Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Ricks Lyhne. klaren, braunen Augen, ein wehmutsvolles Lächeln um seine üppigen Lippen, Zwischen dieser bessern Welt und ihm unterhielt seine Frau die Verbindung. So große Forderungen wurden nun an Frau Claudy gerade nicht gestellt, So geschah es, daß sich der Sünder zum Guten bekehrte, und daß ein Claudys hatten zwei Kinder, einen Sohn, der in Hamburg auf dem Kondor Fennimore stand mit dem Konsul an der Brücke, um auf den Dampfer Ricks Lyhne. klaren, braunen Augen, ein wehmutsvolles Lächeln um seine üppigen Lippen, Zwischen dieser bessern Welt und ihm unterhielt seine Frau die Verbindung. So große Forderungen wurden nun an Frau Claudy gerade nicht gestellt, So geschah es, daß sich der Sünder zum Guten bekehrte, und daß ein Claudys hatten zwei Kinder, einen Sohn, der in Hamburg auf dem Kondor Fennimore stand mit dem Konsul an der Brücke, um auf den Dampfer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0189" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289312"/> <fw type="header" place="top"> Ricks Lyhne.</fw><lb/> <p xml:id="ID_652" prev="#ID_651"> klaren, braunen Augen, ein wehmutsvolles Lächeln um seine üppigen Lippen,<lb/> ein suchender, erinnerungsvoller Tonfall in seiner Stimme, als sehnte er sich<lb/> nach einer in seinen Augen bessern Welt, als die war, der er sich nach Ansicht<lb/> seiner Freunde mit Leib und Seele ergeben hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_653"> Zwischen dieser bessern Welt und ihm unterhielt seine Frau die Verbindung.<lb/> Sie war eine jener sanfte», blassen, jungfräulichen Naturen, die nicht den Mut<lb/> oder auch nicht den Trieb besitzen, ihre Liebe so auszugeben, daß in der tiefsten<lb/> Tiefe ihrer Seele nichts mehr von dem eignen Ich zurück bleibt. Auch nicht<lb/> einen einzigen flüchtigen Augenblick können sie so ergriffen werden, daß sie sich<lb/> blindlings unter die Wagenräder ihres Abgottes werfen. Das können sie nicht,<lb/> sonst aber können sie alles für den Geliebten thun, sie können die schwersten<lb/> Pflichten erfüllen, sind zu den schmerzlichsten Opfern bereit, und es giebt keine<lb/> Demütigung, die sie nicht willig auf sich nehmen würden. So sind die besten<lb/> unter ihnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_654"> So große Forderungen wurden nun an Frau Claudy gerade nicht gestellt,<lb/> aber ganz ohne Kummer war ihre Ehe auch nicht verlaufen. Es war nämlich<lb/> offnes Geheimnis in Fjordby, daß der Konsul nicht der treueste Ehemann war,<lb/> oder es doch wenigstens bis vor einigen Jahren nicht gewesen war. Natürlich<lb/> war das ein großer Kummer für sie, und es war ihr nicht leicht geworden,<lb/> ihr Herz dazu zu zwingen, daß es festhielt und nicht wankte in diesem Wirbel<lb/> von Eifersucht, Verachtung und Zorn, Scham und tötlichen Schreck, der den<lb/> Boden unter ihren Füßen hatte erbeben machen. Aber sie widerstand. Es<lb/> kam nicht nur kein Wort des Vorwurfs über ihre Lippen, sie verhinderte sogar<lb/> jegliches Geständnis von seiten ihres Mannes. Wußte sie doch, daß wenn er<lb/> zu Worten käme, diese sie mit sich fortreißen würden, fort von ihm. Schweigend<lb/> mußte es getragen werden, und schweigend suchte sie sich zur Mitschuldigen an<lb/> dem Vergehen des Mannes zu machen, indem sie oft wegen ihrer Selbstver-<lb/> schcmzung, die zu überwinden ihre Liebe nicht stark genug gewesen war, in die<lb/> bittersten Vorwürfe gegen sich selber ausbrach. Ja es gelang ihr, diese Sünde<lb/> so aufzubauschen, daß sie ein unbestimmtes Bedürfnis nach Vergebung zu em¬<lb/> pfinden schien, und im Laufe der Zeit kam sie so weit mit sich selber, daß man<lb/> sich in der Stadt erzählen konnte, für die außerehelichen Kinder des Konsuls<lb/> Claudy werde ganz anders gesorgt als bloß mit Geld, es müsse eine verborgne<lb/> Frauenhand dasein, die sie schütze, die ihnen alles Uhle fern halte.</p><lb/> <p xml:id="ID_655"> So geschah es, daß sich der Sünder zum Guten bekehrte, und daß ein<lb/> Sünder und eine Heilige sich gegenseitig besserten.</p><lb/> <p xml:id="ID_656"> Claudys hatten zwei Kinder, einen Sohn, der in Hamburg auf dem Kondor<lb/> war, und eine neunzehnjährige Tochter, die Fennimore hieß nach der Heldin<lb/> in Se. Noche, einem von den Romanen der Paalzow, die in Frau Claudys Ju¬<lb/> gend sehr beliebt gewesen waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_657" next="#ID_658"> Fennimore stand mit dem Konsul an der Brücke, um auf den Dampfer</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0189]
Ricks Lyhne.
klaren, braunen Augen, ein wehmutsvolles Lächeln um seine üppigen Lippen,
ein suchender, erinnerungsvoller Tonfall in seiner Stimme, als sehnte er sich
nach einer in seinen Augen bessern Welt, als die war, der er sich nach Ansicht
seiner Freunde mit Leib und Seele ergeben hatte.
Zwischen dieser bessern Welt und ihm unterhielt seine Frau die Verbindung.
Sie war eine jener sanfte», blassen, jungfräulichen Naturen, die nicht den Mut
oder auch nicht den Trieb besitzen, ihre Liebe so auszugeben, daß in der tiefsten
Tiefe ihrer Seele nichts mehr von dem eignen Ich zurück bleibt. Auch nicht
einen einzigen flüchtigen Augenblick können sie so ergriffen werden, daß sie sich
blindlings unter die Wagenräder ihres Abgottes werfen. Das können sie nicht,
sonst aber können sie alles für den Geliebten thun, sie können die schwersten
Pflichten erfüllen, sind zu den schmerzlichsten Opfern bereit, und es giebt keine
Demütigung, die sie nicht willig auf sich nehmen würden. So sind die besten
unter ihnen.
So große Forderungen wurden nun an Frau Claudy gerade nicht gestellt,
aber ganz ohne Kummer war ihre Ehe auch nicht verlaufen. Es war nämlich
offnes Geheimnis in Fjordby, daß der Konsul nicht der treueste Ehemann war,
oder es doch wenigstens bis vor einigen Jahren nicht gewesen war. Natürlich
war das ein großer Kummer für sie, und es war ihr nicht leicht geworden,
ihr Herz dazu zu zwingen, daß es festhielt und nicht wankte in diesem Wirbel
von Eifersucht, Verachtung und Zorn, Scham und tötlichen Schreck, der den
Boden unter ihren Füßen hatte erbeben machen. Aber sie widerstand. Es
kam nicht nur kein Wort des Vorwurfs über ihre Lippen, sie verhinderte sogar
jegliches Geständnis von seiten ihres Mannes. Wußte sie doch, daß wenn er
zu Worten käme, diese sie mit sich fortreißen würden, fort von ihm. Schweigend
mußte es getragen werden, und schweigend suchte sie sich zur Mitschuldigen an
dem Vergehen des Mannes zu machen, indem sie oft wegen ihrer Selbstver-
schcmzung, die zu überwinden ihre Liebe nicht stark genug gewesen war, in die
bittersten Vorwürfe gegen sich selber ausbrach. Ja es gelang ihr, diese Sünde
so aufzubauschen, daß sie ein unbestimmtes Bedürfnis nach Vergebung zu em¬
pfinden schien, und im Laufe der Zeit kam sie so weit mit sich selber, daß man
sich in der Stadt erzählen konnte, für die außerehelichen Kinder des Konsuls
Claudy werde ganz anders gesorgt als bloß mit Geld, es müsse eine verborgne
Frauenhand dasein, die sie schütze, die ihnen alles Uhle fern halte.
So geschah es, daß sich der Sünder zum Guten bekehrte, und daß ein
Sünder und eine Heilige sich gegenseitig besserten.
Claudys hatten zwei Kinder, einen Sohn, der in Hamburg auf dem Kondor
war, und eine neunzehnjährige Tochter, die Fennimore hieß nach der Heldin
in Se. Noche, einem von den Romanen der Paalzow, die in Frau Claudys Ju¬
gend sehr beliebt gewesen waren.
Fennimore stand mit dem Konsul an der Brücke, um auf den Dampfer
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