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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Vie ostafrikanische Frage.

deutschen Kolonisten bauend, schließlich zu gewaltsamer Vertreibung der letztem.
Diese gelang für den Augenblick, und es kam dabei zu Mordthaten, zu
Raub und Zerstörung von Eigentum und !zu Verlusten der Ostafrikanischen
Gesellschaft, die auf mehr als anderthalb Millionen Mark angeschlagen werden.
Dieser Schade mußte ihr ersetzt werden, und zwar hatte dies durch den Sultan
Said Chalifci als Bürgen des Vertrags über die Hafenplätze an der ihm gehö¬
rigen Küste zu geschehen. Sodann aber war dafür zu sorgen, daß die Rechte
der Gesellschaft für die Zukunft vollständig gesichert waren, eine abermalige
Verletzung derselben also unmöglich gemacht wurde. Zu diesem Zwecke mußte
zunächst das deutsche Reich in seiner Eigenschaft als Schutzmacht der Ostafri¬
kanischen Gesellschaft, dann aber diese selbst geeignete Maßregeln treffen. Hierzu
wieder empfahlen sich für das Reich eine wirksame Blockade der Küstengegenden,
welche die Ausfuhr von Sklaven und die Einfuhr von Feuerwaffen verhinderte,
und für die Gesellschaft die Bildung einer eignen Truppe, die sie zu schützen
im Stande war. Genügend wirksam konnte die Blockade bei der großen Aus¬
dehnung der Küste nur sein, wenn andre Seemächte, die ein Interesse an der Sache
hatten, sich an der Blockade beteiligten und die kaiserliche Marine bei ihrer Hand¬
habung unterstützten. Dabei kam in erster Reihe Großbritannien in Betracht,
dann in gewissem Maße Portugal und Frankreich. Nach dem Völkerrechte
konnte die Blockade nur im Namen des Sultans von Sansibar erklärt werden;
denn er war hier der Landesherr, der nur, wie angenommen werden mußte,
nicht die Macht hatte, den Aufstand gegen die mit ihm durch Vertrag der-
bundenen Fremden allein zu bewältigen.

Außer dem Rechte aber bewogen hierzu praktische Rücksichten. Dadurch
daß die Blockade im Namen des Sultans verhängt wurde, wurde den aufstän¬
dischen Arabern vor die Augen geführt, daß sie sich nicht bloß gegen die
Deutschen, sondern zugleich gegen ihren eignen Gebieter aufgelehnt hatten. Hatten
sie Grund, zu glauben, daß er dies im Stillen gern gesehen habe, so bewies
ihnen die Blockade seine Ohnmacht, so war die Unterstützung, die ihm gewährt
wurde, eigentlich ein Zwang, dem er nicht gewachsen war, und dem er mit
süßsaurer Miene zusehen mußte. Andernfalls mußte die Blockade ihn den
Arabern mächtiger erscheinen lassen, da sie daraus erkennen mußten, daß hinter
dem Sultan, der sie nicht zwingen konnte, die von ihm eingegangenen Ver¬
bindlichkeiten zu achten und erfüllen zu helfen, Großmächte standen, die zu
derartigem Zwange sehr wohl befähigt waren. Die andre praktische Rücksicht
bezog sich auf die Engländer, die stets Wert darauf gelegt hatten, das Sultanat
Sansibar zu halten. Wenn das deutsche Reich sich dieser Politik anschloß, so
brauchte dies nicht ausschließlich im Hinblick auf seine kolonialen Bedürfnisse
und Ziele zu geschehen, sondern man konnte auch unsre unmittelbaren Be¬
ziehungen zu England im Auge haben, die unsre Staatsmänner nach Mög¬
lichkeit zu pflegen bemüht sind. Natürlich war bei dem Entschlüsse der letztern,


Vie ostafrikanische Frage.

deutschen Kolonisten bauend, schließlich zu gewaltsamer Vertreibung der letztem.
Diese gelang für den Augenblick, und es kam dabei zu Mordthaten, zu
Raub und Zerstörung von Eigentum und !zu Verlusten der Ostafrikanischen
Gesellschaft, die auf mehr als anderthalb Millionen Mark angeschlagen werden.
Dieser Schade mußte ihr ersetzt werden, und zwar hatte dies durch den Sultan
Said Chalifci als Bürgen des Vertrags über die Hafenplätze an der ihm gehö¬
rigen Küste zu geschehen. Sodann aber war dafür zu sorgen, daß die Rechte
der Gesellschaft für die Zukunft vollständig gesichert waren, eine abermalige
Verletzung derselben also unmöglich gemacht wurde. Zu diesem Zwecke mußte
zunächst das deutsche Reich in seiner Eigenschaft als Schutzmacht der Ostafri¬
kanischen Gesellschaft, dann aber diese selbst geeignete Maßregeln treffen. Hierzu
wieder empfahlen sich für das Reich eine wirksame Blockade der Küstengegenden,
welche die Ausfuhr von Sklaven und die Einfuhr von Feuerwaffen verhinderte,
und für die Gesellschaft die Bildung einer eignen Truppe, die sie zu schützen
im Stande war. Genügend wirksam konnte die Blockade bei der großen Aus¬
dehnung der Küste nur sein, wenn andre Seemächte, die ein Interesse an der Sache
hatten, sich an der Blockade beteiligten und die kaiserliche Marine bei ihrer Hand¬
habung unterstützten. Dabei kam in erster Reihe Großbritannien in Betracht,
dann in gewissem Maße Portugal und Frankreich. Nach dem Völkerrechte
konnte die Blockade nur im Namen des Sultans von Sansibar erklärt werden;
denn er war hier der Landesherr, der nur, wie angenommen werden mußte,
nicht die Macht hatte, den Aufstand gegen die mit ihm durch Vertrag der-
bundenen Fremden allein zu bewältigen.

Außer dem Rechte aber bewogen hierzu praktische Rücksichten. Dadurch
daß die Blockade im Namen des Sultans verhängt wurde, wurde den aufstän¬
dischen Arabern vor die Augen geführt, daß sie sich nicht bloß gegen die
Deutschen, sondern zugleich gegen ihren eignen Gebieter aufgelehnt hatten. Hatten
sie Grund, zu glauben, daß er dies im Stillen gern gesehen habe, so bewies
ihnen die Blockade seine Ohnmacht, so war die Unterstützung, die ihm gewährt
wurde, eigentlich ein Zwang, dem er nicht gewachsen war, und dem er mit
süßsaurer Miene zusehen mußte. Andernfalls mußte die Blockade ihn den
Arabern mächtiger erscheinen lassen, da sie daraus erkennen mußten, daß hinter
dem Sultan, der sie nicht zwingen konnte, die von ihm eingegangenen Ver¬
bindlichkeiten zu achten und erfüllen zu helfen, Großmächte standen, die zu
derartigem Zwange sehr wohl befähigt waren. Die andre praktische Rücksicht
bezog sich auf die Engländer, die stets Wert darauf gelegt hatten, das Sultanat
Sansibar zu halten. Wenn das deutsche Reich sich dieser Politik anschloß, so
brauchte dies nicht ausschließlich im Hinblick auf seine kolonialen Bedürfnisse
und Ziele zu geschehen, sondern man konnte auch unsre unmittelbaren Be¬
ziehungen zu England im Auge haben, die unsre Staatsmänner nach Mög¬
lichkeit zu pflegen bemüht sind. Natürlich war bei dem Entschlüsse der letztern,


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[0539] Vie ostafrikanische Frage. deutschen Kolonisten bauend, schließlich zu gewaltsamer Vertreibung der letztem. Diese gelang für den Augenblick, und es kam dabei zu Mordthaten, zu Raub und Zerstörung von Eigentum und !zu Verlusten der Ostafrikanischen Gesellschaft, die auf mehr als anderthalb Millionen Mark angeschlagen werden. Dieser Schade mußte ihr ersetzt werden, und zwar hatte dies durch den Sultan Said Chalifci als Bürgen des Vertrags über die Hafenplätze an der ihm gehö¬ rigen Küste zu geschehen. Sodann aber war dafür zu sorgen, daß die Rechte der Gesellschaft für die Zukunft vollständig gesichert waren, eine abermalige Verletzung derselben also unmöglich gemacht wurde. Zu diesem Zwecke mußte zunächst das deutsche Reich in seiner Eigenschaft als Schutzmacht der Ostafri¬ kanischen Gesellschaft, dann aber diese selbst geeignete Maßregeln treffen. Hierzu wieder empfahlen sich für das Reich eine wirksame Blockade der Küstengegenden, welche die Ausfuhr von Sklaven und die Einfuhr von Feuerwaffen verhinderte, und für die Gesellschaft die Bildung einer eignen Truppe, die sie zu schützen im Stande war. Genügend wirksam konnte die Blockade bei der großen Aus¬ dehnung der Küste nur sein, wenn andre Seemächte, die ein Interesse an der Sache hatten, sich an der Blockade beteiligten und die kaiserliche Marine bei ihrer Hand¬ habung unterstützten. Dabei kam in erster Reihe Großbritannien in Betracht, dann in gewissem Maße Portugal und Frankreich. Nach dem Völkerrechte konnte die Blockade nur im Namen des Sultans von Sansibar erklärt werden; denn er war hier der Landesherr, der nur, wie angenommen werden mußte, nicht die Macht hatte, den Aufstand gegen die mit ihm durch Vertrag der- bundenen Fremden allein zu bewältigen. Außer dem Rechte aber bewogen hierzu praktische Rücksichten. Dadurch daß die Blockade im Namen des Sultans verhängt wurde, wurde den aufstän¬ dischen Arabern vor die Augen geführt, daß sie sich nicht bloß gegen die Deutschen, sondern zugleich gegen ihren eignen Gebieter aufgelehnt hatten. Hatten sie Grund, zu glauben, daß er dies im Stillen gern gesehen habe, so bewies ihnen die Blockade seine Ohnmacht, so war die Unterstützung, die ihm gewährt wurde, eigentlich ein Zwang, dem er nicht gewachsen war, und dem er mit süßsaurer Miene zusehen mußte. Andernfalls mußte die Blockade ihn den Arabern mächtiger erscheinen lassen, da sie daraus erkennen mußten, daß hinter dem Sultan, der sie nicht zwingen konnte, die von ihm eingegangenen Ver¬ bindlichkeiten zu achten und erfüllen zu helfen, Großmächte standen, die zu derartigem Zwange sehr wohl befähigt waren. Die andre praktische Rücksicht bezog sich auf die Engländer, die stets Wert darauf gelegt hatten, das Sultanat Sansibar zu halten. Wenn das deutsche Reich sich dieser Politik anschloß, so brauchte dies nicht ausschließlich im Hinblick auf seine kolonialen Bedürfnisse und Ziele zu geschehen, sondern man konnte auch unsre unmittelbaren Be¬ ziehungen zu England im Auge haben, die unsre Staatsmänner nach Mög¬ lichkeit zu pflegen bemüht sind. Natürlich war bei dem Entschlüsse der letztern,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/539>, abgerufen am 22.07.2024.