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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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verabschiedete "Offiziere in der Polizeiverwaltung.

daß jede auch weniger als 26 000 Seelen zählende städtische wie ländliche Ge¬
meinde auf je 10000 Seelen erfahrungsmäßig mindestens einen Polizeikommissar
und auf mehr als zwei Polizeikommissare einen Polizeiinspektor erfordert. Wie
wenig aber dieser Anforderung genügt wird, zeigt unter anderm die obener¬
wähnte Fachschrift. Es würde bei Zusammenstellung des Bedarfs sich eine
Zahl von mehreren hundert Stellen ergeben, die ebensovielen außerdienstlichen
Offizieren eine bessere Lebensstellung gewähren würden, als Agentenstellen für
Versicherungsanstalten u. tgi.

Bei dieser Gelegenheit möge die Frage gestreift werden, ob nicht die Zeit-
Verhältnisse eine Vermehrung der Exekutivbeamten erfordern. Diese Frage würde
durch Revisionen der örtlichen Pvlizeiverwaltungen, die in Preußen durch die
ministeriellen Verfügungen vom 16. Februar 1831 und 22. April 1831 vor¬
geschrieben sind, jetzt aber nicht mehr zur Ausführung kommen, unbedingt in
bejahendem Sinne entschieden werden müssen, da die in der Polizeiverwaltnng
Preußens sich zeigenden Fehler großenteils durch Beamtenmangel verschuldet
werden. Wenn man bedenkt, daß z. B. in der Stadt Mona ein Polizeiinspektor,
6 Polizeikommissare und 21 Schutzleute, in Barmer 4 Polizeikommissare und
27 Schutzleute, in Düsseldorf 4 Polizeikommissare und 20 Schutzleute, in Elber-
feld 5 Polizeikommissare und 26 Schutzleute, in Krefeld 3 Polizeikommisfare und
26 Schutzleute, in Dortmund 4 Polizeikommisfare und 25 Schutzleute, in Essen a. R.
3 Polizeikommisfare und 16 Schutzleute, in Kiel 4 Polizeikommisfare und 13
Schutzleute, in Görlitz ein Polizeiinspektor, ein Polizeikommissar und 15 Schutz¬
leute, in Münster in Westfalen zwei Polizeikommisfare und 15 Schutzleute, in
Duisburg 3 Polizeikommissare und 11 Schutzleute, in Remschcid ein Polizei-
inspektor, 2 Polizeikommissare und 16 Schutzleute, in Flensburg ein Polizei¬
inspektor, 2 Polizeikommissare und 9 Schutzleute fehlen, so ist es erklärlich, daß
die Kriminalpolizei in diesen Städten überhaupt mangelhaft ist, eine ordentliche
Steckbriefkontrole in den meisten Fällen nicht geführt wird, photographische
Sammlungen der Gewohnheitsverbrecher und Prostituirten vielfach nicht vor¬
handen und die Hehler und Prostituirten nicht ordentlich beaufsichtigt sind, die
Vorschriften über Behandlung der Bettler und Vagabunden unausgeführt bleiben,
die Handhabung der Gesundheits-, Bau- und Feuerpolizei eine geradezu un-
bezeichenbare ist, die wenig vorhandenen Polizeiposten auf den Straßen und
Bahnhöfen nicht ordentlich kontrolirt werden, kurzum, daß die Unsicherheit der
Person und des Eigentums sehr groß ist.

Die Kölnische Zeitung schrieb unter dem 19. Juli dieses Jahres aus
Westfalen: In dem Jndustriebezirke nehmen die Verbrechen gegen das Leben
in letzter Zeit in geradezu erschreckender Weise überHand. Vor kurzem wurde
in Dortmund ein Fuhrunternehmer mit Namen Brinckmann von nutzlosen
Burschen erstochen, vor acht Tagen fand man in Lütgen-Dortmund die Leiche
eines erstochenen Bergmanns; in der Nacht zum Sonntag wurde in Marien


verabschiedete «Offiziere in der Polizeiverwaltung.

daß jede auch weniger als 26 000 Seelen zählende städtische wie ländliche Ge¬
meinde auf je 10000 Seelen erfahrungsmäßig mindestens einen Polizeikommissar
und auf mehr als zwei Polizeikommissare einen Polizeiinspektor erfordert. Wie
wenig aber dieser Anforderung genügt wird, zeigt unter anderm die obener¬
wähnte Fachschrift. Es würde bei Zusammenstellung des Bedarfs sich eine
Zahl von mehreren hundert Stellen ergeben, die ebensovielen außerdienstlichen
Offizieren eine bessere Lebensstellung gewähren würden, als Agentenstellen für
Versicherungsanstalten u. tgi.

Bei dieser Gelegenheit möge die Frage gestreift werden, ob nicht die Zeit-
Verhältnisse eine Vermehrung der Exekutivbeamten erfordern. Diese Frage würde
durch Revisionen der örtlichen Pvlizeiverwaltungen, die in Preußen durch die
ministeriellen Verfügungen vom 16. Februar 1831 und 22. April 1831 vor¬
geschrieben sind, jetzt aber nicht mehr zur Ausführung kommen, unbedingt in
bejahendem Sinne entschieden werden müssen, da die in der Polizeiverwaltnng
Preußens sich zeigenden Fehler großenteils durch Beamtenmangel verschuldet
werden. Wenn man bedenkt, daß z. B. in der Stadt Mona ein Polizeiinspektor,
6 Polizeikommissare und 21 Schutzleute, in Barmer 4 Polizeikommissare und
27 Schutzleute, in Düsseldorf 4 Polizeikommissare und 20 Schutzleute, in Elber-
feld 5 Polizeikommissare und 26 Schutzleute, in Krefeld 3 Polizeikommisfare und
26 Schutzleute, in Dortmund 4 Polizeikommisfare und 25 Schutzleute, in Essen a. R.
3 Polizeikommisfare und 16 Schutzleute, in Kiel 4 Polizeikommisfare und 13
Schutzleute, in Görlitz ein Polizeiinspektor, ein Polizeikommissar und 15 Schutz¬
leute, in Münster in Westfalen zwei Polizeikommisfare und 15 Schutzleute, in
Duisburg 3 Polizeikommissare und 11 Schutzleute, in Remschcid ein Polizei-
inspektor, 2 Polizeikommissare und 16 Schutzleute, in Flensburg ein Polizei¬
inspektor, 2 Polizeikommissare und 9 Schutzleute fehlen, so ist es erklärlich, daß
die Kriminalpolizei in diesen Städten überhaupt mangelhaft ist, eine ordentliche
Steckbriefkontrole in den meisten Fällen nicht geführt wird, photographische
Sammlungen der Gewohnheitsverbrecher und Prostituirten vielfach nicht vor¬
handen und die Hehler und Prostituirten nicht ordentlich beaufsichtigt sind, die
Vorschriften über Behandlung der Bettler und Vagabunden unausgeführt bleiben,
die Handhabung der Gesundheits-, Bau- und Feuerpolizei eine geradezu un-
bezeichenbare ist, die wenig vorhandenen Polizeiposten auf den Straßen und
Bahnhöfen nicht ordentlich kontrolirt werden, kurzum, daß die Unsicherheit der
Person und des Eigentums sehr groß ist.

Die Kölnische Zeitung schrieb unter dem 19. Juli dieses Jahres aus
Westfalen: In dem Jndustriebezirke nehmen die Verbrechen gegen das Leben
in letzter Zeit in geradezu erschreckender Weise überHand. Vor kurzem wurde
in Dortmund ein Fuhrunternehmer mit Namen Brinckmann von nutzlosen
Burschen erstochen, vor acht Tagen fand man in Lütgen-Dortmund die Leiche
eines erstochenen Bergmanns; in der Nacht zum Sonntag wurde in Marien


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/71>, abgerufen am 22.07.2024.