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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Tagebuchblätter eines Soimtagsphilosophen.

Diesen Ton zeigen gerade auch die beiden Capitel des Simplicissimus. die
von dem deutschen Helden der Zukunft handeln, das vierte und fünfte des
dritten Buches. Grimmelshauscn braucht das feine Kunstmittel, das Traum¬
bild von einem halb Irren ausgehen zu lassen, der sich für einen Gott hält,
auf die Welt heruntergekommen, um nach ihrem Elende und der Abhilfe zu
sehen. Simplex trifft ihn im Walde, mit sich selbst redend: "Ich will einmal
die Welt strafen, es wolle mirs dann das große Ruinen nicht zugeben"; er er¬
kennt in ihm "einen ErzPhantasten, der sich überstudiret und sonderlich in der
Poeterey gewaltig verstiegen (d. h. bis in den Olymp hinauf), dann da er bei
mir ein wenig erwarmete, gab er sich vor den Gott Jupiter aus." Es geht
einen schwer an, die köstliche Ausführung der Verhandlung zwischen beiden zu-
sammenzuschneiden, die fortwährend zwischen tiefem Ernste und heiterer Laune
spielt. Jupiter verkündet: "Ich will einen Teutschen Held erwecken, der soll
alles mit der Schärfe des Schwertes vollenden; er wird alle verruchte Menschen
umbringen und die fromme erhalten und erhöhen": mit der Schärfe des Schwertes,
das lag ja der blutigen Zeit nahe genug. Der Held erscheint aber zugleich
noch als der in Sibyllen Weissagung Verheißene, der das jüngste Gericht ein¬
leiten oder vollziehen sollte und damit die Erneuerung der Welt mit allgemeinem
Frieden und Einigung im Glauben. Er heißt zwar nicht mehr Friedrich, wie
auch vom heiligen Lande und dem wunderbaren Gerichtsbaume nun nicht mehr
die Rede ist, aber er ist im Kern immer noch der Friedrich der alten Propheten¬
träume. Reif für das jüngste Gericht wäre diese Welt, das ist als Grimmels-
hausens Stimmung hindurch erkennbar (kommen doch bei Goethe ähnliche Ge¬
danken vor). Auf die Einwendung des Simplex, daß ja das wieder nur Krieg
gebe, dessen Greuel man genug habe, heißt es: "Ich will einen solchen Held
schicken, der keinen Soldaten bedarf und doch die ganze Welt reformiren soll,"
reformiren, das Wort aus dem fünfzehnten Jahrhundert her. Der Held wird
dann lange geschildert als eine außen und innen glänzende Erscheinung, als ein
Gewaltiger an leiblichen und geistigen Gaben, daß einem Wohl wird, ihn auch
nur in Gedanken vor sich zu sehen. Er ist auch mit einem wunderbaren Schwerte
ausgerüstet, das ihm Vulcan schmiedet und das ihm alle Beihilfe weiterer Ge¬
walt überflüssig macht, Jupiters Donnerkeil ähnlich, eine Erfindung, würdig
der Romantiker oder der Propheten des vierzehnten Jahrhunderts. "Zu letzt
wird er den größten Potentaten in der Welt befehlen und die Negierung über
Meer und Erden so löblich anstellen, daß beides, Götter und Menschen, ein
Wohlgefallen darob haben sollen."

Denn auch das alte Bild vom römischen Weltreich in deutscher Hand
liegt noch dem Ganzen zu Grunde, es konnte nicht so bald sterben, so groß
war es. Es heißt ausdrücklich, da Simplex auf den Widerstand der gegebenen
Verhältnisse verweist: "Die Könige in Engelland, Schweden und Dennemark
werden, weil sie Teutschen Geblüts und Herkommens, der in Hispmna, Frank-


Tagebuchblätter eines Soimtagsphilosophen.

Diesen Ton zeigen gerade auch die beiden Capitel des Simplicissimus. die
von dem deutschen Helden der Zukunft handeln, das vierte und fünfte des
dritten Buches. Grimmelshauscn braucht das feine Kunstmittel, das Traum¬
bild von einem halb Irren ausgehen zu lassen, der sich für einen Gott hält,
auf die Welt heruntergekommen, um nach ihrem Elende und der Abhilfe zu
sehen. Simplex trifft ihn im Walde, mit sich selbst redend: „Ich will einmal
die Welt strafen, es wolle mirs dann das große Ruinen nicht zugeben"; er er¬
kennt in ihm „einen ErzPhantasten, der sich überstudiret und sonderlich in der
Poeterey gewaltig verstiegen (d. h. bis in den Olymp hinauf), dann da er bei
mir ein wenig erwarmete, gab er sich vor den Gott Jupiter aus." Es geht
einen schwer an, die köstliche Ausführung der Verhandlung zwischen beiden zu-
sammenzuschneiden, die fortwährend zwischen tiefem Ernste und heiterer Laune
spielt. Jupiter verkündet: „Ich will einen Teutschen Held erwecken, der soll
alles mit der Schärfe des Schwertes vollenden; er wird alle verruchte Menschen
umbringen und die fromme erhalten und erhöhen": mit der Schärfe des Schwertes,
das lag ja der blutigen Zeit nahe genug. Der Held erscheint aber zugleich
noch als der in Sibyllen Weissagung Verheißene, der das jüngste Gericht ein¬
leiten oder vollziehen sollte und damit die Erneuerung der Welt mit allgemeinem
Frieden und Einigung im Glauben. Er heißt zwar nicht mehr Friedrich, wie
auch vom heiligen Lande und dem wunderbaren Gerichtsbaume nun nicht mehr
die Rede ist, aber er ist im Kern immer noch der Friedrich der alten Propheten¬
träume. Reif für das jüngste Gericht wäre diese Welt, das ist als Grimmels-
hausens Stimmung hindurch erkennbar (kommen doch bei Goethe ähnliche Ge¬
danken vor). Auf die Einwendung des Simplex, daß ja das wieder nur Krieg
gebe, dessen Greuel man genug habe, heißt es: „Ich will einen solchen Held
schicken, der keinen Soldaten bedarf und doch die ganze Welt reformiren soll,"
reformiren, das Wort aus dem fünfzehnten Jahrhundert her. Der Held wird
dann lange geschildert als eine außen und innen glänzende Erscheinung, als ein
Gewaltiger an leiblichen und geistigen Gaben, daß einem Wohl wird, ihn auch
nur in Gedanken vor sich zu sehen. Er ist auch mit einem wunderbaren Schwerte
ausgerüstet, das ihm Vulcan schmiedet und das ihm alle Beihilfe weiterer Ge¬
walt überflüssig macht, Jupiters Donnerkeil ähnlich, eine Erfindung, würdig
der Romantiker oder der Propheten des vierzehnten Jahrhunderts. „Zu letzt
wird er den größten Potentaten in der Welt befehlen und die Negierung über
Meer und Erden so löblich anstellen, daß beides, Götter und Menschen, ein
Wohlgefallen darob haben sollen."

Denn auch das alte Bild vom römischen Weltreich in deutscher Hand
liegt noch dem Ganzen zu Grunde, es konnte nicht so bald sterben, so groß
war es. Es heißt ausdrücklich, da Simplex auf den Widerstand der gegebenen
Verhältnisse verweist: „Die Könige in Engelland, Schweden und Dennemark
werden, weil sie Teutschen Geblüts und Herkommens, der in Hispmna, Frank-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/31>, abgerufen am 22.07.2024.