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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Marskarten.

daß es wegen der größern Entfernung des Mars von der Sonne auf seiner
Oberfläche viel kälter sein müsse, als auf der Erde. Indessen kommt ein Um¬
stand von großer Bedeutung für die klimatischen Verhältnisse aus den Planeten
hinzu, der es sehr wahrscheinlich macht, daß die Temperatur auf dem Mars
durchaus nicht so viel niedriger ist, als es ohnedies wohl sein müßte. Es ist
eine bekannte Thatsache, daß es auf hohen Bergen viel kälter ist, als in nie¬
driger gelegenen Gebieten, und es rührt dies wesentlich daher, daß oben die
Ausstrahlung der von der Erde empfangenen Sonnenwärme rascher und unge¬
hinderter stattfinden kann als unten. Wie wir nun gleich aus der Betrachtung
der Marskarte sehen werden, besitzt dieser Planet sehr wahrscheinlich eine viel
dichtere Atmosphäre als die Erde, die von der Marsoberfläche erhaltene Er¬
wärmung durch die Sonne wird daher in geringerm Maße in den Weltraum
ausgestrahlt werdeu, als dies auf unserm Planeten der Fall ist. Es wird also
dadurch die Oberfläche in höherer Temperatur erhalten und somit eine Aus¬
gleichung gegen die geringere Bestrahlung bewirkt. Diese Verhältnisse, welche der
Möglichkeit des Vorhandenseins organischer Wesen auf dem Mars sehr günstig
sind, verleihen den Beobachtungen der Marsvberflciche einen besondern Reiz.

Sehen wir uns nun etwas näher an, was man auf dem Mars erblickt
hat, und wie die Marskarte zu stände gekommen ist.

Die ersten Anfänge der Entdeckung auffälliger Bildungen auf dem Planeten
Mars wurden schon im Jahrhundert der Erfindung des Fernrohrs gemacht,
indem der Astronom Fontana im Jahre 1636 die großen dunkeln Flecken auf
der leuchtenden Marsscheibe auffand, die dann, weil sie keine Verschiebungen
zeigten, von dem älteren Cassini bald zur Bestimmung der Umdrehungsdauer
des Planeten Mars verwendet wurden. Schon damals fand sich, daß die
Marstage fast gleich groß mit den Erdentagen sind; ihr Unterschied beträgt nur
etwa eine halbe Stunde. Indessen waren die damaligen Fernrohre noch zu
unvollkommen, um Einzelheiten auf der Marsoberfläche erkennen zu lassen, und
so wurde erst -- etwa ein Jahrhundert später -- durch Herschel, der sich be¬
kanntlich ein Riesenteleskop gebaut hatte, ein weiterer Fortschritt in der Er¬
forschung des Mars gemacht. Herschel hatte in der Nähe der Marspole das
Periodische Auftreten merkwürdiger Flecken beobachtet, deren Entstehen und Ver¬
gehen er schon mit dem Wechsel der Jahreszeiten auf dem Planeten erklärte;
er meinte, daß der Winter Eismassen in der Polarzone bilde, welche im Sommer
großenteils wieder wegschmölzen. Den nächsten, sehr wertvollen Beitrag zur
Erforschung der Marsoberfläche lieferte der Lilienthaler Astronom Schröter,
der 217 Zeichnungen der Marsoberflüche anfertigte. Diese Zeugnisse über das
frühere Aussehen des Mars sind in neuerer Zeit mit neueren Beobachtungen
verglichen worden, und sie beweisen, daß die merkwürdigen großen Oberslächen¬
gebilde des Mars keine Veränderung erfahren haben. Zu demselben Ergebnis
kamen Beer und Mädler in Berlin, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts


Grenzboten III. 1888. 16
Marskarten.

daß es wegen der größern Entfernung des Mars von der Sonne auf seiner
Oberfläche viel kälter sein müsse, als auf der Erde. Indessen kommt ein Um¬
stand von großer Bedeutung für die klimatischen Verhältnisse aus den Planeten
hinzu, der es sehr wahrscheinlich macht, daß die Temperatur auf dem Mars
durchaus nicht so viel niedriger ist, als es ohnedies wohl sein müßte. Es ist
eine bekannte Thatsache, daß es auf hohen Bergen viel kälter ist, als in nie¬
driger gelegenen Gebieten, und es rührt dies wesentlich daher, daß oben die
Ausstrahlung der von der Erde empfangenen Sonnenwärme rascher und unge¬
hinderter stattfinden kann als unten. Wie wir nun gleich aus der Betrachtung
der Marskarte sehen werden, besitzt dieser Planet sehr wahrscheinlich eine viel
dichtere Atmosphäre als die Erde, die von der Marsoberfläche erhaltene Er¬
wärmung durch die Sonne wird daher in geringerm Maße in den Weltraum
ausgestrahlt werdeu, als dies auf unserm Planeten der Fall ist. Es wird also
dadurch die Oberfläche in höherer Temperatur erhalten und somit eine Aus¬
gleichung gegen die geringere Bestrahlung bewirkt. Diese Verhältnisse, welche der
Möglichkeit des Vorhandenseins organischer Wesen auf dem Mars sehr günstig
sind, verleihen den Beobachtungen der Marsvberflciche einen besondern Reiz.

Sehen wir uns nun etwas näher an, was man auf dem Mars erblickt
hat, und wie die Marskarte zu stände gekommen ist.

Die ersten Anfänge der Entdeckung auffälliger Bildungen auf dem Planeten
Mars wurden schon im Jahrhundert der Erfindung des Fernrohrs gemacht,
indem der Astronom Fontana im Jahre 1636 die großen dunkeln Flecken auf
der leuchtenden Marsscheibe auffand, die dann, weil sie keine Verschiebungen
zeigten, von dem älteren Cassini bald zur Bestimmung der Umdrehungsdauer
des Planeten Mars verwendet wurden. Schon damals fand sich, daß die
Marstage fast gleich groß mit den Erdentagen sind; ihr Unterschied beträgt nur
etwa eine halbe Stunde. Indessen waren die damaligen Fernrohre noch zu
unvollkommen, um Einzelheiten auf der Marsoberfläche erkennen zu lassen, und
so wurde erst — etwa ein Jahrhundert später — durch Herschel, der sich be¬
kanntlich ein Riesenteleskop gebaut hatte, ein weiterer Fortschritt in der Er¬
forschung des Mars gemacht. Herschel hatte in der Nähe der Marspole das
Periodische Auftreten merkwürdiger Flecken beobachtet, deren Entstehen und Ver¬
gehen er schon mit dem Wechsel der Jahreszeiten auf dem Planeten erklärte;
er meinte, daß der Winter Eismassen in der Polarzone bilde, welche im Sommer
großenteils wieder wegschmölzen. Den nächsten, sehr wertvollen Beitrag zur
Erforschung der Marsoberfläche lieferte der Lilienthaler Astronom Schröter,
der 217 Zeichnungen der Marsoberflüche anfertigte. Diese Zeugnisse über das
frühere Aussehen des Mars sind in neuerer Zeit mit neueren Beobachtungen
verglichen worden, und sie beweisen, daß die merkwürdigen großen Oberslächen¬
gebilde des Mars keine Veränderung erfahren haben. Zu demselben Ergebnis
kamen Beer und Mädler in Berlin, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts


Grenzboten III. 1888. 16
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[0129] Marskarten. daß es wegen der größern Entfernung des Mars von der Sonne auf seiner Oberfläche viel kälter sein müsse, als auf der Erde. Indessen kommt ein Um¬ stand von großer Bedeutung für die klimatischen Verhältnisse aus den Planeten hinzu, der es sehr wahrscheinlich macht, daß die Temperatur auf dem Mars durchaus nicht so viel niedriger ist, als es ohnedies wohl sein müßte. Es ist eine bekannte Thatsache, daß es auf hohen Bergen viel kälter ist, als in nie¬ driger gelegenen Gebieten, und es rührt dies wesentlich daher, daß oben die Ausstrahlung der von der Erde empfangenen Sonnenwärme rascher und unge¬ hinderter stattfinden kann als unten. Wie wir nun gleich aus der Betrachtung der Marskarte sehen werden, besitzt dieser Planet sehr wahrscheinlich eine viel dichtere Atmosphäre als die Erde, die von der Marsoberfläche erhaltene Er¬ wärmung durch die Sonne wird daher in geringerm Maße in den Weltraum ausgestrahlt werdeu, als dies auf unserm Planeten der Fall ist. Es wird also dadurch die Oberfläche in höherer Temperatur erhalten und somit eine Aus¬ gleichung gegen die geringere Bestrahlung bewirkt. Diese Verhältnisse, welche der Möglichkeit des Vorhandenseins organischer Wesen auf dem Mars sehr günstig sind, verleihen den Beobachtungen der Marsvberflciche einen besondern Reiz. Sehen wir uns nun etwas näher an, was man auf dem Mars erblickt hat, und wie die Marskarte zu stände gekommen ist. Die ersten Anfänge der Entdeckung auffälliger Bildungen auf dem Planeten Mars wurden schon im Jahrhundert der Erfindung des Fernrohrs gemacht, indem der Astronom Fontana im Jahre 1636 die großen dunkeln Flecken auf der leuchtenden Marsscheibe auffand, die dann, weil sie keine Verschiebungen zeigten, von dem älteren Cassini bald zur Bestimmung der Umdrehungsdauer des Planeten Mars verwendet wurden. Schon damals fand sich, daß die Marstage fast gleich groß mit den Erdentagen sind; ihr Unterschied beträgt nur etwa eine halbe Stunde. Indessen waren die damaligen Fernrohre noch zu unvollkommen, um Einzelheiten auf der Marsoberfläche erkennen zu lassen, und so wurde erst — etwa ein Jahrhundert später — durch Herschel, der sich be¬ kanntlich ein Riesenteleskop gebaut hatte, ein weiterer Fortschritt in der Er¬ forschung des Mars gemacht. Herschel hatte in der Nähe der Marspole das Periodische Auftreten merkwürdiger Flecken beobachtet, deren Entstehen und Ver¬ gehen er schon mit dem Wechsel der Jahreszeiten auf dem Planeten erklärte; er meinte, daß der Winter Eismassen in der Polarzone bilde, welche im Sommer großenteils wieder wegschmölzen. Den nächsten, sehr wertvollen Beitrag zur Erforschung der Marsoberfläche lieferte der Lilienthaler Astronom Schröter, der 217 Zeichnungen der Marsoberflüche anfertigte. Diese Zeugnisse über das frühere Aussehen des Mars sind in neuerer Zeit mit neueren Beobachtungen verglichen worden, und sie beweisen, daß die merkwürdigen großen Oberslächen¬ gebilde des Mars keine Veränderung erfahren haben. Zu demselben Ergebnis kamen Beer und Mädler in Berlin, die in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Grenzboten III. 1888. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/129>, abgerufen am 22.07.2024.