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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

die Orte Balingen und Bintigheim, die gefürstete Grafschaft Mömpelgard
(Montböliard), ein Teil der Stadt Sulz am Neckar, Hornberg, Wildberg,
Bulach, Blaubeuren, Heidenheim und einige andre Güter zu dem bisherigen
Besitze des Hauses hinzukamen.

Der letzte Graf und der erste Herzog von Württemberg ist jener Eberhard
"im Barte" (1480--1496), von dem es heißt, daß er sein Haupt ruhig jedem
seiner Unterthanen in den Schoß habe legen können. Zunächst vereinigte er
durch den Vertrag von Münsingen wieder alle Besitzungen seines Hauses; denn
seine Vorfahren hatten sich auch nicht ganz von dem Erbfehler der meisten
deutschen Dynastien, nämlich den ewigen Länderteilungen, ferngehalten. In diesem
Vertrage heißt es zwar: "Ganz Württemberg soll gleichsam in einen Körper
vereinigt bleiben, dessen ewige Unzertrennlichkeit bestätigt wird." Diese Bestim¬
mung hinderte aber keineswegs, daß später noch oft genug Teilungen des
Landes vorkamen, die hier nicht einzeln erwähnt werden sollen. Im Jahre 1495
verlieh Kaiser Maximilian I. dem "Grafen im Barte" auf dem Reichstage zu
Ulm die Würde eines Herzogs von Württemberg und Teck, eiuen Titel, den seine
Nachfolger bis zu ihrer Erhebung in den Kurfürstenstand im Jahre 1803
führten. Er nannte sich von da an Eberhard I.

Während der Zeit von etwas mehr als zweihundert Jahren, in der
Württemberg ein Herzogtum war, hat wohl kein deutsches Land mit seinen
Fürsten und zum großen Teile durch die Schuld seiner Fürsten mehr und schwerere
Leiden und Drangsale auszustehen gehabt als gerade dieses. Unter dem dritten
Herzog Ulrich wütete der Aufstand des "armen Konrad" mit seinen entsetzlichen
Greueln. Infolge einer Fehde mit der Stadt Neutlingen geriet der Herzog in einen
Krieg mit dem schwäbischen Bunde. Er wurde aus seinem Lande verjagt und
mußte sechzehn Jahre in der Verbannung leben; näheres hierüber ist aus Hauffs
"Lichtenstein" allbekannt. Das Land war jahrelang in österreichischem Besitze.
Nach seiner Wiedereinsetzung führte er die Reformation ein (1535). Seine
Teilnahme am schmalkaldischen Kriege brachte sein Gebiet zum zweitenmale in
die Hände der Kaiserlichen und ihn selbst in die Verbannung. Nach seinem
Tode folgte, namentlich unter seinem Sohne Christoph, eine Zeit verhältnis¬
mäßiger Ruhe und Wohlfahrt. Schreckliche Plagen und Verwüstungen aber
brachte der dreißigjährige Krieg. Herzog Eberhard III. schloß sich den Schweden
an, um deren Schutz für sein Land zu erlangen, darauf dem Bündnisse "der
obern vier Reichskreise." Er kämpfte mit in der für die Protestanten unglück¬
lichen Schlacht bei Nördlingen, deren Verlust ihn zwang, nach Straßburg in
die Verbannung zu flüchten. Zum drittenmale wurde das ganze Land vom
Feinde weggenommen, und der Kaiser riß viele Orte und Ämter davon ab,
um seine Kriegsobersten zu belohnen. Erst nach vier Jahren konnte der Herzog
zurückkehren, und erst im westfälischen Frieden erlangte er sein ganzes Gebiet
wieder und erhielt die kaiserliche Belehnung.


Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

die Orte Balingen und Bintigheim, die gefürstete Grafschaft Mömpelgard
(Montböliard), ein Teil der Stadt Sulz am Neckar, Hornberg, Wildberg,
Bulach, Blaubeuren, Heidenheim und einige andre Güter zu dem bisherigen
Besitze des Hauses hinzukamen.

Der letzte Graf und der erste Herzog von Württemberg ist jener Eberhard
„im Barte" (1480—1496), von dem es heißt, daß er sein Haupt ruhig jedem
seiner Unterthanen in den Schoß habe legen können. Zunächst vereinigte er
durch den Vertrag von Münsingen wieder alle Besitzungen seines Hauses; denn
seine Vorfahren hatten sich auch nicht ganz von dem Erbfehler der meisten
deutschen Dynastien, nämlich den ewigen Länderteilungen, ferngehalten. In diesem
Vertrage heißt es zwar: „Ganz Württemberg soll gleichsam in einen Körper
vereinigt bleiben, dessen ewige Unzertrennlichkeit bestätigt wird." Diese Bestim¬
mung hinderte aber keineswegs, daß später noch oft genug Teilungen des
Landes vorkamen, die hier nicht einzeln erwähnt werden sollen. Im Jahre 1495
verlieh Kaiser Maximilian I. dem „Grafen im Barte" auf dem Reichstage zu
Ulm die Würde eines Herzogs von Württemberg und Teck, eiuen Titel, den seine
Nachfolger bis zu ihrer Erhebung in den Kurfürstenstand im Jahre 1803
führten. Er nannte sich von da an Eberhard I.

Während der Zeit von etwas mehr als zweihundert Jahren, in der
Württemberg ein Herzogtum war, hat wohl kein deutsches Land mit seinen
Fürsten und zum großen Teile durch die Schuld seiner Fürsten mehr und schwerere
Leiden und Drangsale auszustehen gehabt als gerade dieses. Unter dem dritten
Herzog Ulrich wütete der Aufstand des „armen Konrad" mit seinen entsetzlichen
Greueln. Infolge einer Fehde mit der Stadt Neutlingen geriet der Herzog in einen
Krieg mit dem schwäbischen Bunde. Er wurde aus seinem Lande verjagt und
mußte sechzehn Jahre in der Verbannung leben; näheres hierüber ist aus Hauffs
„Lichtenstein" allbekannt. Das Land war jahrelang in österreichischem Besitze.
Nach seiner Wiedereinsetzung führte er die Reformation ein (1535). Seine
Teilnahme am schmalkaldischen Kriege brachte sein Gebiet zum zweitenmale in
die Hände der Kaiserlichen und ihn selbst in die Verbannung. Nach seinem
Tode folgte, namentlich unter seinem Sohne Christoph, eine Zeit verhältnis¬
mäßiger Ruhe und Wohlfahrt. Schreckliche Plagen und Verwüstungen aber
brachte der dreißigjährige Krieg. Herzog Eberhard III. schloß sich den Schweden
an, um deren Schutz für sein Land zu erlangen, darauf dem Bündnisse „der
obern vier Reichskreise." Er kämpfte mit in der für die Protestanten unglück¬
lichen Schlacht bei Nördlingen, deren Verlust ihn zwang, nach Straßburg in
die Verbannung zu flüchten. Zum drittenmale wurde das ganze Land vom
Feinde weggenommen, und der Kaiser riß viele Orte und Ämter davon ab,
um seine Kriegsobersten zu belohnen. Erst nach vier Jahren konnte der Herzog
zurückkehren, und erst im westfälischen Frieden erlangte er sein ganzes Gebiet
wieder und erhielt die kaiserliche Belehnung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/410>, abgerufen am 22.07.2024.