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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Richard Wagners Feen.

Königspalastes Rat und Hilfe suchen. Da, in der höchsten Not, erscheint ein
Bote mit der Meldung, daß der König und mit ihm, nach dem Spruche des
Zauberers Groma, die Siegeszuversicht seinem Volke wiederkehrt. Allein nur
kurz ist die Freude des Wiedersehens. Arindal ist ob der Trennung von seiner
Ada trübsinnig geworden und verzichtet auf die Leitung des Kampfes. Während
der Bräutigam seiner Schwester Lora für ihn aufs Feld der Ehre zieht, naht
Ada, der es auferlegt ist, in dieser ernsten Stunde den Gatten den vom Feen¬
könig befohlenen schicksalsschweren Liebesproben zu unterziehen. Die erste be¬
steht darin, daß sie ihre und Arindals Kinder in einen feurigen Schlund wirft,
der sich auf ihren Wink geöffnet hat, die zweite, daß sie sich, als nun dem
jammernden Vater auch noch die Kunde von einer gänzlichen Niederlage im
Kampfe gebracht wird, als Verräterin und Anstifterin seines Unheiles zu er¬
kennen giebt. Arindal besteht die Probe nicht und verflucht, seinem Eide zu
Trotz, sein Weib. Nun folgt die Enthüllung; die Kinder werden unversehrt
zurückgebracht, des Königs Feldherr kehrt siegreich aus der Schlacht zurück,
Ada aber verkündet dem Meineidigen die schreckliche Folge seiner That: ihre
Verwandlung in Stein, und dann versinkt sie nnter Blitz und Donner.

Der dritte Aufzug ist mit Ausnahme der ersten zwei Szenen, die Arindals
Wahnsinn und seines Volkes Trauer um ihn schildern, ganz den Prüfungen ge¬
widmet, denen sich der Held zur Erlösung seiner Ada unterworfen hat. In
einem unterirdischen Geklüfte, in das ihn die beiden Feen geführt haben, hat
er zunächst einen schweren Kampf mit wilden Geistern in tierischer Gestalt zu
bestehen, dann, nachdem er diesen mit Hilfe Gromas und seines Zauberschildes
ausgefochten hat, muß er sich mit einer Schar eherner Männer messen, und
nachdem ihm das Zauberschwert auch hier den Sieg verliehen hat, wird ihm
die Aufgabe, durch die Allgewalt seines Gesanges den Stein, in den Ada ver¬
wandelt ist, zu entzaubern. Mit Hilfe einer ihm von Groma verliehenen Harfe
gelingt es ihm, das Wunder zu vollbringen, Ada ist erlöst, und der Feenkönig,
dessen Palast im Hintergrunde sich glänzend öffnet, vereint die Liebenden für
ewig, indem er Arindal die Unsterblichkeit verleiht.

Diese Schlußwendung erschien Wagner später als etwas besonders Bezeich¬
nendes und mit Recht wies er auf das in diesem Zuge sich offenbarende poe¬
tische Motiv von der erlösenden Kraft reiner Liebe als auf etwas ihm durchaus
Eigentümliches hin. Dem Zuhörer aber tritt noch deutlicher die Verwandt¬
schaft der Feenfabel mit dem dramatischen Probleme des "Lohengrin" entgegen.
Hier wie dort wird der Mangel an Vertrauen, das Unvermögen, sich ganz und
rückhaltslos hinzugeben, zur tragischen Schuld, und wie Lohengrin der Elsa, so
verbietet Ada ihrem Arindal die Frage nach ihrer Herkunft, und der Bruch des
Verbotes und Versprechens wird der Anlaß zum Zusammensturze ihres Glückes.
Die Erinnerung an die Schwcmenritteroper wird auch noch durch ein andres
poetisches Motiv wachgerufen; in der sehr dürftigen Ballade von der Hexe


Richard Wagners Feen.

Königspalastes Rat und Hilfe suchen. Da, in der höchsten Not, erscheint ein
Bote mit der Meldung, daß der König und mit ihm, nach dem Spruche des
Zauberers Groma, die Siegeszuversicht seinem Volke wiederkehrt. Allein nur
kurz ist die Freude des Wiedersehens. Arindal ist ob der Trennung von seiner
Ada trübsinnig geworden und verzichtet auf die Leitung des Kampfes. Während
der Bräutigam seiner Schwester Lora für ihn aufs Feld der Ehre zieht, naht
Ada, der es auferlegt ist, in dieser ernsten Stunde den Gatten den vom Feen¬
könig befohlenen schicksalsschweren Liebesproben zu unterziehen. Die erste be¬
steht darin, daß sie ihre und Arindals Kinder in einen feurigen Schlund wirft,
der sich auf ihren Wink geöffnet hat, die zweite, daß sie sich, als nun dem
jammernden Vater auch noch die Kunde von einer gänzlichen Niederlage im
Kampfe gebracht wird, als Verräterin und Anstifterin seines Unheiles zu er¬
kennen giebt. Arindal besteht die Probe nicht und verflucht, seinem Eide zu
Trotz, sein Weib. Nun folgt die Enthüllung; die Kinder werden unversehrt
zurückgebracht, des Königs Feldherr kehrt siegreich aus der Schlacht zurück,
Ada aber verkündet dem Meineidigen die schreckliche Folge seiner That: ihre
Verwandlung in Stein, und dann versinkt sie nnter Blitz und Donner.

Der dritte Aufzug ist mit Ausnahme der ersten zwei Szenen, die Arindals
Wahnsinn und seines Volkes Trauer um ihn schildern, ganz den Prüfungen ge¬
widmet, denen sich der Held zur Erlösung seiner Ada unterworfen hat. In
einem unterirdischen Geklüfte, in das ihn die beiden Feen geführt haben, hat
er zunächst einen schweren Kampf mit wilden Geistern in tierischer Gestalt zu
bestehen, dann, nachdem er diesen mit Hilfe Gromas und seines Zauberschildes
ausgefochten hat, muß er sich mit einer Schar eherner Männer messen, und
nachdem ihm das Zauberschwert auch hier den Sieg verliehen hat, wird ihm
die Aufgabe, durch die Allgewalt seines Gesanges den Stein, in den Ada ver¬
wandelt ist, zu entzaubern. Mit Hilfe einer ihm von Groma verliehenen Harfe
gelingt es ihm, das Wunder zu vollbringen, Ada ist erlöst, und der Feenkönig,
dessen Palast im Hintergrunde sich glänzend öffnet, vereint die Liebenden für
ewig, indem er Arindal die Unsterblichkeit verleiht.

Diese Schlußwendung erschien Wagner später als etwas besonders Bezeich¬
nendes und mit Recht wies er auf das in diesem Zuge sich offenbarende poe¬
tische Motiv von der erlösenden Kraft reiner Liebe als auf etwas ihm durchaus
Eigentümliches hin. Dem Zuhörer aber tritt noch deutlicher die Verwandt¬
schaft der Feenfabel mit dem dramatischen Probleme des „Lohengrin" entgegen.
Hier wie dort wird der Mangel an Vertrauen, das Unvermögen, sich ganz und
rückhaltslos hinzugeben, zur tragischen Schuld, und wie Lohengrin der Elsa, so
verbietet Ada ihrem Arindal die Frage nach ihrer Herkunft, und der Bruch des
Verbotes und Versprechens wird der Anlaß zum Zusammensturze ihres Glückes.
Die Erinnerung an die Schwcmenritteroper wird auch noch durch ein andres
poetisches Motiv wachgerufen; in der sehr dürftigen Ballade von der Hexe


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[0274] Richard Wagners Feen. Königspalastes Rat und Hilfe suchen. Da, in der höchsten Not, erscheint ein Bote mit der Meldung, daß der König und mit ihm, nach dem Spruche des Zauberers Groma, die Siegeszuversicht seinem Volke wiederkehrt. Allein nur kurz ist die Freude des Wiedersehens. Arindal ist ob der Trennung von seiner Ada trübsinnig geworden und verzichtet auf die Leitung des Kampfes. Während der Bräutigam seiner Schwester Lora für ihn aufs Feld der Ehre zieht, naht Ada, der es auferlegt ist, in dieser ernsten Stunde den Gatten den vom Feen¬ könig befohlenen schicksalsschweren Liebesproben zu unterziehen. Die erste be¬ steht darin, daß sie ihre und Arindals Kinder in einen feurigen Schlund wirft, der sich auf ihren Wink geöffnet hat, die zweite, daß sie sich, als nun dem jammernden Vater auch noch die Kunde von einer gänzlichen Niederlage im Kampfe gebracht wird, als Verräterin und Anstifterin seines Unheiles zu er¬ kennen giebt. Arindal besteht die Probe nicht und verflucht, seinem Eide zu Trotz, sein Weib. Nun folgt die Enthüllung; die Kinder werden unversehrt zurückgebracht, des Königs Feldherr kehrt siegreich aus der Schlacht zurück, Ada aber verkündet dem Meineidigen die schreckliche Folge seiner That: ihre Verwandlung in Stein, und dann versinkt sie nnter Blitz und Donner. Der dritte Aufzug ist mit Ausnahme der ersten zwei Szenen, die Arindals Wahnsinn und seines Volkes Trauer um ihn schildern, ganz den Prüfungen ge¬ widmet, denen sich der Held zur Erlösung seiner Ada unterworfen hat. In einem unterirdischen Geklüfte, in das ihn die beiden Feen geführt haben, hat er zunächst einen schweren Kampf mit wilden Geistern in tierischer Gestalt zu bestehen, dann, nachdem er diesen mit Hilfe Gromas und seines Zauberschildes ausgefochten hat, muß er sich mit einer Schar eherner Männer messen, und nachdem ihm das Zauberschwert auch hier den Sieg verliehen hat, wird ihm die Aufgabe, durch die Allgewalt seines Gesanges den Stein, in den Ada ver¬ wandelt ist, zu entzaubern. Mit Hilfe einer ihm von Groma verliehenen Harfe gelingt es ihm, das Wunder zu vollbringen, Ada ist erlöst, und der Feenkönig, dessen Palast im Hintergrunde sich glänzend öffnet, vereint die Liebenden für ewig, indem er Arindal die Unsterblichkeit verleiht. Diese Schlußwendung erschien Wagner später als etwas besonders Bezeich¬ nendes und mit Recht wies er auf das in diesem Zuge sich offenbarende poe¬ tische Motiv von der erlösenden Kraft reiner Liebe als auf etwas ihm durchaus Eigentümliches hin. Dem Zuhörer aber tritt noch deutlicher die Verwandt¬ schaft der Feenfabel mit dem dramatischen Probleme des „Lohengrin" entgegen. Hier wie dort wird der Mangel an Vertrauen, das Unvermögen, sich ganz und rückhaltslos hinzugeben, zur tragischen Schuld, und wie Lohengrin der Elsa, so verbietet Ada ihrem Arindal die Frage nach ihrer Herkunft, und der Bruch des Verbotes und Versprechens wird der Anlaß zum Zusammensturze ihres Glückes. Die Erinnerung an die Schwcmenritteroper wird auch noch durch ein andres poetisches Motiv wachgerufen; in der sehr dürftigen Ballade von der Hexe

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/274>, abgerufen am 22.07.2024.