Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Die Gebietsentwicklung der Ginzelstaaten Deutschlands. regierte, war kinderlos. Mit ihm mußte die Nachkommenschaft des Markgrafen Damit hatte die Gebietsentwicklung dieses Herzogtums ihren Abschluß Daß diese bunt und zufällig zusammengewürfelten Gebiete, bei denen Seit 18S2 leitet der jetzige Großherzog Friedrich, der anfangs (bis 18S6) Die Gebietsentwicklung der Ginzelstaaten Deutschlands. regierte, war kinderlos. Mit ihm mußte die Nachkommenschaft des Markgrafen Damit hatte die Gebietsentwicklung dieses Herzogtums ihren Abschluß Daß diese bunt und zufällig zusammengewürfelten Gebiete, bei denen Seit 18S2 leitet der jetzige Großherzog Friedrich, der anfangs (bis 18S6) <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0510" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203945"/> <fw type="header" place="top"> Die Gebietsentwicklung der Ginzelstaaten Deutschlands.</fw><lb/> <p xml:id="ID_1303" prev="#ID_1302"> regierte, war kinderlos. Mit ihm mußte die Nachkommenschaft des Markgrafen<lb/> Karl Friedrich aus ebenbürtiger Ehe aussterben. Karl Friedrich war nun in<lb/> zweiter Ehe morganatisch mit Louise Karoline, Freiin Geyer von Geyersberg,<lb/> vermählt gewesen. Dieser war 1787 der Titel einer Gräfin von Hochberg<lb/> verliehen worden. Die Söhne aus dieser Ehe hießen anfangs ebenfalls Grafen<lb/> von Hochberg, später Markgrafen von Baden. Ihre Erbfolgefähigkeit war<lb/> im Jahre 1806 bei Stiftung des neuen Großherzogtums anerkannt worden,<lb/> wurde jedoch jetzt von Baiern bestritten. Der Streit, der mehrere Jahre dauerte,<lb/> wurde von beiden Seiten mit großer Bitterkeit geführt. Im Jahre 1818 führte<lb/> Großherzog Karl noch kurz vor seinem Tode die Verfassung ein, in welcher die<lb/> Unteilbarkeit des Landes ausgesprochen wurde. Im folgenden Jahre wurde<lb/> dann die Ebenbürtigkeit und damit die Erbberechtigung der sogenannten Hochberg-<lb/> schen Linie von allen Mächten anerkannt; Nußland, dessen Kaiser Alexander<lb/> mit einer Schwester des Großherzogs Karl vermählt war, hatte seine gewichtige<lb/> Stimme zu Gunsten des Bestandes des Gesamtstaates Baden geltend gemacht.<lb/> Die bairischen Ansprüche wurden abgewiesen, und Baiern erhielt, gewissermaßen<lb/> als Pflaster auf die Wunde, das früher wertheimsche Amt Steinfeld. Dafür<lb/> trat Österreich die Grafschaft Hohen - Geroldseck als Standesherrschaft an<lb/> Baden ab.</p><lb/> <p xml:id="ID_1304"> Damit hatte die Gebietsentwicklung dieses Herzogtums ihren Abschluß<lb/> gefunden. Man berechnet seine Größe auf 274 Quadratmeilen, seine Bevölkerung<lb/> jetzt auf mehr als 1,600,000 Einwohner. Diese gehören südlich von der Murg<lb/> dem allemannischen Stamme an; nördlich davon wohnen rheinfränkische<lb/> Pfälzer, und die Bewohner des östlichen Abhanges des Schwarzwaldes sind<lb/> Schwaben.</p><lb/> <p xml:id="ID_1305"> Daß diese bunt und zufällig zusammengewürfelten Gebiete, bei denen<lb/> weder von Stammeszusammengchörigkeit, noch von einer gemeinsamen Ge¬<lb/> schichte, noch altüberlieferter Anhänglichkeit an ein einheimisches Fürsten-<lb/> geschlecht die Rede sein konnte, nicht leicht zu einem organischen Staatsganzen<lb/> zusammenwuchsen, bedarf wohl nicht der Erwähnung. An diesem Mißverhältnisse<lb/> zwischen altererbtem Besitz und willkürlich damit vereinigten andern Landes¬<lb/> teilen lag es offenbar zum großen Teile mit, daß im Jahre 1848 fast das<lb/> ganze badische Heer in so schmachvoller Weise seinem Kriegsherrn den geleisteten<lb/> Treueid brach. In der Geschichte Deutschlands steht dieser Vorgang ganz<lb/> vereinzelt da, und alle sonst angeführten Gründe dafür, z. B. die unmittelbare<lb/> und beständige Berührung mit Frankreich und seinen verderblichen Einflüssen<lb/> sind für sich allein nicht genügend, einen so unerhörten Treubruch zu erklären.<lb/> Mit eiserner Hand stellte der „Prinz von Preußen" Ruhe, Zucht und Ordnung<lb/> in dem zerrütteten Lande wieder her.</p><lb/> <p xml:id="ID_1306" next="#ID_1307"> Seit 18S2 leitet der jetzige Großherzog Friedrich, der anfangs (bis 18S6)<lb/> als Pnnzregent seinen ältern, geisteskranken Bruder vertreten hatte, die Geschicke</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0510]
Die Gebietsentwicklung der Ginzelstaaten Deutschlands.
regierte, war kinderlos. Mit ihm mußte die Nachkommenschaft des Markgrafen
Karl Friedrich aus ebenbürtiger Ehe aussterben. Karl Friedrich war nun in
zweiter Ehe morganatisch mit Louise Karoline, Freiin Geyer von Geyersberg,
vermählt gewesen. Dieser war 1787 der Titel einer Gräfin von Hochberg
verliehen worden. Die Söhne aus dieser Ehe hießen anfangs ebenfalls Grafen
von Hochberg, später Markgrafen von Baden. Ihre Erbfolgefähigkeit war
im Jahre 1806 bei Stiftung des neuen Großherzogtums anerkannt worden,
wurde jedoch jetzt von Baiern bestritten. Der Streit, der mehrere Jahre dauerte,
wurde von beiden Seiten mit großer Bitterkeit geführt. Im Jahre 1818 führte
Großherzog Karl noch kurz vor seinem Tode die Verfassung ein, in welcher die
Unteilbarkeit des Landes ausgesprochen wurde. Im folgenden Jahre wurde
dann die Ebenbürtigkeit und damit die Erbberechtigung der sogenannten Hochberg-
schen Linie von allen Mächten anerkannt; Nußland, dessen Kaiser Alexander
mit einer Schwester des Großherzogs Karl vermählt war, hatte seine gewichtige
Stimme zu Gunsten des Bestandes des Gesamtstaates Baden geltend gemacht.
Die bairischen Ansprüche wurden abgewiesen, und Baiern erhielt, gewissermaßen
als Pflaster auf die Wunde, das früher wertheimsche Amt Steinfeld. Dafür
trat Österreich die Grafschaft Hohen - Geroldseck als Standesherrschaft an
Baden ab.
Damit hatte die Gebietsentwicklung dieses Herzogtums ihren Abschluß
gefunden. Man berechnet seine Größe auf 274 Quadratmeilen, seine Bevölkerung
jetzt auf mehr als 1,600,000 Einwohner. Diese gehören südlich von der Murg
dem allemannischen Stamme an; nördlich davon wohnen rheinfränkische
Pfälzer, und die Bewohner des östlichen Abhanges des Schwarzwaldes sind
Schwaben.
Daß diese bunt und zufällig zusammengewürfelten Gebiete, bei denen
weder von Stammeszusammengchörigkeit, noch von einer gemeinsamen Ge¬
schichte, noch altüberlieferter Anhänglichkeit an ein einheimisches Fürsten-
geschlecht die Rede sein konnte, nicht leicht zu einem organischen Staatsganzen
zusammenwuchsen, bedarf wohl nicht der Erwähnung. An diesem Mißverhältnisse
zwischen altererbtem Besitz und willkürlich damit vereinigten andern Landes¬
teilen lag es offenbar zum großen Teile mit, daß im Jahre 1848 fast das
ganze badische Heer in so schmachvoller Weise seinem Kriegsherrn den geleisteten
Treueid brach. In der Geschichte Deutschlands steht dieser Vorgang ganz
vereinzelt da, und alle sonst angeführten Gründe dafür, z. B. die unmittelbare
und beständige Berührung mit Frankreich und seinen verderblichen Einflüssen
sind für sich allein nicht genügend, einen so unerhörten Treubruch zu erklären.
Mit eiserner Hand stellte der „Prinz von Preußen" Ruhe, Zucht und Ordnung
in dem zerrütteten Lande wieder her.
Seit 18S2 leitet der jetzige Großherzog Friedrich, der anfangs (bis 18S6)
als Pnnzregent seinen ältern, geisteskranken Bruder vertreten hatte, die Geschicke
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