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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Sind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände Versicherungsgesellschaften?

rung desselben zu unterstützen, das andre mal, um einer etwaigen Schädigung
desselben vorzubeugen, sodaß hier mehr das polizeiliche, dort das bevormundende
Moment hervortritt. So läßt sich aus den Motiven zum Z 340, 6 des preu¬
ßischen Strafgesetzbuches, wie aus den einschlägigen Minifterialerlassen*) ohne
weiteres entnehmen, daß die Einführung der staatlichen Genehmigung vornehmlich
gegen gewinnsüchtige Ausbeutung schützen sollte, und bezüglich der Versicherungs¬
gesellschaften spricht sich u. a. eine Entscheidung des frühern Obertribunals aus¬
drücklich dahin aus: Das Versicherungsgesetz vom 17. Mai 1853 wolle aus
polizeilichen Gründen die zu errichtende Anstalt prüfen und beaufsichtigen,
damit sie dem allgemeinen Wohl nicht gefährlich werde; deshalb bewiesen die
Bestätigung und das Aufsichtsrecht noch keineswegs den (für eine Korporation
erforderlichen) gemeinnützigen Zweck der Gesellschaft. Die Bestätigung der Sta¬
tuten einer Gesellschaft und die Aufsicht der Regierung darüber seien nicht
gleichbedeutend mit der Autorität des Staates, die einen staatlichen Schutz für
das Institut bedeute, der zu seinen Gunsten stattfinden solle, wogegen in
jenen polizeilichen Maßnahmen ein Schutz des Staates gegen Nachteile, die
durch die Anstalt für diesen und das Publikum entstehen könnten, bezweckt
werde.

Nach dem Vorausgeschickten kann es keinem Bedenken unterliegen, die be¬
rufsgenossenschaftlich organisirten Unterstützungskassen der oben i argelegten
Mittelgruppe, d. h. den "erlaubten Gesellschaften" im Sinne des Ä. L.-R. II.
6, 8 2 ff., zuzuweisen, da sie Personenverbindungen zu gemeinschaftlichen End¬
zwecken darstellen und weder zu den Korporationen noch zu den Sozietätc.
gehören; denn nach der einen Seite fehlt es an den notwendigen Voraussetzungen
für die Gemeinnützigkeit und Bestandsfähigkeit der Gesellschaft, nach der andern
an einem individuell-geschlossenen Mitgliederbestande und einem ausschließlich auf
Privatinteressen gerichteten Gesellschaftszweck. Als erlaubte Gesellschaften unter¬
liegen sie also dem Aufsichtsrechte des Staates und berechtigen die zuständige
Staatsbehörde, sie jederzeit auf ihre innere und äußere Wirksamkeit hin zu
prüfen und bei Feststellung einer gemeinschädlichem Wirksamkeit zu schließen,
erforderlichenfalls unter Androhung entsprechender Strafen bei Wiedereröffnung
oder Fortsetzung des verbotenen Betriebes und unter gleichzeitiger Liquidirung
des Kasfenvcrmögens, welches den gesetzlichen Bestimmungen gemäß dem Fiskus
verfallen würde. Nach der unterm 6. März 1884 in Sachen der deutschen
Verbandskasse für die Invaliden der Arbeit zu Berlin ergangenen Entscheidung
des königlichen Oberverwaltungsgerichts unterliegt ein solches Verfahren nur
der Beschwerde an die Aufsichtsinstanz und nicht dem Verwaltungsstreitverfahren,
weil es sich dabei um einen Akt des staatlichen Aufsichtsrechtes und nicht um
eine Verfügung in polizeilichem Sinne (Z 127 ff. des Landesverwaltungsgesetzes



*) Ministerialblatt des Innern. Jahrgang 1861, S. 103, 120--122, 171.
Sind die heutigen Arbeiterunterstützungsverbände Versicherungsgesellschaften?

rung desselben zu unterstützen, das andre mal, um einer etwaigen Schädigung
desselben vorzubeugen, sodaß hier mehr das polizeiliche, dort das bevormundende
Moment hervortritt. So läßt sich aus den Motiven zum Z 340, 6 des preu¬
ßischen Strafgesetzbuches, wie aus den einschlägigen Minifterialerlassen*) ohne
weiteres entnehmen, daß die Einführung der staatlichen Genehmigung vornehmlich
gegen gewinnsüchtige Ausbeutung schützen sollte, und bezüglich der Versicherungs¬
gesellschaften spricht sich u. a. eine Entscheidung des frühern Obertribunals aus¬
drücklich dahin aus: Das Versicherungsgesetz vom 17. Mai 1853 wolle aus
polizeilichen Gründen die zu errichtende Anstalt prüfen und beaufsichtigen,
damit sie dem allgemeinen Wohl nicht gefährlich werde; deshalb bewiesen die
Bestätigung und das Aufsichtsrecht noch keineswegs den (für eine Korporation
erforderlichen) gemeinnützigen Zweck der Gesellschaft. Die Bestätigung der Sta¬
tuten einer Gesellschaft und die Aufsicht der Regierung darüber seien nicht
gleichbedeutend mit der Autorität des Staates, die einen staatlichen Schutz für
das Institut bedeute, der zu seinen Gunsten stattfinden solle, wogegen in
jenen polizeilichen Maßnahmen ein Schutz des Staates gegen Nachteile, die
durch die Anstalt für diesen und das Publikum entstehen könnten, bezweckt
werde.

Nach dem Vorausgeschickten kann es keinem Bedenken unterliegen, die be¬
rufsgenossenschaftlich organisirten Unterstützungskassen der oben i argelegten
Mittelgruppe, d. h. den „erlaubten Gesellschaften" im Sinne des Ä. L.-R. II.
6, 8 2 ff., zuzuweisen, da sie Personenverbindungen zu gemeinschaftlichen End¬
zwecken darstellen und weder zu den Korporationen noch zu den Sozietätc.
gehören; denn nach der einen Seite fehlt es an den notwendigen Voraussetzungen
für die Gemeinnützigkeit und Bestandsfähigkeit der Gesellschaft, nach der andern
an einem individuell-geschlossenen Mitgliederbestande und einem ausschließlich auf
Privatinteressen gerichteten Gesellschaftszweck. Als erlaubte Gesellschaften unter¬
liegen sie also dem Aufsichtsrechte des Staates und berechtigen die zuständige
Staatsbehörde, sie jederzeit auf ihre innere und äußere Wirksamkeit hin zu
prüfen und bei Feststellung einer gemeinschädlichem Wirksamkeit zu schließen,
erforderlichenfalls unter Androhung entsprechender Strafen bei Wiedereröffnung
oder Fortsetzung des verbotenen Betriebes und unter gleichzeitiger Liquidirung
des Kasfenvcrmögens, welches den gesetzlichen Bestimmungen gemäß dem Fiskus
verfallen würde. Nach der unterm 6. März 1884 in Sachen der deutschen
Verbandskasse für die Invaliden der Arbeit zu Berlin ergangenen Entscheidung
des königlichen Oberverwaltungsgerichts unterliegt ein solches Verfahren nur
der Beschwerde an die Aufsichtsinstanz und nicht dem Verwaltungsstreitverfahren,
weil es sich dabei um einen Akt des staatlichen Aufsichtsrechtes und nicht um
eine Verfügung in polizeilichem Sinne (Z 127 ff. des Landesverwaltungsgesetzes



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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/208>, abgerufen am 22.07.2024.