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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Der Zollanschlnß Hamburgs und Bremens.

daß nach und nach alle deutschen Staaten, soweit sie nicht Provinzen auswär¬
tiger, Deutschlands Interessen fremder Staatskörper seien, dem preußischen Zoll¬
system beitreten würden. An dieser nationalen Richtung seiner Handelspolitik
hat Preußen unerschütterlich festgehalten, nachdem es sich einmal entschlossen
hatte, das gesamte Deutschland mit Ausschluß Österreichs durch das unzer¬
trennliche Band wirtschaftlicher Interessen unter seiner Führung für immer zu
vereinen und so die Befreiung von der Herrschaft des Hauses Habsburg vor¬
zubereiten. Gleichwohl hat die preußische Negierung die eigentümlichen Ver¬
hältnisse, die zur Zeit des deutschen Bundes, und so lange der Handel und
seine Beschränkung zu den ersten Befugnissen deutscher Souveränität gehörten,
die Sonderstellung der Hanseaten bedingten, allezeit unbefangen gewürdigt. Mochte
immerhin die Listsche Schule die Hansestädte als "Filialen Englands", als
"Nationalskandal" schmähen, und das "Manuskript aus Süddeutschland" sie
deutsche Barbarcsken nennen, deren Interessen auf Plünderung des übrigen
Deutschlands, auf Vernichtung ihrer Industrie gerichtet seien, in Berlin wußte
man immer sehr wohl, wieviel Deutschlands Volkswirtschaft dem rührigen Handels¬
geiste des hanseatischen Bürgertums zu denken habe. In jener Denkschrift hatte
von Motz ausdrücklich erklärt, daß die Hansestädte erst ganz zuletzt, nachdem
die süd- und mitteldeutschen Staaten und Mecklenburg und darauf auch die
Küstenstaaten, also Hannover-Braunschweig und Oldenburg, dem preußischen Han¬
delssystem beigetreten wären, dem nationalen Marktgebiete sich anschließen könnten.

So war gewissermaßen zwischen den freieren patriotischen Geistern in den
Hansestädten und den Urhebern des preußisch-deutschen Zollvereins ein stiller
Vertrag geschlossen, ein fester endgiltiger Termin für den Anschluß derselben
in Aussicht genommen. Freilich schien gerade damit die wirkliche Ausführung
dieses Anschlusses in beinahe unabsehbare Zukunft hinausgeschoben. Fast ein
volles halbes Jahrhundert hat Preußen, nachdem es die Nation wieder wehr¬
haft und ehrhaft gemacht, dazu gebraucht, in hartem Kampfe die wirtschaftliche
Einheit des Vaterlandes zu gründen. Auch nachdem der hannöverisch-olden¬
burgische Steuerverein sich am 1. Januar 1854 dem Zollverein angeschlossen
hatte, blieben außer den Hansestädten selbst noch immer die beiden Mecklenburg
und das dänische Holstein und Lauenburg außerhalb der gemeinsamen Zoll¬
linien. Noch immer konnten sich die Gegner und die Freunde des Zoll¬
anschlusses in den Hansestädten darauf berufen, daß die für ihn stipulirten Be¬
dingungen noch immer nicht erfüllt seien.

Da kam der Krieg von 1866. Das Gottesgericht auf den böhmischen
Schlachtfeldern brachte uns statt jenes ungeheuerlichen Bundes, der sich den
deutschen nannte und zu Zeiten dennoch vier fremde Reiche umfaßte, den Nord¬
deutschen Bund als nationale Einigung unter Preußens politischer und mili¬
tärischer Führung. Die Elbherzogtümer, die seit jenem 3. März 1460, wo
die Landräte Schleswig-Holsteins den Dänenkönig Christian I. zum Herzoge


Der Zollanschlnß Hamburgs und Bremens.

daß nach und nach alle deutschen Staaten, soweit sie nicht Provinzen auswär¬
tiger, Deutschlands Interessen fremder Staatskörper seien, dem preußischen Zoll¬
system beitreten würden. An dieser nationalen Richtung seiner Handelspolitik
hat Preußen unerschütterlich festgehalten, nachdem es sich einmal entschlossen
hatte, das gesamte Deutschland mit Ausschluß Österreichs durch das unzer¬
trennliche Band wirtschaftlicher Interessen unter seiner Führung für immer zu
vereinen und so die Befreiung von der Herrschaft des Hauses Habsburg vor¬
zubereiten. Gleichwohl hat die preußische Negierung die eigentümlichen Ver¬
hältnisse, die zur Zeit des deutschen Bundes, und so lange der Handel und
seine Beschränkung zu den ersten Befugnissen deutscher Souveränität gehörten,
die Sonderstellung der Hanseaten bedingten, allezeit unbefangen gewürdigt. Mochte
immerhin die Listsche Schule die Hansestädte als „Filialen Englands", als
„Nationalskandal" schmähen, und das „Manuskript aus Süddeutschland" sie
deutsche Barbarcsken nennen, deren Interessen auf Plünderung des übrigen
Deutschlands, auf Vernichtung ihrer Industrie gerichtet seien, in Berlin wußte
man immer sehr wohl, wieviel Deutschlands Volkswirtschaft dem rührigen Handels¬
geiste des hanseatischen Bürgertums zu denken habe. In jener Denkschrift hatte
von Motz ausdrücklich erklärt, daß die Hansestädte erst ganz zuletzt, nachdem
die süd- und mitteldeutschen Staaten und Mecklenburg und darauf auch die
Küstenstaaten, also Hannover-Braunschweig und Oldenburg, dem preußischen Han¬
delssystem beigetreten wären, dem nationalen Marktgebiete sich anschließen könnten.

So war gewissermaßen zwischen den freieren patriotischen Geistern in den
Hansestädten und den Urhebern des preußisch-deutschen Zollvereins ein stiller
Vertrag geschlossen, ein fester endgiltiger Termin für den Anschluß derselben
in Aussicht genommen. Freilich schien gerade damit die wirkliche Ausführung
dieses Anschlusses in beinahe unabsehbare Zukunft hinausgeschoben. Fast ein
volles halbes Jahrhundert hat Preußen, nachdem es die Nation wieder wehr¬
haft und ehrhaft gemacht, dazu gebraucht, in hartem Kampfe die wirtschaftliche
Einheit des Vaterlandes zu gründen. Auch nachdem der hannöverisch-olden¬
burgische Steuerverein sich am 1. Januar 1854 dem Zollverein angeschlossen
hatte, blieben außer den Hansestädten selbst noch immer die beiden Mecklenburg
und das dänische Holstein und Lauenburg außerhalb der gemeinsamen Zoll¬
linien. Noch immer konnten sich die Gegner und die Freunde des Zoll¬
anschlusses in den Hansestädten darauf berufen, daß die für ihn stipulirten Be¬
dingungen noch immer nicht erfüllt seien.

Da kam der Krieg von 1866. Das Gottesgericht auf den böhmischen
Schlachtfeldern brachte uns statt jenes ungeheuerlichen Bundes, der sich den
deutschen nannte und zu Zeiten dennoch vier fremde Reiche umfaßte, den Nord¬
deutschen Bund als nationale Einigung unter Preußens politischer und mili¬
tärischer Führung. Die Elbherzogtümer, die seit jenem 3. März 1460, wo
die Landräte Schleswig-Holsteins den Dänenkönig Christian I. zum Herzoge


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[0398] Der Zollanschlnß Hamburgs und Bremens. daß nach und nach alle deutschen Staaten, soweit sie nicht Provinzen auswär¬ tiger, Deutschlands Interessen fremder Staatskörper seien, dem preußischen Zoll¬ system beitreten würden. An dieser nationalen Richtung seiner Handelspolitik hat Preußen unerschütterlich festgehalten, nachdem es sich einmal entschlossen hatte, das gesamte Deutschland mit Ausschluß Österreichs durch das unzer¬ trennliche Band wirtschaftlicher Interessen unter seiner Führung für immer zu vereinen und so die Befreiung von der Herrschaft des Hauses Habsburg vor¬ zubereiten. Gleichwohl hat die preußische Negierung die eigentümlichen Ver¬ hältnisse, die zur Zeit des deutschen Bundes, und so lange der Handel und seine Beschränkung zu den ersten Befugnissen deutscher Souveränität gehörten, die Sonderstellung der Hanseaten bedingten, allezeit unbefangen gewürdigt. Mochte immerhin die Listsche Schule die Hansestädte als „Filialen Englands", als „Nationalskandal" schmähen, und das „Manuskript aus Süddeutschland" sie deutsche Barbarcsken nennen, deren Interessen auf Plünderung des übrigen Deutschlands, auf Vernichtung ihrer Industrie gerichtet seien, in Berlin wußte man immer sehr wohl, wieviel Deutschlands Volkswirtschaft dem rührigen Handels¬ geiste des hanseatischen Bürgertums zu denken habe. In jener Denkschrift hatte von Motz ausdrücklich erklärt, daß die Hansestädte erst ganz zuletzt, nachdem die süd- und mitteldeutschen Staaten und Mecklenburg und darauf auch die Küstenstaaten, also Hannover-Braunschweig und Oldenburg, dem preußischen Han¬ delssystem beigetreten wären, dem nationalen Marktgebiete sich anschließen könnten. So war gewissermaßen zwischen den freieren patriotischen Geistern in den Hansestädten und den Urhebern des preußisch-deutschen Zollvereins ein stiller Vertrag geschlossen, ein fester endgiltiger Termin für den Anschluß derselben in Aussicht genommen. Freilich schien gerade damit die wirkliche Ausführung dieses Anschlusses in beinahe unabsehbare Zukunft hinausgeschoben. Fast ein volles halbes Jahrhundert hat Preußen, nachdem es die Nation wieder wehr¬ haft und ehrhaft gemacht, dazu gebraucht, in hartem Kampfe die wirtschaftliche Einheit des Vaterlandes zu gründen. Auch nachdem der hannöverisch-olden¬ burgische Steuerverein sich am 1. Januar 1854 dem Zollverein angeschlossen hatte, blieben außer den Hansestädten selbst noch immer die beiden Mecklenburg und das dänische Holstein und Lauenburg außerhalb der gemeinsamen Zoll¬ linien. Noch immer konnten sich die Gegner und die Freunde des Zoll¬ anschlusses in den Hansestädten darauf berufen, daß die für ihn stipulirten Be¬ dingungen noch immer nicht erfüllt seien. Da kam der Krieg von 1866. Das Gottesgericht auf den böhmischen Schlachtfeldern brachte uns statt jenes ungeheuerlichen Bundes, der sich den deutschen nannte und zu Zeiten dennoch vier fremde Reiche umfaßte, den Nord¬ deutschen Bund als nationale Einigung unter Preußens politischer und mili¬ tärischer Führung. Die Elbherzogtümer, die seit jenem 3. März 1460, wo die Landräte Schleswig-Holsteins den Dänenkönig Christian I. zum Herzoge

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/398>, abgerufen am 22.07.2024.