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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Tagebnchblcitter eines Sonntagsphilosophen.

mußt, denn es ist der deutschen Geschichte, des deutschen Gottes Wille. In der
Volksseele, wie sie von den Besten dargestellt wird, war der Wille da, zu einer
einheitlichen Spannkraft gesammelt, wie nur je in den größten Zeiten rück¬
wärts. Aber der Wille brauchte eine Hand, einen Arm, einen Kopf, daß die
alte Gedankenthat des Trciumens, Ahnens und Wollens endlich zur wirklichen
That wurde, der ja unendliche Schwierigkeiten entgegenstanden. Und der Kopf,
die Hand fanden sich, im Dienste des deutschesten Herzens, eben in und mit
einem rechten Preußengeiste. "Vvlkswille, Gotteswille," so faßt Franz Crcimer in
einem Schriftchen über Goethes Epimenides (Despotismus und Volkskraft,
Berlin 1874, S. 23) Goethes Wort dort von des Volkes Stimme als Gottes
Stimme, und schließt (S. 26): "Kühn und mutig und frei tragen wir die
Stirne, wir kennen ja das Walten des Zeitgeistes seit Jahrtausenden. Die
Volkskraft ist groß und -- der eiserne Kanzler ist ihr Prophet." Damit kann
auch ich schließen, nur daß eisern und Prophet uusern Bismarck nicht ganz be¬
zeichnen: er ist uns der rechte Friedrich, der rechte Siegfried, der rechte Ar-
minius geworden und hat auch seinen König und Herrn dazu gemacht, daß in
und mit ihm sich die alten Prophezeiungen erfüllten, die ja seit dem Anfange
des fünfzehnten Jahrhunderts auf Brandenburgs Fürstenhaus wiesen. Die
deutsche Geschichte, und nicht die politische nur, mit ihr die deutsche Geschichte
überhaupt, beginnt, als finge sie nun erst oder endlich an, aber mit dem Lehr¬
gewinn von langen Jahrhunderten. Man möchte wirklich wieder mit jung sein.

Aber als Nachklang doch noch einige Stimme" von Fremden, auch Pro¬
phetenworte. Da muß aber auch die aus der ältesten Zeit mit erwähnt werden,
die des Römers Tacitus, der mit seinein bewundernde" Berichte von den Thaten
des Arminius wie mit seiner (^srin-mia für uns ein rechter Prophet geworden
ist, ohne es zu wollen; er ahnte ja aber auch das Schicksal, das dem Römer-
reiche von den Germanen bevorstand. Was das von ihm gezeichnete Bild
unsrer Vorfahren, seit es im sechzehnten Jahrhundert bekannt wurde, für die
deutscheu Geister und ihre schwere vaterländische Arbeit geworden ist mit stär¬
kender, erhebender, reinigender Wirkung, das kann man nicht ermessen, aber
ahnen aus dem Gebrauche, den die Chronisten und Geschichtschreiber alsbald
davon machten, und jeder von uns hat es noch auf der Schule an sich er¬
fahren. Der große Römer, auf Feindcsseite, eröffnet die Reihe unsrer großen
Propheten. Am Ende der Reihe aber erklingt am wunderbarsten eine Pro-
phetenstimme über uns aus Frankreich, sollte ich auch sagen auf Feindesseite?
nein! zumal sie noch vor 1866 fällt. Victor Hugo, der so gern in Prophenton
fällt, kam in seiner Abhandlung über Shakespeare vom Jahre 1864 auch auf
das deutsche Wesen zu sprechen, das vom europäischen verschieden und ihm doch
unentbehrlich sei: I^u. naturf MsniWäs, xrotoncls se Südens, äistivote as ig,
nawro sriroxosnns, irmis ä'aooorä avsv suo, 8ö volatiliss se notes M-äöWU8
As8 nations. I/esprit Momimä sse drumsux, luinillöux, vrM'L. L'sse uns


Tagebnchblcitter eines Sonntagsphilosophen.

mußt, denn es ist der deutschen Geschichte, des deutschen Gottes Wille. In der
Volksseele, wie sie von den Besten dargestellt wird, war der Wille da, zu einer
einheitlichen Spannkraft gesammelt, wie nur je in den größten Zeiten rück¬
wärts. Aber der Wille brauchte eine Hand, einen Arm, einen Kopf, daß die
alte Gedankenthat des Trciumens, Ahnens und Wollens endlich zur wirklichen
That wurde, der ja unendliche Schwierigkeiten entgegenstanden. Und der Kopf,
die Hand fanden sich, im Dienste des deutschesten Herzens, eben in und mit
einem rechten Preußengeiste. „Vvlkswille, Gotteswille," so faßt Franz Crcimer in
einem Schriftchen über Goethes Epimenides (Despotismus und Volkskraft,
Berlin 1874, S. 23) Goethes Wort dort von des Volkes Stimme als Gottes
Stimme, und schließt (S. 26): „Kühn und mutig und frei tragen wir die
Stirne, wir kennen ja das Walten des Zeitgeistes seit Jahrtausenden. Die
Volkskraft ist groß und — der eiserne Kanzler ist ihr Prophet." Damit kann
auch ich schließen, nur daß eisern und Prophet uusern Bismarck nicht ganz be¬
zeichnen: er ist uns der rechte Friedrich, der rechte Siegfried, der rechte Ar-
minius geworden und hat auch seinen König und Herrn dazu gemacht, daß in
und mit ihm sich die alten Prophezeiungen erfüllten, die ja seit dem Anfange
des fünfzehnten Jahrhunderts auf Brandenburgs Fürstenhaus wiesen. Die
deutsche Geschichte, und nicht die politische nur, mit ihr die deutsche Geschichte
überhaupt, beginnt, als finge sie nun erst oder endlich an, aber mit dem Lehr¬
gewinn von langen Jahrhunderten. Man möchte wirklich wieder mit jung sein.

Aber als Nachklang doch noch einige Stimme» von Fremden, auch Pro¬
phetenworte. Da muß aber auch die aus der ältesten Zeit mit erwähnt werden,
die des Römers Tacitus, der mit seinein bewundernde» Berichte von den Thaten
des Arminius wie mit seiner (^srin-mia für uns ein rechter Prophet geworden
ist, ohne es zu wollen; er ahnte ja aber auch das Schicksal, das dem Römer-
reiche von den Germanen bevorstand. Was das von ihm gezeichnete Bild
unsrer Vorfahren, seit es im sechzehnten Jahrhundert bekannt wurde, für die
deutscheu Geister und ihre schwere vaterländische Arbeit geworden ist mit stär¬
kender, erhebender, reinigender Wirkung, das kann man nicht ermessen, aber
ahnen aus dem Gebrauche, den die Chronisten und Geschichtschreiber alsbald
davon machten, und jeder von uns hat es noch auf der Schule an sich er¬
fahren. Der große Römer, auf Feindcsseite, eröffnet die Reihe unsrer großen
Propheten. Am Ende der Reihe aber erklingt am wunderbarsten eine Pro-
phetenstimme über uns aus Frankreich, sollte ich auch sagen auf Feindesseite?
nein! zumal sie noch vor 1866 fällt. Victor Hugo, der so gern in Prophenton
fällt, kam in seiner Abhandlung über Shakespeare vom Jahre 1864 auch auf
das deutsche Wesen zu sprechen, das vom europäischen verschieden und ihm doch
unentbehrlich sei: I^u. naturf MsniWäs, xrotoncls se Südens, äistivote as ig,
nawro sriroxosnns, irmis ä'aooorä avsv suo, 8ö volatiliss se notes M-äöWU8
As8 nations. I/esprit Momimä sse drumsux, luinillöux, vrM'L. L'sse uns


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[0149] Tagebnchblcitter eines Sonntagsphilosophen. mußt, denn es ist der deutschen Geschichte, des deutschen Gottes Wille. In der Volksseele, wie sie von den Besten dargestellt wird, war der Wille da, zu einer einheitlichen Spannkraft gesammelt, wie nur je in den größten Zeiten rück¬ wärts. Aber der Wille brauchte eine Hand, einen Arm, einen Kopf, daß die alte Gedankenthat des Trciumens, Ahnens und Wollens endlich zur wirklichen That wurde, der ja unendliche Schwierigkeiten entgegenstanden. Und der Kopf, die Hand fanden sich, im Dienste des deutschesten Herzens, eben in und mit einem rechten Preußengeiste. „Vvlkswille, Gotteswille," so faßt Franz Crcimer in einem Schriftchen über Goethes Epimenides (Despotismus und Volkskraft, Berlin 1874, S. 23) Goethes Wort dort von des Volkes Stimme als Gottes Stimme, und schließt (S. 26): „Kühn und mutig und frei tragen wir die Stirne, wir kennen ja das Walten des Zeitgeistes seit Jahrtausenden. Die Volkskraft ist groß und — der eiserne Kanzler ist ihr Prophet." Damit kann auch ich schließen, nur daß eisern und Prophet uusern Bismarck nicht ganz be¬ zeichnen: er ist uns der rechte Friedrich, der rechte Siegfried, der rechte Ar- minius geworden und hat auch seinen König und Herrn dazu gemacht, daß in und mit ihm sich die alten Prophezeiungen erfüllten, die ja seit dem Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts auf Brandenburgs Fürstenhaus wiesen. Die deutsche Geschichte, und nicht die politische nur, mit ihr die deutsche Geschichte überhaupt, beginnt, als finge sie nun erst oder endlich an, aber mit dem Lehr¬ gewinn von langen Jahrhunderten. Man möchte wirklich wieder mit jung sein. Aber als Nachklang doch noch einige Stimme» von Fremden, auch Pro¬ phetenworte. Da muß aber auch die aus der ältesten Zeit mit erwähnt werden, die des Römers Tacitus, der mit seinein bewundernde» Berichte von den Thaten des Arminius wie mit seiner (^srin-mia für uns ein rechter Prophet geworden ist, ohne es zu wollen; er ahnte ja aber auch das Schicksal, das dem Römer- reiche von den Germanen bevorstand. Was das von ihm gezeichnete Bild unsrer Vorfahren, seit es im sechzehnten Jahrhundert bekannt wurde, für die deutscheu Geister und ihre schwere vaterländische Arbeit geworden ist mit stär¬ kender, erhebender, reinigender Wirkung, das kann man nicht ermessen, aber ahnen aus dem Gebrauche, den die Chronisten und Geschichtschreiber alsbald davon machten, und jeder von uns hat es noch auf der Schule an sich er¬ fahren. Der große Römer, auf Feindcsseite, eröffnet die Reihe unsrer großen Propheten. Am Ende der Reihe aber erklingt am wunderbarsten eine Pro- phetenstimme über uns aus Frankreich, sollte ich auch sagen auf Feindesseite? nein! zumal sie noch vor 1866 fällt. Victor Hugo, der so gern in Prophenton fällt, kam in seiner Abhandlung über Shakespeare vom Jahre 1864 auch auf das deutsche Wesen zu sprechen, das vom europäischen verschieden und ihm doch unentbehrlich sei: I^u. naturf MsniWäs, xrotoncls se Südens, äistivote as ig, nawro sriroxosnns, irmis ä'aooorä avsv suo, 8ö volatiliss se notes M-äöWU8 As8 nations. I/esprit Momimä sse drumsux, luinillöux, vrM'L. L'sse uns

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/149>, abgerufen am 22.07.2024.