Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Hermann von Gilm. 587 von Gasteiger, und vergalt diese durch sein geistsprühendes, lebensfroh über¬ Es war damals in der That so. Von Oswald von Wolkenstein bis auf
singt er beim Abschied von der Geliebten. Und ein andermal in dem Gedichte *) Vergl. Hermann v. Gilm. Sein Leben und seine Dichtungen v. Arnold v. d. Passer. Leipzig, Licbeskind. 1889. Diese Lebensbeschreibung enthält sehr viel wertvolles Mnierial, entbehrt aber allen wissenschaftlichen Geistes. Eine ästhetische Würdigung Gnus ist darin gnr nicht versucht. Hermann Sanders vortreffliches Büchlein ist wohl ausgenutzt, aber totgeschwiegen worden. Vgl. Hermann Sander, Hermann v. Gilm. Innsbruck, Wagner, 1887. S. 31.
Hermann von Gilm. 587 von Gasteiger, und vergalt diese durch sein geistsprühendes, lebensfroh über¬ Es war damals in der That so. Von Oswald von Wolkenstein bis auf
singt er beim Abschied von der Geliebten. Und ein andermal in dem Gedichte *) Vergl. Hermann v. Gilm. Sein Leben und seine Dichtungen v. Arnold v. d. Passer. Leipzig, Licbeskind. 1889. Diese Lebensbeschreibung enthält sehr viel wertvolles Mnierial, entbehrt aber allen wissenschaftlichen Geistes. Eine ästhetische Würdigung Gnus ist darin gnr nicht versucht. Hermann Sanders vortreffliches Büchlein ist wohl ausgenutzt, aber totgeschwiegen worden. Vgl. Hermann Sander, Hermann v. Gilm. Innsbruck, Wagner, 1887. S. 31.
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Hermann von Gilm.
587
von Gasteiger, und vergalt diese durch sein geistsprühendes, lebensfroh über¬
schäumendes Naturell.*) Hier lernte er auch seine in den schönsten Liedern ver¬
ewigte Theodolinde kennen, eine Nichte Gasteiacrs, die Gnus leidenschaftliche
Liebe freilich nur mit kühler Freundschaft whute und ihn dadurch sehr un¬
glücklich machte. Das schöne Mädchen wollte eine sogenannte gute Partie
machen und gab dem unbesoldeten Gerichtspraktikanten, der obendrein als Libe¬
raler schlimme Aussichten für seine Laufbahn hatte, einen Korb. In diesem
Hause nun hatte Gilm folgendes kleine, aber bedeutsame Gespräch, über das
er in einem seiner Briefe an die vielgeliebte Schwester Calor (Katharina) nach
Innsbruck berichtete: „Es ist nicht lange her," schreibt er, „war ein Mädchen
hier ans Zweibrücken; diese Fremde hatte freiere Ideen, als alle Männer Tirols
in hundert Jahren zusammenbringen. Sie frug mich einst, nachdem l^als^j sie
sich an unsern herrlichen Bergen nicht satt sehen konnte: »Und in dieser Natur
giebt es keine Dichter?« Ich antwortete ihr Tags darauf in einem Gedichte"
— und dieses Gedicht teilt er nun in dem Briefe mit.**) Für die Wirkung
dieses Gesprächs auf den damals neununzwanzigjährigen Dichter ist es bezeich¬
nend, daß er dieses Antwortgedicht an die Spitze der Sammlung stellte, die er
1863, kurz vor seinem Tode, endlich ordnete.
Es war damals in der That so. Von Oswald von Wolkenstein bis auf
Gilm hat die tirolische Litteraturgeschichte kein dichterisches Talent höhern
Ranges zu verzeichnen. Erst kürzlich sind tirolische Fastnachtsspiele des Vigil
Räder aus dem Ende des fünfzehnten Jahrhunderts ausgegraben und ver¬
öffentlicht worden, aber davon wußten Gnus Zeitgenossen nichts. Und es
erinnert an den Entschluß des jungen Klopstock, mit Milton um die Puline
zu ringen, da das Ausland sich verächtlich über die Unfähigkeit der Deutschen,
etwas im Gebiete der „schönen Wissenschaften" zu schaffen, geäußert hatte, wenn
Gilm von nun an sich als den berufenen Mann fühlte, der Dichter Tirols zu
werden, an dem es fehlte, und diesem Gefühl in stolzer Weise auch sehr häufig
Ausdruck verlieh.
Schweigen werden meine Lieder,
Kein Gesang wird mehr ertönen,
Und die Fremden werden wieder
Unsre stummen Berge höhnen —
singt er beim Abschied von der Geliebten. Und ein andermal in dem Gedichte
„Sankt Ulrichs-Kapelle":
*) Vergl. Hermann v. Gilm. Sein Leben und seine Dichtungen v. Arnold v. d.
Passer. Leipzig, Licbeskind. 1889. Diese Lebensbeschreibung enthält sehr viel wertvolles
Mnierial, entbehrt aber allen wissenschaftlichen Geistes. Eine ästhetische Würdigung Gnus
ist darin gnr nicht versucht. Hermann Sanders vortreffliches Büchlein ist wohl ausgenutzt,
aber totgeschwiegen worden.
Vgl. Hermann Sander, Hermann v. Gilm. Innsbruck, Wagner, 1887. S. 31.
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