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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas.

Während sich diese Vorgänge im Westen der südafrikanischen Republik
abspielten, traten im Osten derselben Ereignisse ein, die leicht einen neuen Krieg
zwischen den Boers und den Engländern zur Folge haben konnten. Hier
stritten sich zunächst Häuptlinge von Betschuanenstämmen um die Würde des
Königs. Im Süden standen sich die Häuptlinge Gasibone und Mankorocmc,
im Norden Montsioa und Moschete gegenüber. Je einem der Häuptlinge in
den beiden Gebieten boten Scharen von Boers und englische Freibeuter ihre
Hilfe unter der Bedingung an, daß im Falle ihres Sieges Land und Vieh
des Unterlegnen ihnen als Lohn zugeteilt werden solle. Als dann die von
den Boers unterstützten Häuptlinge die Oberhand behielten, verteilten die Boers
das Land unter sich und errichteten im Gebiete der Batlapinen, an der Nord¬
grenze des Griqualandcs den Freistaat Stellaland und in dem der Varalongs
die Republik Gösen. Die englische Negierung weigerte sich, auf die Schutz¬
herrschaft gestützt, die sie über das Gebiet der Betschuanen beanspruchte, diese
neuen Staaten anzuerkennen, angeblich im Interesse der farbigen Bevölkerung,
in Wahrheit aber in dem der Kapkolonie, weil die große Straße von dieser
nach dem Innern Afrikas durch die beiden neuen Republiken führt. Die Boers
der südafrikanischen Republik fügten sich dem Anspruch in einem Vertrage, der am
27. Februar 1384 zu London abgeschlossen wurde. Darauf sandte die britische
Regierung'") einen gewissen Mackenzie nach dem Betschucmenlcmde, um dort Ordnung
zu schaffen. Dieser Beamte machte sich aber durch sein Auftreten und vorzüglich durch
Aufwiegeln der Farbigen und durch das ungebührliche Betragen des ihm unter¬
gebenen Polizeichefs Bethel bei den Boers so verhaßt, daß er abberufen werden
mußte. Die von, ihm hervorgerufene Aufregung dauerte indes fort, da eng-
lischerseits nichts'"geschah, die aufgesetzten Betschuanen zu beruhigen, und so
glaubte sich Krüger, der Präsident der südafrikanischen Republik, als Nachbar
und weil ausgewanderte Angehörige seines Staates gefährdet waren, verpflichtet,
einzuschreiten, zumal da auch die ursprünglichen Eigentümer Gosens, Montsioa
und Moschete seinen Beistand anriefen. In einer Proklamation vom 16. Sep¬
tember 1884 stellte er letztere und ihr Land unter den Schutz der Republik.
Die Engländer wollten darin einen Vertragsbruch sehen, die Regierung des
Transvaallandes dagegen wies auf Artikel 4 des Londoner Vertrags von 1884
hin, wonach ihr gestattet war, Verträge mit benachbarten Häuptlingen abzu¬
schließen, die gelten sollten, falls England nicht binnen sechs Monaten Ein¬
spruch dagegen erhöbe; als England aber erwiderte, der Artikel sei anders
aufzufassen, zog sie ihr Protektorat sofort zurück. Die britische Negierung
schickte endlich unter General Warrens Militär nach dem Betschuanenlande, um die



") Wir folgen hier und im Weiteren auszugsweise der inhaltreichen Schrift Klössels:
"Die südafrikanischen Republiken" (Leipzig, E. H, Mayer), die soeben erschienen ist, und auf
deren wertvolle Mitteilungen über die landwirtschaftlichen und kommerziellen Verhältnisse der
Boersstaaten wir später einige Blicke werfen wollen,
Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas.

Während sich diese Vorgänge im Westen der südafrikanischen Republik
abspielten, traten im Osten derselben Ereignisse ein, die leicht einen neuen Krieg
zwischen den Boers und den Engländern zur Folge haben konnten. Hier
stritten sich zunächst Häuptlinge von Betschuanenstämmen um die Würde des
Königs. Im Süden standen sich die Häuptlinge Gasibone und Mankorocmc,
im Norden Montsioa und Moschete gegenüber. Je einem der Häuptlinge in
den beiden Gebieten boten Scharen von Boers und englische Freibeuter ihre
Hilfe unter der Bedingung an, daß im Falle ihres Sieges Land und Vieh
des Unterlegnen ihnen als Lohn zugeteilt werden solle. Als dann die von
den Boers unterstützten Häuptlinge die Oberhand behielten, verteilten die Boers
das Land unter sich und errichteten im Gebiete der Batlapinen, an der Nord¬
grenze des Griqualandcs den Freistaat Stellaland und in dem der Varalongs
die Republik Gösen. Die englische Negierung weigerte sich, auf die Schutz¬
herrschaft gestützt, die sie über das Gebiet der Betschuanen beanspruchte, diese
neuen Staaten anzuerkennen, angeblich im Interesse der farbigen Bevölkerung,
in Wahrheit aber in dem der Kapkolonie, weil die große Straße von dieser
nach dem Innern Afrikas durch die beiden neuen Republiken führt. Die Boers
der südafrikanischen Republik fügten sich dem Anspruch in einem Vertrage, der am
27. Februar 1384 zu London abgeschlossen wurde. Darauf sandte die britische
Regierung'") einen gewissen Mackenzie nach dem Betschucmenlcmde, um dort Ordnung
zu schaffen. Dieser Beamte machte sich aber durch sein Auftreten und vorzüglich durch
Aufwiegeln der Farbigen und durch das ungebührliche Betragen des ihm unter¬
gebenen Polizeichefs Bethel bei den Boers so verhaßt, daß er abberufen werden
mußte. Die von, ihm hervorgerufene Aufregung dauerte indes fort, da eng-
lischerseits nichts'"geschah, die aufgesetzten Betschuanen zu beruhigen, und so
glaubte sich Krüger, der Präsident der südafrikanischen Republik, als Nachbar
und weil ausgewanderte Angehörige seines Staates gefährdet waren, verpflichtet,
einzuschreiten, zumal da auch die ursprünglichen Eigentümer Gosens, Montsioa
und Moschete seinen Beistand anriefen. In einer Proklamation vom 16. Sep¬
tember 1884 stellte er letztere und ihr Land unter den Schutz der Republik.
Die Engländer wollten darin einen Vertragsbruch sehen, die Regierung des
Transvaallandes dagegen wies auf Artikel 4 des Londoner Vertrags von 1884
hin, wonach ihr gestattet war, Verträge mit benachbarten Häuptlingen abzu¬
schließen, die gelten sollten, falls England nicht binnen sechs Monaten Ein¬
spruch dagegen erhöbe; als England aber erwiderte, der Artikel sei anders
aufzufassen, zog sie ihr Protektorat sofort zurück. Die britische Negierung
schickte endlich unter General Warrens Militär nach dem Betschuanenlande, um die



") Wir folgen hier und im Weiteren auszugsweise der inhaltreichen Schrift Klössels:
„Die südafrikanischen Republiken" (Leipzig, E. H, Mayer), die soeben erschienen ist, und auf
deren wertvolle Mitteilungen über die landwirtschaftlichen und kommerziellen Verhältnisse der
Boersstaaten wir später einige Blicke werfen wollen,
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[0492] Zur Geschichte der niederdeutschen Staaten Südafrikas. Während sich diese Vorgänge im Westen der südafrikanischen Republik abspielten, traten im Osten derselben Ereignisse ein, die leicht einen neuen Krieg zwischen den Boers und den Engländern zur Folge haben konnten. Hier stritten sich zunächst Häuptlinge von Betschuanenstämmen um die Würde des Königs. Im Süden standen sich die Häuptlinge Gasibone und Mankorocmc, im Norden Montsioa und Moschete gegenüber. Je einem der Häuptlinge in den beiden Gebieten boten Scharen von Boers und englische Freibeuter ihre Hilfe unter der Bedingung an, daß im Falle ihres Sieges Land und Vieh des Unterlegnen ihnen als Lohn zugeteilt werden solle. Als dann die von den Boers unterstützten Häuptlinge die Oberhand behielten, verteilten die Boers das Land unter sich und errichteten im Gebiete der Batlapinen, an der Nord¬ grenze des Griqualandcs den Freistaat Stellaland und in dem der Varalongs die Republik Gösen. Die englische Negierung weigerte sich, auf die Schutz¬ herrschaft gestützt, die sie über das Gebiet der Betschuanen beanspruchte, diese neuen Staaten anzuerkennen, angeblich im Interesse der farbigen Bevölkerung, in Wahrheit aber in dem der Kapkolonie, weil die große Straße von dieser nach dem Innern Afrikas durch die beiden neuen Republiken führt. Die Boers der südafrikanischen Republik fügten sich dem Anspruch in einem Vertrage, der am 27. Februar 1384 zu London abgeschlossen wurde. Darauf sandte die britische Regierung'") einen gewissen Mackenzie nach dem Betschucmenlcmde, um dort Ordnung zu schaffen. Dieser Beamte machte sich aber durch sein Auftreten und vorzüglich durch Aufwiegeln der Farbigen und durch das ungebührliche Betragen des ihm unter¬ gebenen Polizeichefs Bethel bei den Boers so verhaßt, daß er abberufen werden mußte. Die von, ihm hervorgerufene Aufregung dauerte indes fort, da eng- lischerseits nichts'"geschah, die aufgesetzten Betschuanen zu beruhigen, und so glaubte sich Krüger, der Präsident der südafrikanischen Republik, als Nachbar und weil ausgewanderte Angehörige seines Staates gefährdet waren, verpflichtet, einzuschreiten, zumal da auch die ursprünglichen Eigentümer Gosens, Montsioa und Moschete seinen Beistand anriefen. In einer Proklamation vom 16. Sep¬ tember 1884 stellte er letztere und ihr Land unter den Schutz der Republik. Die Engländer wollten darin einen Vertragsbruch sehen, die Regierung des Transvaallandes dagegen wies auf Artikel 4 des Londoner Vertrags von 1884 hin, wonach ihr gestattet war, Verträge mit benachbarten Häuptlingen abzu¬ schließen, die gelten sollten, falls England nicht binnen sechs Monaten Ein¬ spruch dagegen erhöbe; als England aber erwiderte, der Artikel sei anders aufzufassen, zog sie ihr Protektorat sofort zurück. Die britische Negierung schickte endlich unter General Warrens Militär nach dem Betschuanenlande, um die ") Wir folgen hier und im Weiteren auszugsweise der inhaltreichen Schrift Klössels: „Die südafrikanischen Republiken" (Leipzig, E. H, Mayer), die soeben erschienen ist, und auf deren wertvolle Mitteilungen über die landwirtschaftlichen und kommerziellen Verhältnisse der Boersstaaten wir später einige Blicke werfen wollen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/492>, abgerufen am 04.07.2024.