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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklnng der Linzelstaaten Deutschlands.

Städte Überlingen, Biberach, Pfullendorf, die Abteien Salmansweiler und Pe-
tershausen.

Gleich Baiern und Württemberg mußte auch das neue Kurfürstentum Pfalz-
Baden zu dem Kriege von 1805, der mit der Anschließung von Mack und
der Waffcnstrcckung von Ulm begann und mit Austerlitz endete, ein Hilfskorps
stellen, wenn auch kein bedeutendes, nur 3000 Mann. Den Gebietszuwachs,
den Napoleons Gnade für die geleisteten Dienste gewährte, berechnete man auf
41 Quadratmeilen, und das war gewiß ein reichlicher Lohn. Baden erhielt von
bisher österreichischen Gebieten den größern Teil des Breisgaues, jenes Landes
das vor Jahrhunderten der Stammbesitz der ältern Linie des Hauses Zäh¬
ringen gewesen war, und die Ortenau, die auch früher schon einmal badisch
gewesen war; dann die vormalige Deutsch-Ordens-Kommende Mairan im und
am Bodensee, jenes liebliche Stück Erde, auf dem Kaiser Wilhelm und seine
Familie so oft und so gern verweilten und verweilen, die freie Reichsstadt Kon¬
stanz, die Herrschaften Blumenfeld und Hagenau. Das Kurfürstentum hatte
damit einen Umfang von 155 Ouadratmeilen erreicht.

Am 12. Juli 1806 trat es dem Rheinbunde bei, und Karl Friedrich, der
den angebotenen Königstitel ablehnte, nannte sich fortan Großherzog, oder nach
der damals beliebten frcmzösirenden Orthographie "Grosherzog". Außer der
unbeschränkten Souveränität, d.h. unbeschränkt seinen Unterthanen, nicht etwa
Napoleon gegenüber, erhielt er eine wahrhaft kaiserliche Belohnung an Land
und Leuten. Die mediatisirten fürstlichen Hänser Fürstenberg, Löwenstein, Lei¬
ningen, die im Reichsdeputativnshauptschlusfe mit pfälzischen, mainzischen und Würz¬
burgischen Gcbietstcilen entschädigt worden waren,'die Fürsten von Salm-Neiffer-
scheid-Bcdburg, Schwarzenberg, Auersperg wurden entweder mit ihren ganzen
Besitzungen oder einem Teile derselben der Hoheit Badens unterworfen; ebenso
ging es sämtlichen Gebieten des zahlreichen Neichsadels in der Ortenau, im
Hcgau, im Kraichgau, im Odenwald u. s. w. Dazu kamen die Grafschaft Bon¬
dorf mit den eingeschlossenen Herrschaften Blumeneck und Heitersheim, die Städte
Tuttlingen, Villingen, Bräunlingen (dafür Biberach an Württemberg) und die
Deutsch-Ordens-Kommenden Beuggen und Freiburg. Diese Gebiete betrugen
zusammen reichlich 93 Quadratmeilen, und das neue Großherzogtum wuchs
damit auf fast 230 Quadratmeilen. Den hierfür zu entrichtenden Blutzoll be¬
zahlte das Land unmittelbar nachher im Kriege gegen Preußen.

Die Gebietsaustauschungen und Grenzberichtigungen, die in den folgenden
Jahren zwischen Baden, Württemberg und Hessen stattfanden, können hier nicht
alle einzeln erwähnt werden. Triberg und Villingen kamen dabei an Baden.
Im Jahre 1808 mußte das schon seit 1805 von den Franzosen als Brücken¬
kopf benutzte Kehl ganz an Frankreich abgetreten werden. Im Kriege von 1809
mußten die Söhne Badens wieder für den unersättlichen Ehrgeiz des Imperators
bluten; die Hekatomben, die jenem Manne geschlachtet wurden, der damals


Die Gebietsentwicklnng der Linzelstaaten Deutschlands.

Städte Überlingen, Biberach, Pfullendorf, die Abteien Salmansweiler und Pe-
tershausen.

Gleich Baiern und Württemberg mußte auch das neue Kurfürstentum Pfalz-
Baden zu dem Kriege von 1805, der mit der Anschließung von Mack und
der Waffcnstrcckung von Ulm begann und mit Austerlitz endete, ein Hilfskorps
stellen, wenn auch kein bedeutendes, nur 3000 Mann. Den Gebietszuwachs,
den Napoleons Gnade für die geleisteten Dienste gewährte, berechnete man auf
41 Quadratmeilen, und das war gewiß ein reichlicher Lohn. Baden erhielt von
bisher österreichischen Gebieten den größern Teil des Breisgaues, jenes Landes
das vor Jahrhunderten der Stammbesitz der ältern Linie des Hauses Zäh¬
ringen gewesen war, und die Ortenau, die auch früher schon einmal badisch
gewesen war; dann die vormalige Deutsch-Ordens-Kommende Mairan im und
am Bodensee, jenes liebliche Stück Erde, auf dem Kaiser Wilhelm und seine
Familie so oft und so gern verweilten und verweilen, die freie Reichsstadt Kon¬
stanz, die Herrschaften Blumenfeld und Hagenau. Das Kurfürstentum hatte
damit einen Umfang von 155 Ouadratmeilen erreicht.

Am 12. Juli 1806 trat es dem Rheinbunde bei, und Karl Friedrich, der
den angebotenen Königstitel ablehnte, nannte sich fortan Großherzog, oder nach
der damals beliebten frcmzösirenden Orthographie „Grosherzog". Außer der
unbeschränkten Souveränität, d.h. unbeschränkt seinen Unterthanen, nicht etwa
Napoleon gegenüber, erhielt er eine wahrhaft kaiserliche Belohnung an Land
und Leuten. Die mediatisirten fürstlichen Hänser Fürstenberg, Löwenstein, Lei¬
ningen, die im Reichsdeputativnshauptschlusfe mit pfälzischen, mainzischen und Würz¬
burgischen Gcbietstcilen entschädigt worden waren,'die Fürsten von Salm-Neiffer-
scheid-Bcdburg, Schwarzenberg, Auersperg wurden entweder mit ihren ganzen
Besitzungen oder einem Teile derselben der Hoheit Badens unterworfen; ebenso
ging es sämtlichen Gebieten des zahlreichen Neichsadels in der Ortenau, im
Hcgau, im Kraichgau, im Odenwald u. s. w. Dazu kamen die Grafschaft Bon¬
dorf mit den eingeschlossenen Herrschaften Blumeneck und Heitersheim, die Städte
Tuttlingen, Villingen, Bräunlingen (dafür Biberach an Württemberg) und die
Deutsch-Ordens-Kommenden Beuggen und Freiburg. Diese Gebiete betrugen
zusammen reichlich 93 Quadratmeilen, und das neue Großherzogtum wuchs
damit auf fast 230 Quadratmeilen. Den hierfür zu entrichtenden Blutzoll be¬
zahlte das Land unmittelbar nachher im Kriege gegen Preußen.

Die Gebietsaustauschungen und Grenzberichtigungen, die in den folgenden
Jahren zwischen Baden, Württemberg und Hessen stattfanden, können hier nicht
alle einzeln erwähnt werden. Triberg und Villingen kamen dabei an Baden.
Im Jahre 1808 mußte das schon seit 1805 von den Franzosen als Brücken¬
kopf benutzte Kehl ganz an Frankreich abgetreten werden. Im Kriege von 1809
mußten die Söhne Badens wieder für den unersättlichen Ehrgeiz des Imperators
bluten; die Hekatomben, die jenem Manne geschlachtet wurden, der damals


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[0508] Die Gebietsentwicklnng der Linzelstaaten Deutschlands. Städte Überlingen, Biberach, Pfullendorf, die Abteien Salmansweiler und Pe- tershausen. Gleich Baiern und Württemberg mußte auch das neue Kurfürstentum Pfalz- Baden zu dem Kriege von 1805, der mit der Anschließung von Mack und der Waffcnstrcckung von Ulm begann und mit Austerlitz endete, ein Hilfskorps stellen, wenn auch kein bedeutendes, nur 3000 Mann. Den Gebietszuwachs, den Napoleons Gnade für die geleisteten Dienste gewährte, berechnete man auf 41 Quadratmeilen, und das war gewiß ein reichlicher Lohn. Baden erhielt von bisher österreichischen Gebieten den größern Teil des Breisgaues, jenes Landes das vor Jahrhunderten der Stammbesitz der ältern Linie des Hauses Zäh¬ ringen gewesen war, und die Ortenau, die auch früher schon einmal badisch gewesen war; dann die vormalige Deutsch-Ordens-Kommende Mairan im und am Bodensee, jenes liebliche Stück Erde, auf dem Kaiser Wilhelm und seine Familie so oft und so gern verweilten und verweilen, die freie Reichsstadt Kon¬ stanz, die Herrschaften Blumenfeld und Hagenau. Das Kurfürstentum hatte damit einen Umfang von 155 Ouadratmeilen erreicht. Am 12. Juli 1806 trat es dem Rheinbunde bei, und Karl Friedrich, der den angebotenen Königstitel ablehnte, nannte sich fortan Großherzog, oder nach der damals beliebten frcmzösirenden Orthographie „Grosherzog". Außer der unbeschränkten Souveränität, d.h. unbeschränkt seinen Unterthanen, nicht etwa Napoleon gegenüber, erhielt er eine wahrhaft kaiserliche Belohnung an Land und Leuten. Die mediatisirten fürstlichen Hänser Fürstenberg, Löwenstein, Lei¬ ningen, die im Reichsdeputativnshauptschlusfe mit pfälzischen, mainzischen und Würz¬ burgischen Gcbietstcilen entschädigt worden waren,'die Fürsten von Salm-Neiffer- scheid-Bcdburg, Schwarzenberg, Auersperg wurden entweder mit ihren ganzen Besitzungen oder einem Teile derselben der Hoheit Badens unterworfen; ebenso ging es sämtlichen Gebieten des zahlreichen Neichsadels in der Ortenau, im Hcgau, im Kraichgau, im Odenwald u. s. w. Dazu kamen die Grafschaft Bon¬ dorf mit den eingeschlossenen Herrschaften Blumeneck und Heitersheim, die Städte Tuttlingen, Villingen, Bräunlingen (dafür Biberach an Württemberg) und die Deutsch-Ordens-Kommenden Beuggen und Freiburg. Diese Gebiete betrugen zusammen reichlich 93 Quadratmeilen, und das neue Großherzogtum wuchs damit auf fast 230 Quadratmeilen. Den hierfür zu entrichtenden Blutzoll be¬ zahlte das Land unmittelbar nachher im Kriege gegen Preußen. Die Gebietsaustauschungen und Grenzberichtigungen, die in den folgenden Jahren zwischen Baden, Württemberg und Hessen stattfanden, können hier nicht alle einzeln erwähnt werden. Triberg und Villingen kamen dabei an Baden. Im Jahre 1808 mußte das schon seit 1805 von den Franzosen als Brücken¬ kopf benutzte Kehl ganz an Frankreich abgetreten werden. Im Kriege von 1809 mußten die Söhne Badens wieder für den unersättlichen Ehrgeiz des Imperators bluten; die Hekatomben, die jenem Manne geschlachtet wurden, der damals

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/508>, abgerufen am 22.07.2024.