Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

Denn der größte Teil der Deutschen schwäbischen Stammes gehört wirlich zum
Königreiche Württemberg. Das ist aber auch alles, und das ist schließlich nicht
viel; denn eine ganze Menge von Schwaben gehören doch auch zu andern
deutschen Staaten, nämlich etwa 500 000 zu Baiern, etwa 150 000 zu Baden
und nahezu 70 000 in den Fürstentümern Hohenzollern zu Preußen. Außerdem
ist die Bevölkerung Württembergs durchaus nicht rein schwäbisch; im Süden
des Landes wohnen Allemannen, im Nordosten Franken.

Man ist aber vielfach weiter gegangen, namentlich zu den Zeiten des Rhein¬
bundes und des deutschen Bundes. Da hielten es angeblich patriotisch, in
Wahrheit partikularistisch gesinnte Schriftsteller, welche die sogenannte vater¬
ländische, richtiger einseitig-württembergische Geschichte darstellten, für ihre Pflicht,
diese mit der Entstehung des alten Herzogtums Schwaben zu beginnen. Ihr
Staat war eigentlich dieses wiedergeborne Herzogtum, seiue Fürsten die unbe¬
strittenen Rechtsnachfolger der alten Schwabenherzöge, namentlich der Hohen-
staufen. Die Landesfarben, Schwarz und Rot, waren die alten Farben Schwabens
und der Hohenstaufen. Dieses erlauchte Kaisergeschlecht hatte den goldenen
Reichsadler eingefügt, und die Neichsfarben, Schwarz-Rot-Gold, waren fertig. Diese
Farben, die längst jeden Sinn und jede Bedeutung (eine geschichtlich begründete
haben sie überhaupt nie besessen) verloren haben, und die das letztemal, wo sie
eine politische Rolle spielten, das gemeinsame Abzeichen der Feinde Preußens
und Neudeutschlands waren, galten längere Zeit als das Sinnbild von Gesamt-
Deutschland, als das Panier, um das sich eigentlich alle Patrioten hätten
scharen sollen. Da es aber im Grunde die Farben Württembergs waren, so
bildete dieses Land gewissermaßen den Kern des Vaterlandes, und seine Be¬
wohner waren die echtesten Deutschen, die Germanen schlechthin.

So weit bei einer solchen Darstellung der Partiknlargeschichte dieses süd¬
deutschen Staates nicht tendenziöse Mache, ja geradezu Geschichtsfälschnng im
Spiele war, war es eine harmlose Fabelei, erfunden aä umMöin Lusvorum ^loriiinr.
Denn in Wahrheit ist gerade die Geschichte des Landes Württemberg in einem so
ausgesprochnen und ausschließlichen Maße die Geschichte seiner Dynastie, wie
das bei keinem andern Staate Deutschlands der Fall ist. Der wirkliche Zu¬
sammenhang dieser Geschichte mit der des Herzogtums Schwaben und seiner
Herrscher besteht in nichts weiter, als daß die Stammgüter des Hauses Württem¬
berg in Schwaben lagen, und daß die Schwabenherzöge die Landesherren dieses
alten Adelsgeschlechtes waren.

Daß eine Grafschaft dieses Namens bereits dnrch Chlodwig, den Merowinger,
begründet worden sei, ist nichts als eine Sage, die nur dazu dienen sollte, das Alter
und somit Glanz und Ruhm des Geschlechtes zu erhöhen. Daß Kaiser Heinrich IV.
dem "freien Herrn" Konrad von Wirtineberg um das Jahr 1190 die Grafeu-
würde verliehen habe, ist wenigstens nicht unzweifelhaft nachgewiesen. Ein gut¬
beglaubigter Bericht, daß ein andrer Konrad um 1120 erst auf dem Rodenberg


Denn der größte Teil der Deutschen schwäbischen Stammes gehört wirlich zum
Königreiche Württemberg. Das ist aber auch alles, und das ist schließlich nicht
viel; denn eine ganze Menge von Schwaben gehören doch auch zu andern
deutschen Staaten, nämlich etwa 500 000 zu Baiern, etwa 150 000 zu Baden
und nahezu 70 000 in den Fürstentümern Hohenzollern zu Preußen. Außerdem
ist die Bevölkerung Württembergs durchaus nicht rein schwäbisch; im Süden
des Landes wohnen Allemannen, im Nordosten Franken.

Man ist aber vielfach weiter gegangen, namentlich zu den Zeiten des Rhein¬
bundes und des deutschen Bundes. Da hielten es angeblich patriotisch, in
Wahrheit partikularistisch gesinnte Schriftsteller, welche die sogenannte vater¬
ländische, richtiger einseitig-württembergische Geschichte darstellten, für ihre Pflicht,
diese mit der Entstehung des alten Herzogtums Schwaben zu beginnen. Ihr
Staat war eigentlich dieses wiedergeborne Herzogtum, seiue Fürsten die unbe¬
strittenen Rechtsnachfolger der alten Schwabenherzöge, namentlich der Hohen-
staufen. Die Landesfarben, Schwarz und Rot, waren die alten Farben Schwabens
und der Hohenstaufen. Dieses erlauchte Kaisergeschlecht hatte den goldenen
Reichsadler eingefügt, und die Neichsfarben, Schwarz-Rot-Gold, waren fertig. Diese
Farben, die längst jeden Sinn und jede Bedeutung (eine geschichtlich begründete
haben sie überhaupt nie besessen) verloren haben, und die das letztemal, wo sie
eine politische Rolle spielten, das gemeinsame Abzeichen der Feinde Preußens
und Neudeutschlands waren, galten längere Zeit als das Sinnbild von Gesamt-
Deutschland, als das Panier, um das sich eigentlich alle Patrioten hätten
scharen sollen. Da es aber im Grunde die Farben Württembergs waren, so
bildete dieses Land gewissermaßen den Kern des Vaterlandes, und seine Be¬
wohner waren die echtesten Deutschen, die Germanen schlechthin.

So weit bei einer solchen Darstellung der Partiknlargeschichte dieses süd¬
deutschen Staates nicht tendenziöse Mache, ja geradezu Geschichtsfälschnng im
Spiele war, war es eine harmlose Fabelei, erfunden aä umMöin Lusvorum ^loriiinr.
Denn in Wahrheit ist gerade die Geschichte des Landes Württemberg in einem so
ausgesprochnen und ausschließlichen Maße die Geschichte seiner Dynastie, wie
das bei keinem andern Staate Deutschlands der Fall ist. Der wirkliche Zu¬
sammenhang dieser Geschichte mit der des Herzogtums Schwaben und seiner
Herrscher besteht in nichts weiter, als daß die Stammgüter des Hauses Württem¬
berg in Schwaben lagen, und daß die Schwabenherzöge die Landesherren dieses
alten Adelsgeschlechtes waren.

Daß eine Grafschaft dieses Namens bereits dnrch Chlodwig, den Merowinger,
begründet worden sei, ist nichts als eine Sage, die nur dazu dienen sollte, das Alter
und somit Glanz und Ruhm des Geschlechtes zu erhöhen. Daß Kaiser Heinrich IV.
dem „freien Herrn" Konrad von Wirtineberg um das Jahr 1190 die Grafeu-
würde verliehen habe, ist wenigstens nicht unzweifelhaft nachgewiesen. Ein gut¬
beglaubigter Bericht, daß ein andrer Konrad um 1120 erst auf dem Rodenberg


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0408" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203843"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_1032" prev="#ID_1031"> Denn der größte Teil der Deutschen schwäbischen Stammes gehört wirlich zum<lb/>
Königreiche Württemberg. Das ist aber auch alles, und das ist schließlich nicht<lb/>
viel; denn eine ganze Menge von Schwaben gehören doch auch zu andern<lb/>
deutschen Staaten, nämlich etwa 500 000 zu Baiern, etwa 150 000 zu Baden<lb/>
und nahezu 70 000 in den Fürstentümern Hohenzollern zu Preußen. Außerdem<lb/>
ist die Bevölkerung Württembergs durchaus nicht rein schwäbisch; im Süden<lb/>
des Landes wohnen Allemannen, im Nordosten Franken.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1033"> Man ist aber vielfach weiter gegangen, namentlich zu den Zeiten des Rhein¬<lb/>
bundes und des deutschen Bundes. Da hielten es angeblich patriotisch, in<lb/>
Wahrheit partikularistisch gesinnte Schriftsteller, welche die sogenannte vater¬<lb/>
ländische, richtiger einseitig-württembergische Geschichte darstellten, für ihre Pflicht,<lb/>
diese mit der Entstehung des alten Herzogtums Schwaben zu beginnen. Ihr<lb/>
Staat war eigentlich dieses wiedergeborne Herzogtum, seiue Fürsten die unbe¬<lb/>
strittenen Rechtsnachfolger der alten Schwabenherzöge, namentlich der Hohen-<lb/>
staufen. Die Landesfarben, Schwarz und Rot, waren die alten Farben Schwabens<lb/>
und der Hohenstaufen. Dieses erlauchte Kaisergeschlecht hatte den goldenen<lb/>
Reichsadler eingefügt, und die Neichsfarben, Schwarz-Rot-Gold, waren fertig. Diese<lb/>
Farben, die längst jeden Sinn und jede Bedeutung (eine geschichtlich begründete<lb/>
haben sie überhaupt nie besessen) verloren haben, und die das letztemal, wo sie<lb/>
eine politische Rolle spielten, das gemeinsame Abzeichen der Feinde Preußens<lb/>
und Neudeutschlands waren, galten längere Zeit als das Sinnbild von Gesamt-<lb/>
Deutschland, als das Panier, um das sich eigentlich alle Patrioten hätten<lb/>
scharen sollen. Da es aber im Grunde die Farben Württembergs waren, so<lb/>
bildete dieses Land gewissermaßen den Kern des Vaterlandes, und seine Be¬<lb/>
wohner waren die echtesten Deutschen, die Germanen schlechthin.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1034"> So weit bei einer solchen Darstellung der Partiknlargeschichte dieses süd¬<lb/>
deutschen Staates nicht tendenziöse Mache, ja geradezu Geschichtsfälschnng im<lb/>
Spiele war, war es eine harmlose Fabelei, erfunden aä umMöin Lusvorum ^loriiinr.<lb/>
Denn in Wahrheit ist gerade die Geschichte des Landes Württemberg in einem so<lb/>
ausgesprochnen und ausschließlichen Maße die Geschichte seiner Dynastie, wie<lb/>
das bei keinem andern Staate Deutschlands der Fall ist. Der wirkliche Zu¬<lb/>
sammenhang dieser Geschichte mit der des Herzogtums Schwaben und seiner<lb/>
Herrscher besteht in nichts weiter, als daß die Stammgüter des Hauses Württem¬<lb/>
berg in Schwaben lagen, und daß die Schwabenherzöge die Landesherren dieses<lb/>
alten Adelsgeschlechtes waren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1035" next="#ID_1036"> Daß eine Grafschaft dieses Namens bereits dnrch Chlodwig, den Merowinger,<lb/>
begründet worden sei, ist nichts als eine Sage, die nur dazu dienen sollte, das Alter<lb/>
und somit Glanz und Ruhm des Geschlechtes zu erhöhen. Daß Kaiser Heinrich IV.<lb/>
dem &#x201E;freien Herrn" Konrad von Wirtineberg um das Jahr 1190 die Grafeu-<lb/>
würde verliehen habe, ist wenigstens nicht unzweifelhaft nachgewiesen. Ein gut¬<lb/>
beglaubigter Bericht, daß ein andrer Konrad um 1120 erst auf dem Rodenberg</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0408] Denn der größte Teil der Deutschen schwäbischen Stammes gehört wirlich zum Königreiche Württemberg. Das ist aber auch alles, und das ist schließlich nicht viel; denn eine ganze Menge von Schwaben gehören doch auch zu andern deutschen Staaten, nämlich etwa 500 000 zu Baiern, etwa 150 000 zu Baden und nahezu 70 000 in den Fürstentümern Hohenzollern zu Preußen. Außerdem ist die Bevölkerung Württembergs durchaus nicht rein schwäbisch; im Süden des Landes wohnen Allemannen, im Nordosten Franken. Man ist aber vielfach weiter gegangen, namentlich zu den Zeiten des Rhein¬ bundes und des deutschen Bundes. Da hielten es angeblich patriotisch, in Wahrheit partikularistisch gesinnte Schriftsteller, welche die sogenannte vater¬ ländische, richtiger einseitig-württembergische Geschichte darstellten, für ihre Pflicht, diese mit der Entstehung des alten Herzogtums Schwaben zu beginnen. Ihr Staat war eigentlich dieses wiedergeborne Herzogtum, seiue Fürsten die unbe¬ strittenen Rechtsnachfolger der alten Schwabenherzöge, namentlich der Hohen- staufen. Die Landesfarben, Schwarz und Rot, waren die alten Farben Schwabens und der Hohenstaufen. Dieses erlauchte Kaisergeschlecht hatte den goldenen Reichsadler eingefügt, und die Neichsfarben, Schwarz-Rot-Gold, waren fertig. Diese Farben, die längst jeden Sinn und jede Bedeutung (eine geschichtlich begründete haben sie überhaupt nie besessen) verloren haben, und die das letztemal, wo sie eine politische Rolle spielten, das gemeinsame Abzeichen der Feinde Preußens und Neudeutschlands waren, galten längere Zeit als das Sinnbild von Gesamt- Deutschland, als das Panier, um das sich eigentlich alle Patrioten hätten scharen sollen. Da es aber im Grunde die Farben Württembergs waren, so bildete dieses Land gewissermaßen den Kern des Vaterlandes, und seine Be¬ wohner waren die echtesten Deutschen, die Germanen schlechthin. So weit bei einer solchen Darstellung der Partiknlargeschichte dieses süd¬ deutschen Staates nicht tendenziöse Mache, ja geradezu Geschichtsfälschnng im Spiele war, war es eine harmlose Fabelei, erfunden aä umMöin Lusvorum ^loriiinr. Denn in Wahrheit ist gerade die Geschichte des Landes Württemberg in einem so ausgesprochnen und ausschließlichen Maße die Geschichte seiner Dynastie, wie das bei keinem andern Staate Deutschlands der Fall ist. Der wirkliche Zu¬ sammenhang dieser Geschichte mit der des Herzogtums Schwaben und seiner Herrscher besteht in nichts weiter, als daß die Stammgüter des Hauses Württem¬ berg in Schwaben lagen, und daß die Schwabenherzöge die Landesherren dieses alten Adelsgeschlechtes waren. Daß eine Grafschaft dieses Namens bereits dnrch Chlodwig, den Merowinger, begründet worden sei, ist nichts als eine Sage, die nur dazu dienen sollte, das Alter und somit Glanz und Ruhm des Geschlechtes zu erhöhen. Daß Kaiser Heinrich IV. dem „freien Herrn" Konrad von Wirtineberg um das Jahr 1190 die Grafeu- würde verliehen habe, ist wenigstens nicht unzweifelhaft nachgewiesen. Ein gut¬ beglaubigter Bericht, daß ein andrer Konrad um 1120 erst auf dem Rodenberg

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/408
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/408>, abgerufen am 22.07.2024.