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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Kriegsmacht des Friedensbundes und die seiner Gegner.

allgemeine persönliche Dienstpflicht für gewisse Altersklassen der Bevölkerung,
ohne daß sie jedoch streng hätte durchgeführt werden können. Die nach dem
Gesetze zum Kriegsdienste verpflichteten sind daher in drei Klassen geteilt.
Die erste verbleibt drei Jahre bei der Fahne, gehört dann fünf Jahre der
Reserve der stehenden Armee an, tritt hierauf in die mobile Miliz (Landwehr)
ein und verbringt schließlich noch sieben Jahre in der Territorialmiliz, die zum
Teil der deutschen Landwehr zweiten Aufgebots, zum Teil unserm Landsturme
entspricht. Die zweite Klasse hat dieselben Dienstverpflichtungen wie die erste,
wird aber in den acht Jahren, in denen sie dem stehenden Heere angehört, nur'
zu kurzen Übungen einberufen, sodaß sie nur eine notdürftige militärische Aus¬
bildung erhält. Noch übler ist es mit den Mannschaften der dritten Klasse
bestellt, welcher die weniger kriegstüchtigen Leute und die wegen häuslichen
Verhältnisse zurückgestellten zugeteilt werden. Diese Klasse bleibt in den
neunzehn Jahren ihrer Dienstpflichtigkeit beinahe ganz ohne Ausbildung und
Übung in den Waffen und ist eigentlich nicht mehr als Material, mit dem die
Territorialmiliz, wenn ein Krieg droht, außerdem verstärkt werden soll. Zur
Einreihung der dienstpflichtigen Massen in militärische Verbände bestehen im
Frieden 96 Regimenter Infanterie, in jedem der 12 Armeekorps 8, 12 Re¬
gimenter Bersaglieri (Schützen), 7 Regimenter Alpenjäger, 24 Regimenter
Kavallerie, jedes mit 6 Schwadronen, und 12 Regimenter Feldartillerie mit
je 14 Batterien zu 6 Geschützen, 6 Batterien reitende Artillerie für die 6 Ka¬
valleriedivisionen und 8 Batterien Gebirgsartillerie, sowie was an Festungs¬
artillerie, Genie-, Eisenbahn-, Sarnath- und Handwerkertruppen, Train und
ähnlichem zu einer modernen Armee gehört. Die Bersaglieri sind eine Elite¬
truppe, die namentlich im raschen Marschiren ungewöhnliches leistet. Sehr
gelobt werden auch die Alpenjäger, die sich lediglich aus den nördlichen und
nordwestlichen Teilen des Landes ergänzen, wo sie auch ihre Garnisonen haben,
und die bestimmt sind, vor den großen Heeresmassen im Gebirge aufzuklären
und deren Flanken zu decken, was anderwärts Aufgabe der Reiterei ist. Die
italienische Reiterei genügt deshalb in bergigen Gegenden, wogegen sie bei Ope¬
rationen in ebenen Landstrichen nicht stark genug zu vollständiger Erfüllung jener
Aufgabe sein dürfte. Hier wird daher eine Verstärkung stattfinden müssen, und
die wird wohl auch nicht ausbleiben, da es nicht an gutem Willen zu Ver¬
besserungen fehlt. Das gilt namentlich von der Landwehr und dem Landsturme.
Von ersterer, der mobilen Miliz, beabsichtigt man allmählich 162 Bataillone
Infanterie, 36 Kompagnien Alpenjäger und 56 Batterien Artillerie aufzustellen,
und dieser Plan ist jetzt bereits so weit verwirklicht, daß die Kadres, die Waffen
und das sonst erforderliche Material dazu größtenteils vorhanden sind. Des¬
gleichen wird an der Beschaffung einer Territorialmiliz und der Entwicklung
der schon vorhandenen Anfänge zu einer solchen nach Kräften gearbeitet, und man
trifft Vorbereitungen, um für den Fall des Bedarfs 320 Bataillone Infanterie,


Die Kriegsmacht des Friedensbundes und die seiner Gegner.

allgemeine persönliche Dienstpflicht für gewisse Altersklassen der Bevölkerung,
ohne daß sie jedoch streng hätte durchgeführt werden können. Die nach dem
Gesetze zum Kriegsdienste verpflichteten sind daher in drei Klassen geteilt.
Die erste verbleibt drei Jahre bei der Fahne, gehört dann fünf Jahre der
Reserve der stehenden Armee an, tritt hierauf in die mobile Miliz (Landwehr)
ein und verbringt schließlich noch sieben Jahre in der Territorialmiliz, die zum
Teil der deutschen Landwehr zweiten Aufgebots, zum Teil unserm Landsturme
entspricht. Die zweite Klasse hat dieselben Dienstverpflichtungen wie die erste,
wird aber in den acht Jahren, in denen sie dem stehenden Heere angehört, nur'
zu kurzen Übungen einberufen, sodaß sie nur eine notdürftige militärische Aus¬
bildung erhält. Noch übler ist es mit den Mannschaften der dritten Klasse
bestellt, welcher die weniger kriegstüchtigen Leute und die wegen häuslichen
Verhältnisse zurückgestellten zugeteilt werden. Diese Klasse bleibt in den
neunzehn Jahren ihrer Dienstpflichtigkeit beinahe ganz ohne Ausbildung und
Übung in den Waffen und ist eigentlich nicht mehr als Material, mit dem die
Territorialmiliz, wenn ein Krieg droht, außerdem verstärkt werden soll. Zur
Einreihung der dienstpflichtigen Massen in militärische Verbände bestehen im
Frieden 96 Regimenter Infanterie, in jedem der 12 Armeekorps 8, 12 Re¬
gimenter Bersaglieri (Schützen), 7 Regimenter Alpenjäger, 24 Regimenter
Kavallerie, jedes mit 6 Schwadronen, und 12 Regimenter Feldartillerie mit
je 14 Batterien zu 6 Geschützen, 6 Batterien reitende Artillerie für die 6 Ka¬
valleriedivisionen und 8 Batterien Gebirgsartillerie, sowie was an Festungs¬
artillerie, Genie-, Eisenbahn-, Sarnath- und Handwerkertruppen, Train und
ähnlichem zu einer modernen Armee gehört. Die Bersaglieri sind eine Elite¬
truppe, die namentlich im raschen Marschiren ungewöhnliches leistet. Sehr
gelobt werden auch die Alpenjäger, die sich lediglich aus den nördlichen und
nordwestlichen Teilen des Landes ergänzen, wo sie auch ihre Garnisonen haben,
und die bestimmt sind, vor den großen Heeresmassen im Gebirge aufzuklären
und deren Flanken zu decken, was anderwärts Aufgabe der Reiterei ist. Die
italienische Reiterei genügt deshalb in bergigen Gegenden, wogegen sie bei Ope¬
rationen in ebenen Landstrichen nicht stark genug zu vollständiger Erfüllung jener
Aufgabe sein dürfte. Hier wird daher eine Verstärkung stattfinden müssen, und
die wird wohl auch nicht ausbleiben, da es nicht an gutem Willen zu Ver¬
besserungen fehlt. Das gilt namentlich von der Landwehr und dem Landsturme.
Von ersterer, der mobilen Miliz, beabsichtigt man allmählich 162 Bataillone
Infanterie, 36 Kompagnien Alpenjäger und 56 Batterien Artillerie aufzustellen,
und dieser Plan ist jetzt bereits so weit verwirklicht, daß die Kadres, die Waffen
und das sonst erforderliche Material dazu größtenteils vorhanden sind. Des¬
gleichen wird an der Beschaffung einer Territorialmiliz und der Entwicklung
der schon vorhandenen Anfänge zu einer solchen nach Kräften gearbeitet, und man
trifft Vorbereitungen, um für den Fall des Bedarfs 320 Bataillone Infanterie,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/125>, abgerufen am 24.08.2024.