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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Vie Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

des Landes. Wenige Wochen, nachdem er im eignen Namen die Negierung
übernommen hatte, vermählte er sich mit der preußischen Prinzessin Louise, der
Tochter des nachmaligen Kaisers Wilhelm. Trotz dieses engen Familienbundes
und trotz seiner persönlichen Hinneigung zu Preußen zwangen ihn der Druck
und die Drohungen Österreichs und der andern süddeutschen Staaten, 1866 an
dem Kriege gegen Preußen teilzunehmen. Nur höchst ungern befolgte er diese
Politik, deren Verderblichkeit für sein eignes Land und für ganz Deutschland
er klar durchschaute. Aber unter einem großen Teile der Bevölkerung Badens,
namentlich der katholischen, herrschte derselbe thörichte und blinde Preußenhaß,
der in fast ganz Süddeutschland alle gesunde Vernunft und ruhige Erwägung
unterdrückt hatte. In Baden hatte das Volk damals eine Art von Stoßgebet,
das für die Preußenangst, die in jener Zeit dem Preußenhasse das Gleichgewicht
hielt, höchst kennzeichnend ist, und das darum der Merkwürdigkeit wegen hier
angeführt werden mag:


Schwarz ist der Teufel, weiß ist der Tod,
Schwvrzweiß der Preuße -- behüt' uns, Herrgottl

Aber die Wunden, die jener Krieg, an dem Baden überhaupt wenig Anteil
nahm, schlug, sind längst geheilt und vernarbt; einen Gebietsverlust .hat er
nicht gebracht, nur eine verhältnismüßig geringe Kriegskostenentschädigung mußte
geleistet werden. Alles das ist jetzt vergessen oder halb vergessen. Aber daß
in den Tagen vom 15. bis zum 17. Januar 1871, als unter der Führung
des Generals von Werber am Wasgensteine, in den deutschen Thermopylen,
inmitten von Eis und Schnee jener herrliche Sieg errungen wurde, der Süd¬
deutschland vor unsagbaren Elend bewahrte, daß damals die Krieger Badens
den Kern des kleinen Heeres bildeten, an dessen eherner Festigkeit die heran-
brandenden Wogen einer furchtbaren Übermacht zerschellten, das wird nie ver¬
gessen werden, so lange es eine deutsche Geschichte giebt.

Man hat in der letzten Zeit den Großherzog Friedrich von Baden oft
den guten Genius Deutschlands genannt. Mit Recht! Auch seine Verdienste
bei der Gründung des Reichs und bei dem innern Ausbau desselben werden
nie vergessen werden. Und was er gethan und gewirkt hat in diesem Jahre
der Trauer, um unser Vaterland vor jeder Erschütterung zu bewahren, das
steht noch lebendig in unser aller Geist und Herzen geschrieben. Nicht minderer
Preis gebührt seiner erlauchten Gemahlin, die an Schönheit, Geistesadel und
Hochherzigkeit ihrer unvergeßlichen Großmutter gleicht, deren Namen sie führt.
Nicht als ob sie, wie manche gekrönten Frauen des Auslandes, in die hohe
Politik hätte eingreifen wollen! Nein, ihre Wirksamkeit war immer die einer
deutschen Frau, einer deutschen Fürstin. Wo es galt, Schmerzen zu stillen,
Leiden zu lindern, da war sie stets auf dem Platze. Das deutsche Volk wird
ihr nie vergessen, was sie gethan hat, als ihr greiser Vater im Jahre 1377


Vie Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

des Landes. Wenige Wochen, nachdem er im eignen Namen die Negierung
übernommen hatte, vermählte er sich mit der preußischen Prinzessin Louise, der
Tochter des nachmaligen Kaisers Wilhelm. Trotz dieses engen Familienbundes
und trotz seiner persönlichen Hinneigung zu Preußen zwangen ihn der Druck
und die Drohungen Österreichs und der andern süddeutschen Staaten, 1866 an
dem Kriege gegen Preußen teilzunehmen. Nur höchst ungern befolgte er diese
Politik, deren Verderblichkeit für sein eignes Land und für ganz Deutschland
er klar durchschaute. Aber unter einem großen Teile der Bevölkerung Badens,
namentlich der katholischen, herrschte derselbe thörichte und blinde Preußenhaß,
der in fast ganz Süddeutschland alle gesunde Vernunft und ruhige Erwägung
unterdrückt hatte. In Baden hatte das Volk damals eine Art von Stoßgebet,
das für die Preußenangst, die in jener Zeit dem Preußenhasse das Gleichgewicht
hielt, höchst kennzeichnend ist, und das darum der Merkwürdigkeit wegen hier
angeführt werden mag:


Schwarz ist der Teufel, weiß ist der Tod,
Schwvrzweiß der Preuße — behüt' uns, Herrgottl

Aber die Wunden, die jener Krieg, an dem Baden überhaupt wenig Anteil
nahm, schlug, sind längst geheilt und vernarbt; einen Gebietsverlust .hat er
nicht gebracht, nur eine verhältnismüßig geringe Kriegskostenentschädigung mußte
geleistet werden. Alles das ist jetzt vergessen oder halb vergessen. Aber daß
in den Tagen vom 15. bis zum 17. Januar 1871, als unter der Führung
des Generals von Werber am Wasgensteine, in den deutschen Thermopylen,
inmitten von Eis und Schnee jener herrliche Sieg errungen wurde, der Süd¬
deutschland vor unsagbaren Elend bewahrte, daß damals die Krieger Badens
den Kern des kleinen Heeres bildeten, an dessen eherner Festigkeit die heran-
brandenden Wogen einer furchtbaren Übermacht zerschellten, das wird nie ver¬
gessen werden, so lange es eine deutsche Geschichte giebt.

Man hat in der letzten Zeit den Großherzog Friedrich von Baden oft
den guten Genius Deutschlands genannt. Mit Recht! Auch seine Verdienste
bei der Gründung des Reichs und bei dem innern Ausbau desselben werden
nie vergessen werden. Und was er gethan und gewirkt hat in diesem Jahre
der Trauer, um unser Vaterland vor jeder Erschütterung zu bewahren, das
steht noch lebendig in unser aller Geist und Herzen geschrieben. Nicht minderer
Preis gebührt seiner erlauchten Gemahlin, die an Schönheit, Geistesadel und
Hochherzigkeit ihrer unvergeßlichen Großmutter gleicht, deren Namen sie führt.
Nicht als ob sie, wie manche gekrönten Frauen des Auslandes, in die hohe
Politik hätte eingreifen wollen! Nein, ihre Wirksamkeit war immer die einer
deutschen Frau, einer deutschen Fürstin. Wo es galt, Schmerzen zu stillen,
Leiden zu lindern, da war sie stets auf dem Platze. Das deutsche Volk wird
ihr nie vergessen, was sie gethan hat, als ihr greiser Vater im Jahre 1377


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[0511] Vie Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands. des Landes. Wenige Wochen, nachdem er im eignen Namen die Negierung übernommen hatte, vermählte er sich mit der preußischen Prinzessin Louise, der Tochter des nachmaligen Kaisers Wilhelm. Trotz dieses engen Familienbundes und trotz seiner persönlichen Hinneigung zu Preußen zwangen ihn der Druck und die Drohungen Österreichs und der andern süddeutschen Staaten, 1866 an dem Kriege gegen Preußen teilzunehmen. Nur höchst ungern befolgte er diese Politik, deren Verderblichkeit für sein eignes Land und für ganz Deutschland er klar durchschaute. Aber unter einem großen Teile der Bevölkerung Badens, namentlich der katholischen, herrschte derselbe thörichte und blinde Preußenhaß, der in fast ganz Süddeutschland alle gesunde Vernunft und ruhige Erwägung unterdrückt hatte. In Baden hatte das Volk damals eine Art von Stoßgebet, das für die Preußenangst, die in jener Zeit dem Preußenhasse das Gleichgewicht hielt, höchst kennzeichnend ist, und das darum der Merkwürdigkeit wegen hier angeführt werden mag: Schwarz ist der Teufel, weiß ist der Tod, Schwvrzweiß der Preuße — behüt' uns, Herrgottl Aber die Wunden, die jener Krieg, an dem Baden überhaupt wenig Anteil nahm, schlug, sind längst geheilt und vernarbt; einen Gebietsverlust .hat er nicht gebracht, nur eine verhältnismüßig geringe Kriegskostenentschädigung mußte geleistet werden. Alles das ist jetzt vergessen oder halb vergessen. Aber daß in den Tagen vom 15. bis zum 17. Januar 1871, als unter der Führung des Generals von Werber am Wasgensteine, in den deutschen Thermopylen, inmitten von Eis und Schnee jener herrliche Sieg errungen wurde, der Süd¬ deutschland vor unsagbaren Elend bewahrte, daß damals die Krieger Badens den Kern des kleinen Heeres bildeten, an dessen eherner Festigkeit die heran- brandenden Wogen einer furchtbaren Übermacht zerschellten, das wird nie ver¬ gessen werden, so lange es eine deutsche Geschichte giebt. Man hat in der letzten Zeit den Großherzog Friedrich von Baden oft den guten Genius Deutschlands genannt. Mit Recht! Auch seine Verdienste bei der Gründung des Reichs und bei dem innern Ausbau desselben werden nie vergessen werden. Und was er gethan und gewirkt hat in diesem Jahre der Trauer, um unser Vaterland vor jeder Erschütterung zu bewahren, das steht noch lebendig in unser aller Geist und Herzen geschrieben. Nicht minderer Preis gebührt seiner erlauchten Gemahlin, die an Schönheit, Geistesadel und Hochherzigkeit ihrer unvergeßlichen Großmutter gleicht, deren Namen sie führt. Nicht als ob sie, wie manche gekrönten Frauen des Auslandes, in die hohe Politik hätte eingreifen wollen! Nein, ihre Wirksamkeit war immer die einer deutschen Frau, einer deutschen Fürstin. Wo es galt, Schmerzen zu stillen, Leiden zu lindern, da war sie stets auf dem Platze. Das deutsche Volk wird ihr nie vergessen, was sie gethan hat, als ihr greiser Vater im Jahre 1377

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/511>, abgerufen am 22.07.2024.