Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Die Frauenfrage des vierten Standes. Arbeiterinnen kommt nun aber nur einer Klasse der letztern, den Handarbeiterin¬ Eine bekannte Thatsache ist es, daß die Arbeiterinnen ihren Bedarf nach Die Frauenfrage des vierten Standes. Arbeiterinnen kommt nun aber nur einer Klasse der letztern, den Handarbeiterin¬ Eine bekannte Thatsache ist es, daß die Arbeiterinnen ihren Bedarf nach <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0090" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203525"/> <fw type="header" place="top"> Die Frauenfrage des vierten Standes.</fw><lb/> <p xml:id="ID_195" prev="#ID_194"> Arbeiterinnen kommt nun aber nur einer Klasse der letztern, den Handarbeiterin¬<lb/> nen, die für die mit Bestellungen der Kaufleute ausgerüsteten Zwischenhändler<lb/> um Stücklohn zu arbeiten Pflegen, zu gute. Auch ist mit der Gewährung<lb/> höherer Löhne die „Frauenfrage des vierten Standes" keineswegs ans der<lb/> Welt geschafft; es bedarf vielmehr weiterer Maßregeln, die teils im Zusammen¬<lb/> hange mit der Lösung jener Frage, teils ohne einen solchen Zusammenhang<lb/> durchgeführt werden müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_196" next="#ID_197"> Eine bekannte Thatsache ist es, daß die Arbeiterinnen ihren Bedarf nach<lb/> jeder Richtung hin in einer unbefriedigender Weise decken. Insbesondre wird<lb/> der Wohnbedarf unzweckmäßig befriedigt, da die alleinstehenden weiblichen An¬<lb/> gehörigen der untern Stände sich mit Wohnungen begnügen müssen, die nicht<lb/> allein in gesundheitlicher und sittlicher Beziehung (Schlafstellenwesen!) viel oder<lb/> alles zu wünschen übrig lassen, sondern auch zu Preisen vermietet werden, die<lb/> dem Werte der betreffenden Räumlichkeiten nicht entsprechen. Es würde zu<lb/> weit führen, auf diese Dinge hier näher einzugehen; nur so viel sei bemerkt,<lb/> daß die Wvhimngsvcrhältnisse der Arbeiterinnen in den meisten Städten geradezu<lb/> grauenhaft sind, eine Thatsache, die insbesondre dnrch die auf Veranlassung<lb/> des Vereins für Sozialpolitik veranstalteten Untersuchungen über die Woh¬<lb/> nungsnot der ürinern Klassen in deutschen Großstädten bestätigt wird. Diesem<lb/> Mangel an zweckentsprechenden Wohnungen für unverheiratete Arbeiterinnen<lb/> wird zunächst dadurch abgeholfen werden müssen, daß sich gemeinnützige Vereine<lb/> bilden, die die Unterbringung alleinstehender Mädchen in geeigneten Familien<lb/> zum Zwecke haben. Da aber voraussichtlich die Zahl dieser Familien sehr<lb/> beschränkt sein wird, ist entweder durch gemeinnützige Gesellschaften oder durch<lb/> die Arbeitgeber oder aber dnrch die vereinte Thätigkeit beider für die<lb/> Schaffung besondrer Arbeiterinncnwohnhänser Sorge zu tragen. In dieser<lb/> Richtung ist bisher so gut wie nichts geschehen. Ein „Daheim für Arbei¬<lb/> terinnen", das gemeinnützigen Streben sein Dasein verdankt und ans Mitteln<lb/> der bessern Gesellschaftskreise begründet ist, ist, so weit mir bekannt, nur in<lb/> Leipzig errichtet worden und wirkt auch hier unter sehr beschränkten Ver¬<lb/> hältnissen. Es besteht seit siebzehn Jahren (seit zwölf Jahren nnter Leitung<lb/> von Fräulein Emilie schillert) und hat bis zum Jahre 1887 562 Mädchen<lb/> aufgenommen; die Durchschnittszahl der in dem Hause sich aufhaltenden beläuft<lb/> sich auf vierundzwanzig, während die Einrichtung für dreißig Personen vorhanden<lb/> ist. Gewährt wird den Mädchen Wohnung und Frühstück für 1 Mark, Mittag¬<lb/> essen für 1 Mark SS Pfennige wöchentlich, zudem ein annäherndes Familien¬<lb/> leben und, wo es nötig ist, Rat und That. Einen Einblick in die Organisation<lb/> des „Daseins für Arbeiterinnen" giebt folgende kurze Übersicht der Haupt-<lb/> posten des für das Verwaltungsjahr 1886 — 188? veröffentlichten Kassen¬<lb/> berichtes. Nach letzterem betrugen die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0090]
Die Frauenfrage des vierten Standes.
Arbeiterinnen kommt nun aber nur einer Klasse der letztern, den Handarbeiterin¬
nen, die für die mit Bestellungen der Kaufleute ausgerüsteten Zwischenhändler
um Stücklohn zu arbeiten Pflegen, zu gute. Auch ist mit der Gewährung
höherer Löhne die „Frauenfrage des vierten Standes" keineswegs ans der
Welt geschafft; es bedarf vielmehr weiterer Maßregeln, die teils im Zusammen¬
hange mit der Lösung jener Frage, teils ohne einen solchen Zusammenhang
durchgeführt werden müssen.
Eine bekannte Thatsache ist es, daß die Arbeiterinnen ihren Bedarf nach
jeder Richtung hin in einer unbefriedigender Weise decken. Insbesondre wird
der Wohnbedarf unzweckmäßig befriedigt, da die alleinstehenden weiblichen An¬
gehörigen der untern Stände sich mit Wohnungen begnügen müssen, die nicht
allein in gesundheitlicher und sittlicher Beziehung (Schlafstellenwesen!) viel oder
alles zu wünschen übrig lassen, sondern auch zu Preisen vermietet werden, die
dem Werte der betreffenden Räumlichkeiten nicht entsprechen. Es würde zu
weit führen, auf diese Dinge hier näher einzugehen; nur so viel sei bemerkt,
daß die Wvhimngsvcrhältnisse der Arbeiterinnen in den meisten Städten geradezu
grauenhaft sind, eine Thatsache, die insbesondre dnrch die auf Veranlassung
des Vereins für Sozialpolitik veranstalteten Untersuchungen über die Woh¬
nungsnot der ürinern Klassen in deutschen Großstädten bestätigt wird. Diesem
Mangel an zweckentsprechenden Wohnungen für unverheiratete Arbeiterinnen
wird zunächst dadurch abgeholfen werden müssen, daß sich gemeinnützige Vereine
bilden, die die Unterbringung alleinstehender Mädchen in geeigneten Familien
zum Zwecke haben. Da aber voraussichtlich die Zahl dieser Familien sehr
beschränkt sein wird, ist entweder durch gemeinnützige Gesellschaften oder durch
die Arbeitgeber oder aber dnrch die vereinte Thätigkeit beider für die
Schaffung besondrer Arbeiterinncnwohnhänser Sorge zu tragen. In dieser
Richtung ist bisher so gut wie nichts geschehen. Ein „Daheim für Arbei¬
terinnen", das gemeinnützigen Streben sein Dasein verdankt und ans Mitteln
der bessern Gesellschaftskreise begründet ist, ist, so weit mir bekannt, nur in
Leipzig errichtet worden und wirkt auch hier unter sehr beschränkten Ver¬
hältnissen. Es besteht seit siebzehn Jahren (seit zwölf Jahren nnter Leitung
von Fräulein Emilie schillert) und hat bis zum Jahre 1887 562 Mädchen
aufgenommen; die Durchschnittszahl der in dem Hause sich aufhaltenden beläuft
sich auf vierundzwanzig, während die Einrichtung für dreißig Personen vorhanden
ist. Gewährt wird den Mädchen Wohnung und Frühstück für 1 Mark, Mittag¬
essen für 1 Mark SS Pfennige wöchentlich, zudem ein annäherndes Familien¬
leben und, wo es nötig ist, Rat und That. Einen Einblick in die Organisation
des „Daseins für Arbeiterinnen" giebt folgende kurze Übersicht der Haupt-
posten des für das Verwaltungsjahr 1886 — 188? veröffentlichten Kassen¬
berichtes. Nach letzterem betrugen die
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