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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Ricks Lyhne.
I. P. Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

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VWMalt fühlte sich sowohl Ricks wie Erik völlig heimisch in dem
gastfreien Hause des Konsuls, und schon nach wenigen Tagen
hatten sie sich vollständig in das äolos tar nlsnts eingelebt,
aus dem so recht eigentlich das Ferienleben besteht und das
man nur mit großer Anstrengung gegen die Eingriffe guter
Menschen zu schützen vermag; sie mußten alles, was sie an diplomatischen
Kräften besaßen, aufbieten, um den vielen langweiligen Abendgesellschaften,
großen Segelpartien, Sommerbällen und Dilettantenvorstellungcn zu entgehen,
die ununterbrochen ihren Frieden bedrohten. Sie wünschten oft, daß das Haus
des Konsuls auf einer einsamen Insel läge, und Robinson kann keinen größern
Schrecken empfunden haben, als er die Fußspuren der Wilden im Sande fand,
als sie, wenn sie fremde Paletots im Vorsaal entdeckten oder wenn unbekannte
Arbeitsbeutel sich auf dem runden Tische im Wohnzimmer blicken ließen. Sie
wollten weit lieber allein bleiben, deun sie waren ja, noch ehe die erste Woche
halb verstrichen war, beide in Fennimore verliebt. Nicht mit jenem reifen Ver¬
liebtsein, das sein Schicksal wissen will und muß, das sich darnach sehnt, zu be¬
sitzen, zu umfassen, sicher zu sein; das war es noch nicht, es war noch das
Dämmern der ersten Liebe, das wie ein wunderbarer Lenz in der Luft liegt
und mit einer Sehnsucht schwillt, die Wehmut ist, mit einer Unruhe, die leises,
Pochendes Glück bedeutet. Der Sinn ist so weich, so leicht bewegt, so bereit,
sich hinzugeben. Ein Schimmer über der See, ein Säuseln im Laube, ja nur
eine Blume, die sich entfaltet, das alles hat eine so eigne Macht erhalten.
Unbestimmtes, namenloses Hoffen taucht plötzlich auf und verbreitet seinen
Sonnenglanz über alles in der Welt, und dann plötzlich liegt wieder alles ohne




Ricks Lyhne.
I. P. Jacobsen. Roman von
Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann.
(Fortsetzung.)

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VWMalt fühlte sich sowohl Ricks wie Erik völlig heimisch in dem
gastfreien Hause des Konsuls, und schon nach wenigen Tagen
hatten sie sich vollständig in das äolos tar nlsnts eingelebt,
aus dem so recht eigentlich das Ferienleben besteht und das
man nur mit großer Anstrengung gegen die Eingriffe guter
Menschen zu schützen vermag; sie mußten alles, was sie an diplomatischen
Kräften besaßen, aufbieten, um den vielen langweiligen Abendgesellschaften,
großen Segelpartien, Sommerbällen und Dilettantenvorstellungcn zu entgehen,
die ununterbrochen ihren Frieden bedrohten. Sie wünschten oft, daß das Haus
des Konsuls auf einer einsamen Insel läge, und Robinson kann keinen größern
Schrecken empfunden haben, als er die Fußspuren der Wilden im Sande fand,
als sie, wenn sie fremde Paletots im Vorsaal entdeckten oder wenn unbekannte
Arbeitsbeutel sich auf dem runden Tische im Wohnzimmer blicken ließen. Sie
wollten weit lieber allein bleiben, deun sie waren ja, noch ehe die erste Woche
halb verstrichen war, beide in Fennimore verliebt. Nicht mit jenem reifen Ver¬
liebtsein, das sein Schicksal wissen will und muß, das sich darnach sehnt, zu be¬
sitzen, zu umfassen, sicher zu sein; das war es noch nicht, es war noch das
Dämmern der ersten Liebe, das wie ein wunderbarer Lenz in der Luft liegt
und mit einer Sehnsucht schwillt, die Wehmut ist, mit einer Unruhe, die leises,
Pochendes Glück bedeutet. Der Sinn ist so weich, so leicht bewegt, so bereit,
sich hinzugeben. Ein Schimmer über der See, ein Säuseln im Laube, ja nur
eine Blume, die sich entfaltet, das alles hat eine so eigne Macht erhalten.
Unbestimmtes, namenloses Hoffen taucht plötzlich auf und verbreitet seinen
Sonnenglanz über alles in der Welt, und dann plötzlich liegt wieder alles ohne


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[0238] [Abbildung] Ricks Lyhne. I. P. Jacobsen. Roman von Aus dem Dänischen übersetzt von Mathilde Mann. (Fortsetzung.) MMM ^MHK-sZ> VWMalt fühlte sich sowohl Ricks wie Erik völlig heimisch in dem gastfreien Hause des Konsuls, und schon nach wenigen Tagen hatten sie sich vollständig in das äolos tar nlsnts eingelebt, aus dem so recht eigentlich das Ferienleben besteht und das man nur mit großer Anstrengung gegen die Eingriffe guter Menschen zu schützen vermag; sie mußten alles, was sie an diplomatischen Kräften besaßen, aufbieten, um den vielen langweiligen Abendgesellschaften, großen Segelpartien, Sommerbällen und Dilettantenvorstellungcn zu entgehen, die ununterbrochen ihren Frieden bedrohten. Sie wünschten oft, daß das Haus des Konsuls auf einer einsamen Insel läge, und Robinson kann keinen größern Schrecken empfunden haben, als er die Fußspuren der Wilden im Sande fand, als sie, wenn sie fremde Paletots im Vorsaal entdeckten oder wenn unbekannte Arbeitsbeutel sich auf dem runden Tische im Wohnzimmer blicken ließen. Sie wollten weit lieber allein bleiben, deun sie waren ja, noch ehe die erste Woche halb verstrichen war, beide in Fennimore verliebt. Nicht mit jenem reifen Ver¬ liebtsein, das sein Schicksal wissen will und muß, das sich darnach sehnt, zu be¬ sitzen, zu umfassen, sicher zu sein; das war es noch nicht, es war noch das Dämmern der ersten Liebe, das wie ein wunderbarer Lenz in der Luft liegt und mit einer Sehnsucht schwillt, die Wehmut ist, mit einer Unruhe, die leises, Pochendes Glück bedeutet. Der Sinn ist so weich, so leicht bewegt, so bereit, sich hinzugeben. Ein Schimmer über der See, ein Säuseln im Laube, ja nur eine Blume, die sich entfaltet, das alles hat eine so eigne Macht erhalten. Unbestimmtes, namenloses Hoffen taucht plötzlich auf und verbreitet seinen Sonnenglanz über alles in der Welt, und dann plötzlich liegt wieder alles ohne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/238>, abgerufen am 22.07.2024.