Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Gin deutsches Reichsanzeigeblatt.

preis für die viergespaltene Korpuszeile würde bei einer Anzeige für den Haupt¬
teil etwa 2 Mark, für die erste Beilage 50 Pfennige, für die zweite Beilage
20 Pfennige und für die dritte Beilage 10 Pfennige betragen, entsprechend der
Verbreitung, welche die Inserate in diesen Beilagen fänden. Es hätte eben bei
der geplanten Einrichtung jedermann Gelegenheit, in beliebigem Umfange, ent¬
weder im ganzen Reiche oder nur innerhalb einer Provinz, eines Regierungs¬
bezirkes oder eines Kreises, seine Bekanntmachung zu verbreiten. Annahmestelle
für jedes Inserat wäre jede Poststelle. Ich gebe einige Beispiele.

Ein Fabrikant in Stuttgart hat eine neue Lampe gebaut und möchte sie
im ganzen deutschen Reiche zum Verkaufe empfehlen. Der Mann geht einfach
auf sein Postamt in Stuttgart, schreibt dort seine Anzeige, ähnlich wie es bei
den Depeschen geschieht, auf ein hierzu bestimmtes Formular und stillt die vor-
gedrncktcn Fragen über die Größe, die Wiederholungen und ähnliches aus. Der
Postbeamte nimmt dann die Berechnung des Jnserats vor, quittirt den Betrag
durch die hierzu vorhandenen Stempelmarken auf dem Formular, und der
Fabrikant entrichtet seine Schuldigkeit. Das Schema aber wird vom Postamte
Stuttgart an die Verwaltung des Neichscmzeigeblattes nach Berlin gesandt, dort
in Druck gegeben und nach einigen Tagen wird die Lampenanzeige in einer
Auflage von mindestens 300 000 Exemplaren bis in den hintersten Winkel des
Reiches verbreitet.

Oder: Ein Leipziger Buchhändler giebt ein Werk über Schlesien heraus
und möchte dies in der Provinz Schlesien bekannt machen. Er geht in Leipzig
auf die Post, macht es dort wie der Lampenfabrikant in Stuttgart, und einige
Stunden später ist das Manuskript seiner Anzeige auf der Reise nach Breslau,
wird in der mit der dortigen Post in Verbindung stehenden Druckerei gesetzt
und nach einigen Tagen in jedem Nestchen Schlesiens in der ersten Beilage zum
Reichsanzeigeblatt in einer Auflage von 30--40 000 Abzügen gelesen.

Oder: Ein Frankfurter Bankier möchte sich eine Villa in Wiesbaden kaufen.
Er übergiebt eine darauf bezügliche Anzeige dem Frankfurter Postamte, und
Tags darauf liest man im ganzen Regierungsbezirke Wiesbaden seinen Wunsch
schwarz auf weiß in einer Auflage von vielleicht 10 000 Exemplaren in der zweiten
Beilage des Reichsanzeigeblattes.

Oder endlich: Eine Frau in Edinger sucht ein Dienstmädchen. Sie geht
früh morgens aufs Postamt dort, schreibt ihr Inserat, am Abend desselben
Tages liest man in dem ganzen Donaustädtchen und dessen Oberamtsbezirk ihr
Begehren in der dritten Beilage zu etwa 2000 Reichsanzeigeblättern, und tags
darauf rücken die Scharen der stellesuchendeu Jungfern aus Stadt und Land an.

Der Wert der ganzen Einrichtung für das Publikum muß auf den ersten
Blick einleuchten. Die Unsummen, die seither der anzeigende Geschäftsmann
daranzuwenden hatte, um bei der herrschenden Zersplitterung des ganzen Jn-
seratenwesens eine Wirkung seiner Anzeigen zu erzielen, schrumpft zu einem ver-


Gin deutsches Reichsanzeigeblatt.

preis für die viergespaltene Korpuszeile würde bei einer Anzeige für den Haupt¬
teil etwa 2 Mark, für die erste Beilage 50 Pfennige, für die zweite Beilage
20 Pfennige und für die dritte Beilage 10 Pfennige betragen, entsprechend der
Verbreitung, welche die Inserate in diesen Beilagen fänden. Es hätte eben bei
der geplanten Einrichtung jedermann Gelegenheit, in beliebigem Umfange, ent¬
weder im ganzen Reiche oder nur innerhalb einer Provinz, eines Regierungs¬
bezirkes oder eines Kreises, seine Bekanntmachung zu verbreiten. Annahmestelle
für jedes Inserat wäre jede Poststelle. Ich gebe einige Beispiele.

Ein Fabrikant in Stuttgart hat eine neue Lampe gebaut und möchte sie
im ganzen deutschen Reiche zum Verkaufe empfehlen. Der Mann geht einfach
auf sein Postamt in Stuttgart, schreibt dort seine Anzeige, ähnlich wie es bei
den Depeschen geschieht, auf ein hierzu bestimmtes Formular und stillt die vor-
gedrncktcn Fragen über die Größe, die Wiederholungen und ähnliches aus. Der
Postbeamte nimmt dann die Berechnung des Jnserats vor, quittirt den Betrag
durch die hierzu vorhandenen Stempelmarken auf dem Formular, und der
Fabrikant entrichtet seine Schuldigkeit. Das Schema aber wird vom Postamte
Stuttgart an die Verwaltung des Neichscmzeigeblattes nach Berlin gesandt, dort
in Druck gegeben und nach einigen Tagen wird die Lampenanzeige in einer
Auflage von mindestens 300 000 Exemplaren bis in den hintersten Winkel des
Reiches verbreitet.

Oder: Ein Leipziger Buchhändler giebt ein Werk über Schlesien heraus
und möchte dies in der Provinz Schlesien bekannt machen. Er geht in Leipzig
auf die Post, macht es dort wie der Lampenfabrikant in Stuttgart, und einige
Stunden später ist das Manuskript seiner Anzeige auf der Reise nach Breslau,
wird in der mit der dortigen Post in Verbindung stehenden Druckerei gesetzt
und nach einigen Tagen in jedem Nestchen Schlesiens in der ersten Beilage zum
Reichsanzeigeblatt in einer Auflage von 30—40 000 Abzügen gelesen.

Oder: Ein Frankfurter Bankier möchte sich eine Villa in Wiesbaden kaufen.
Er übergiebt eine darauf bezügliche Anzeige dem Frankfurter Postamte, und
Tags darauf liest man im ganzen Regierungsbezirke Wiesbaden seinen Wunsch
schwarz auf weiß in einer Auflage von vielleicht 10 000 Exemplaren in der zweiten
Beilage des Reichsanzeigeblattes.

Oder endlich: Eine Frau in Edinger sucht ein Dienstmädchen. Sie geht
früh morgens aufs Postamt dort, schreibt ihr Inserat, am Abend desselben
Tages liest man in dem ganzen Donaustädtchen und dessen Oberamtsbezirk ihr
Begehren in der dritten Beilage zu etwa 2000 Reichsanzeigeblättern, und tags
darauf rücken die Scharen der stellesuchendeu Jungfern aus Stadt und Land an.

Der Wert der ganzen Einrichtung für das Publikum muß auf den ersten
Blick einleuchten. Die Unsummen, die seither der anzeigende Geschäftsmann
daranzuwenden hatte, um bei der herrschenden Zersplitterung des ganzen Jn-
seratenwesens eine Wirkung seiner Anzeigen zu erzielen, schrumpft zu einem ver-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289142"/>
          <fw type="header" place="top"> Gin deutsches Reichsanzeigeblatt.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_33" prev="#ID_32"> preis für die viergespaltene Korpuszeile würde bei einer Anzeige für den Haupt¬<lb/>
teil etwa 2 Mark, für die erste Beilage 50 Pfennige, für die zweite Beilage<lb/>
20 Pfennige und für die dritte Beilage 10 Pfennige betragen, entsprechend der<lb/>
Verbreitung, welche die Inserate in diesen Beilagen fänden. Es hätte eben bei<lb/>
der geplanten Einrichtung jedermann Gelegenheit, in beliebigem Umfange, ent¬<lb/>
weder im ganzen Reiche oder nur innerhalb einer Provinz, eines Regierungs¬<lb/>
bezirkes oder eines Kreises, seine Bekanntmachung zu verbreiten. Annahmestelle<lb/>
für jedes Inserat wäre jede Poststelle. Ich gebe einige Beispiele.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_34"> Ein Fabrikant in Stuttgart hat eine neue Lampe gebaut und möchte sie<lb/>
im ganzen deutschen Reiche zum Verkaufe empfehlen. Der Mann geht einfach<lb/>
auf sein Postamt in Stuttgart, schreibt dort seine Anzeige, ähnlich wie es bei<lb/>
den Depeschen geschieht, auf ein hierzu bestimmtes Formular und stillt die vor-<lb/>
gedrncktcn Fragen über die Größe, die Wiederholungen und ähnliches aus. Der<lb/>
Postbeamte nimmt dann die Berechnung des Jnserats vor, quittirt den Betrag<lb/>
durch die hierzu vorhandenen Stempelmarken auf dem Formular, und der<lb/>
Fabrikant entrichtet seine Schuldigkeit. Das Schema aber wird vom Postamte<lb/>
Stuttgart an die Verwaltung des Neichscmzeigeblattes nach Berlin gesandt, dort<lb/>
in Druck gegeben und nach einigen Tagen wird die Lampenanzeige in einer<lb/>
Auflage von mindestens 300 000 Exemplaren bis in den hintersten Winkel des<lb/>
Reiches verbreitet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_35"> Oder: Ein Leipziger Buchhändler giebt ein Werk über Schlesien heraus<lb/>
und möchte dies in der Provinz Schlesien bekannt machen. Er geht in Leipzig<lb/>
auf die Post, macht es dort wie der Lampenfabrikant in Stuttgart, und einige<lb/>
Stunden später ist das Manuskript seiner Anzeige auf der Reise nach Breslau,<lb/>
wird in der mit der dortigen Post in Verbindung stehenden Druckerei gesetzt<lb/>
und nach einigen Tagen in jedem Nestchen Schlesiens in der ersten Beilage zum<lb/>
Reichsanzeigeblatt in einer Auflage von 30&#x2014;40 000 Abzügen gelesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_36"> Oder: Ein Frankfurter Bankier möchte sich eine Villa in Wiesbaden kaufen.<lb/>
Er übergiebt eine darauf bezügliche Anzeige dem Frankfurter Postamte, und<lb/>
Tags darauf liest man im ganzen Regierungsbezirke Wiesbaden seinen Wunsch<lb/>
schwarz auf weiß in einer Auflage von vielleicht 10 000 Exemplaren in der zweiten<lb/>
Beilage des Reichsanzeigeblattes.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_37"> Oder endlich: Eine Frau in Edinger sucht ein Dienstmädchen. Sie geht<lb/>
früh morgens aufs Postamt dort, schreibt ihr Inserat, am Abend desselben<lb/>
Tages liest man in dem ganzen Donaustädtchen und dessen Oberamtsbezirk ihr<lb/>
Begehren in der dritten Beilage zu etwa 2000 Reichsanzeigeblättern, und tags<lb/>
darauf rücken die Scharen der stellesuchendeu Jungfern aus Stadt und Land an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_38" next="#ID_39"> Der Wert der ganzen Einrichtung für das Publikum muß auf den ersten<lb/>
Blick einleuchten. Die Unsummen, die seither der anzeigende Geschäftsmann<lb/>
daranzuwenden hatte, um bei der herrschenden Zersplitterung des ganzen Jn-<lb/>
seratenwesens eine Wirkung seiner Anzeigen zu erzielen, schrumpft zu einem ver-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0019] Gin deutsches Reichsanzeigeblatt. preis für die viergespaltene Korpuszeile würde bei einer Anzeige für den Haupt¬ teil etwa 2 Mark, für die erste Beilage 50 Pfennige, für die zweite Beilage 20 Pfennige und für die dritte Beilage 10 Pfennige betragen, entsprechend der Verbreitung, welche die Inserate in diesen Beilagen fänden. Es hätte eben bei der geplanten Einrichtung jedermann Gelegenheit, in beliebigem Umfange, ent¬ weder im ganzen Reiche oder nur innerhalb einer Provinz, eines Regierungs¬ bezirkes oder eines Kreises, seine Bekanntmachung zu verbreiten. Annahmestelle für jedes Inserat wäre jede Poststelle. Ich gebe einige Beispiele. Ein Fabrikant in Stuttgart hat eine neue Lampe gebaut und möchte sie im ganzen deutschen Reiche zum Verkaufe empfehlen. Der Mann geht einfach auf sein Postamt in Stuttgart, schreibt dort seine Anzeige, ähnlich wie es bei den Depeschen geschieht, auf ein hierzu bestimmtes Formular und stillt die vor- gedrncktcn Fragen über die Größe, die Wiederholungen und ähnliches aus. Der Postbeamte nimmt dann die Berechnung des Jnserats vor, quittirt den Betrag durch die hierzu vorhandenen Stempelmarken auf dem Formular, und der Fabrikant entrichtet seine Schuldigkeit. Das Schema aber wird vom Postamte Stuttgart an die Verwaltung des Neichscmzeigeblattes nach Berlin gesandt, dort in Druck gegeben und nach einigen Tagen wird die Lampenanzeige in einer Auflage von mindestens 300 000 Exemplaren bis in den hintersten Winkel des Reiches verbreitet. Oder: Ein Leipziger Buchhändler giebt ein Werk über Schlesien heraus und möchte dies in der Provinz Schlesien bekannt machen. Er geht in Leipzig auf die Post, macht es dort wie der Lampenfabrikant in Stuttgart, und einige Stunden später ist das Manuskript seiner Anzeige auf der Reise nach Breslau, wird in der mit der dortigen Post in Verbindung stehenden Druckerei gesetzt und nach einigen Tagen in jedem Nestchen Schlesiens in der ersten Beilage zum Reichsanzeigeblatt in einer Auflage von 30—40 000 Abzügen gelesen. Oder: Ein Frankfurter Bankier möchte sich eine Villa in Wiesbaden kaufen. Er übergiebt eine darauf bezügliche Anzeige dem Frankfurter Postamte, und Tags darauf liest man im ganzen Regierungsbezirke Wiesbaden seinen Wunsch schwarz auf weiß in einer Auflage von vielleicht 10 000 Exemplaren in der zweiten Beilage des Reichsanzeigeblattes. Oder endlich: Eine Frau in Edinger sucht ein Dienstmädchen. Sie geht früh morgens aufs Postamt dort, schreibt ihr Inserat, am Abend desselben Tages liest man in dem ganzen Donaustädtchen und dessen Oberamtsbezirk ihr Begehren in der dritten Beilage zu etwa 2000 Reichsanzeigeblättern, und tags darauf rücken die Scharen der stellesuchendeu Jungfern aus Stadt und Land an. Der Wert der ganzen Einrichtung für das Publikum muß auf den ersten Blick einleuchten. Die Unsummen, die seither der anzeigende Geschäftsmann daranzuwenden hatte, um bei der herrschenden Zersplitterung des ganzen Jn- seratenwesens eine Wirkung seiner Anzeigen zu erzielen, schrumpft zu einem ver-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/19
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/19>, abgerufen am 22.07.2024.