch das stille Strebeziel in
Frankreich und auch in Italien. Ganzer Ernst aber steht hinter Jupiters
Zusage, dann nur deutsch zu reden, das fließt aus dem Selbstgefühl, zu dem
man sich, eben mitten in der Zeit, als die deutsche Sprache im Munde der
alamodisch Gesinnten (die jetzt noch nicht ausgestorben sind) zu einem bunt¬
scheckigen Bettlersmantel wurde, an ihrem nähern Studium in der Studierstube
erhöht hatte; der Fund oder Gedanke war ein Hauptanhalt für die beklemmten
patriotischen Geister, daß die deutsche Sprache von allen lebenden Sprachen
die herrlichste sei. Die Franzosen sonnten sich an dem Gedanken, auf ihre
Sprache angewandt, und halb Europa stimmte bei, die Deutschen rafften
kämpfend und ringend daran ihren Mut auf für eine bessere, große Zukunft.

Simplex sagt nichts zu der Versetzung des Helicon in die deutschen Grenzen,
scheint also damit einverstanden, wirft aber eine nüchterne politische Zwischen¬
frage ein: "Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren dazu sagen,
wann sich der künftige Held unterstehet, ihnen das Ihrige so unrechtmäßiger
Weis abzunehmen und den Städten zu unterwerfen?" Damit ist aber Jupiter
rasch fertig. Darum wird sich der Held wenig bekümmern; er wird die schlechten
vertilgen, den andern die Wahl geben, im Lande zu bleiben oder nicht, aber
"was bleibet und sein Vaterland liebet, die werden leben müssen, wie andre
gemeine Leute" u. s. w. Also ein Aufräumen mit allen Fürsten und Herren,
glücklich nur einem Narren in den Kopf und Mund gelegt, aber mit einem
tiefernsten Hintergrunde, der schon im fünfzehnten Jahrhundert in jener Refor¬
mation des Kaisers Sigmund, ja bei Nicolaus Cuscmus zu erkennen ist, wo
nicht schon in dem Gedanken Freidanks aus dem dreizehnten Jahrhundert.
Vom deutschen Kaiser auch ist gar nicht die Rede, der deutsche Held steht an
seiner Stelle, wohl aber vom römischen, im alten Sinne. Der deutsche Held
wird nämlich "Constantinopel in einem Tage einnehmen und allen Türken, die
sich nicht bekehren oder gehorsamen werden, die Köpfe vor den Hintern legen -
daselbst wird er das Römische Kaisertum wieder aufrichten und sich dann wieder
in Teutschland begeben" u. s. w., also der römische Kaiser nun aus Deutschland


z. B. bis in die Litteratur der Kochbücher hinein, der für uns ins Widerliche oder Spaßhafte
übergeht, damals aber der Träger eines hebenden unentbehrlichen Gedankens war, aus¬
gegangen von den Humanisten.
Grenzboten III. 1883. 4
Tagebuchblattor eines Soiintcigspb.ilosopb.en,

Köstlich ist zwischen Ernst und Spiel schwebend und giebt dem Gedanken doch
noch seine beste Kraft, wenn Jupiter zusagt: „Die Griechische Sprache werde
ich alsdann verschwören und nur Teutsch reden, und mit einem Wort mich so
gut Teutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vor diesem den Römern,
die Beherrschung über die ganze Welt werde ankommen lassen," also Deutsch¬
land in der verjüngten seligen Welt als Griechenland und Rom in einem
gedacht, die Königin an Bildung und Macht, alles Beste und Höchste, was
die Welt gesehen, in ihm gesammelt und vertreten. Auch darin steckt mehr
Ernst, als zunächst scheinen mag, war das doch auch das stille Strebeziel in
Frankreich und auch in Italien. Ganzer Ernst aber steht hinter Jupiters
Zusage, dann nur deutsch zu reden, das fließt aus dem Selbstgefühl, zu dem
man sich, eben mitten in der Zeit, als die deutsche Sprache im Munde der
alamodisch Gesinnten (die jetzt noch nicht ausgestorben sind) zu einem bunt¬
scheckigen Bettlersmantel wurde, an ihrem nähern Studium in der Studierstube
erhöht hatte; der Fund oder Gedanke war ein Hauptanhalt für die beklemmten
patriotischen Geister, daß die deutsche Sprache von allen lebenden Sprachen
die herrlichste sei. Die Franzosen sonnten sich an dem Gedanken, auf ihre
Sprache angewandt, und halb Europa stimmte bei, die Deutschen rafften
kämpfend und ringend daran ihren Mut auf für eine bessere, große Zukunft.

Simplex sagt nichts zu der Versetzung des Helicon in die deutschen Grenzen,
scheint also damit einverstanden, wirft aber eine nüchterne politische Zwischen¬
frage ein: „Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren dazu sagen,
wann sich der künftige Held unterstehet, ihnen das Ihrige so unrechtmäßiger
Weis abzunehmen und den Städten zu unterwerfen?" Damit ist aber Jupiter
rasch fertig. Darum wird sich der Held wenig bekümmern; er wird die schlechten
vertilgen, den andern die Wahl geben, im Lande zu bleiben oder nicht, aber
„was bleibet und sein Vaterland liebet, die werden leben müssen, wie andre
gemeine Leute" u. s. w. Also ein Aufräumen mit allen Fürsten und Herren,
glücklich nur einem Narren in den Kopf und Mund gelegt, aber mit einem
tiefernsten Hintergrunde, der schon im fünfzehnten Jahrhundert in jener Refor¬
mation des Kaisers Sigmund, ja bei Nicolaus Cuscmus zu erkennen ist, wo
nicht schon in dem Gedanken Freidanks aus dem dreizehnten Jahrhundert.
Vom deutschen Kaiser auch ist gar nicht die Rede, der deutsche Held steht an
seiner Stelle, wohl aber vom römischen, im alten Sinne. Der deutsche Held
wird nämlich „Constantinopel in einem Tage einnehmen und allen Türken, die
sich nicht bekehren oder gehorsamen werden, die Köpfe vor den Hintern legen -
daselbst wird er das Römische Kaisertum wieder aufrichten und sich dann wieder
in Teutschland begeben" u. s. w., also der römische Kaiser nun aus Deutschland


z. B. bis in die Litteratur der Kochbücher hinein, der für uns ins Widerliche oder Spaßhafte
übergeht, damals aber der Träger eines hebenden unentbehrlichen Gedankens war, aus¬
gegangen von den Humanisten.
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[0033] Tagebuchblattor eines Soiintcigspb.ilosopb.en, Köstlich ist zwischen Ernst und Spiel schwebend und giebt dem Gedanken doch noch seine beste Kraft, wenn Jupiter zusagt: „Die Griechische Sprache werde ich alsdann verschwören und nur Teutsch reden, und mit einem Wort mich so gut Teutsch erzeigen, daß ich ihnen auch endlich, wie vor diesem den Römern, die Beherrschung über die ganze Welt werde ankommen lassen," also Deutsch¬ land in der verjüngten seligen Welt als Griechenland und Rom in einem gedacht, die Königin an Bildung und Macht, alles Beste und Höchste, was die Welt gesehen, in ihm gesammelt und vertreten. Auch darin steckt mehr Ernst, als zunächst scheinen mag, war das doch auch das stille Strebeziel in Frankreich und auch in Italien. Ganzer Ernst aber steht hinter Jupiters Zusage, dann nur deutsch zu reden, das fließt aus dem Selbstgefühl, zu dem man sich, eben mitten in der Zeit, als die deutsche Sprache im Munde der alamodisch Gesinnten (die jetzt noch nicht ausgestorben sind) zu einem bunt¬ scheckigen Bettlersmantel wurde, an ihrem nähern Studium in der Studierstube erhöht hatte; der Fund oder Gedanke war ein Hauptanhalt für die beklemmten patriotischen Geister, daß die deutsche Sprache von allen lebenden Sprachen die herrlichste sei. Die Franzosen sonnten sich an dem Gedanken, auf ihre Sprache angewandt, und halb Europa stimmte bei, die Deutschen rafften kämpfend und ringend daran ihren Mut auf für eine bessere, große Zukunft. Simplex sagt nichts zu der Versetzung des Helicon in die deutschen Grenzen, scheint also damit einverstanden, wirft aber eine nüchterne politische Zwischen¬ frage ein: „Höchster Jupiter, was werden aber Fürsten und Herren dazu sagen, wann sich der künftige Held unterstehet, ihnen das Ihrige so unrechtmäßiger Weis abzunehmen und den Städten zu unterwerfen?" Damit ist aber Jupiter rasch fertig. Darum wird sich der Held wenig bekümmern; er wird die schlechten vertilgen, den andern die Wahl geben, im Lande zu bleiben oder nicht, aber „was bleibet und sein Vaterland liebet, die werden leben müssen, wie andre gemeine Leute" u. s. w. Also ein Aufräumen mit allen Fürsten und Herren, glücklich nur einem Narren in den Kopf und Mund gelegt, aber mit einem tiefernsten Hintergrunde, der schon im fünfzehnten Jahrhundert in jener Refor¬ mation des Kaisers Sigmund, ja bei Nicolaus Cuscmus zu erkennen ist, wo nicht schon in dem Gedanken Freidanks aus dem dreizehnten Jahrhundert. Vom deutschen Kaiser auch ist gar nicht die Rede, der deutsche Held steht an seiner Stelle, wohl aber vom römischen, im alten Sinne. Der deutsche Held wird nämlich „Constantinopel in einem Tage einnehmen und allen Türken, die sich nicht bekehren oder gehorsamen werden, die Köpfe vor den Hintern legen - daselbst wird er das Römische Kaisertum wieder aufrichten und sich dann wieder in Teutschland begeben" u. s. w., also der römische Kaiser nun aus Deutschland z. B. bis in die Litteratur der Kochbücher hinein, der für uns ins Widerliche oder Spaßhafte übergeht, damals aber der Träger eines hebenden unentbehrlichen Gedankens war, aus¬ gegangen von den Humanisten. Grenzboten III. 1883. 4

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/33>, abgerufen am 24.08.2024.