Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. weitaussehenden Pläne für die Handels- und Seegröße Deutschlands neu Und wie es unzweifelhaft ist, daß die Hansestädte ihre unvergleichliche Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens. weitaussehenden Pläne für die Handels- und Seegröße Deutschlands neu Und wie es unzweifelhaft ist, daß die Hansestädte ihre unvergleichliche <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0396" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203831"/> <fw type="header" place="top"> Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.</fw><lb/> <p xml:id="ID_992" prev="#ID_991"> weitaussehenden Pläne für die Handels- und Seegröße Deutschlands neu<lb/> erheben.</p><lb/> <p xml:id="ID_993" next="#ID_994"> Und wie es unzweifelhaft ist, daß die Hansestädte ihre unvergleichliche<lb/> Blüte zum nicht geringen Teil ihrer kommerziellen Selbstregierung und jenem<lb/> hanseatischen Handelsgeiste zu verdanken haben, der, wie der militärische Geist<lb/> in den preußischen Offiziersfamilien, das Ergebnis einer dnrch Geschlechter fort¬<lb/> gesetzten Erziehung ist, so kann es auch nicht Wunder nehmen, daß der hanseatische<lb/> Handel von Hause aus vorwiegend internationaler Zwischenhandel gewesen ist.<lb/> Auf ein kleines Gebiet beschränkt und von Nachbarstaaten umschlossen, die zu<lb/> Wasser und zu Lande alle Zugänge beherrschten und ihnen in ihren Verkehrs¬<lb/> beziehungen größtenteils mehr Hinderung als Förderung brachten, war es<lb/> natürlich, daß die Hanseaten den Blick auf das freie Meer gerichtet hielten.<lb/> Insbesondere dem Hamburger Handel waren durch die zahlreich eingewanderten<lb/> Engländer, Franzosen, Niederländer, die spanischen, portugiesischen und polnischen<lb/> Juden, die sich hier alle schnell mit dem ungeheuern Selbstbewußtsein des<lb/> Hamburger Bürgers erfüllten, sich aber doch selten als Deutsche fühlten, die<lb/> internationalen Beziehungen gleichsam in die Wiege gelegt. Vor allen diese<lb/> fremdländischen Einwanderer waren es, welche die in das Freihafengebiet vom<lb/> Auslande zollfrei eingeführten Rohstoffe in großen Fabriken verarbeiteten, um<lb/> ihre Fabrikate sofort wieder ins Ausland zurückzuführen. Nachdem mit dem<lb/> Ausgange der Napoleonischen Zeit statt der von Stein erhofften Neichszölle<lb/> das alte Elend der Landeszölle und der Vinnenmauthen zurückgekehrt war,<lb/> sahen sich auch die Hansestädte gezwungen, wieder zu ihrer alten internationalen<lb/> Handelspolitik zurückzukehren. Als in den zwanziger Jahren nach der Befreiung<lb/> der südamerikanischen Republiken die Hamburger mit den alten Kolonialmächten<lb/> in einen Wettbewerb um diesen ergiebigsten Teil des Welthandels eintraten,<lb/> mußte der neue Eindringling in das transatlantische Transportgeschäft, zumal<lb/> da es damals in Deutschland außer der Leinenhandweberei des Riesengebirges<lb/> keine exportfähige Industrie gab, sich für seinen Handel selbstverständlich vor<lb/> allem der englischen Fabrikate bedienen, die in den überseeischen Gebieten aus¬<lb/> schließlich marktgängig waren. Gleichzeitig war die Ausfuhr der überreichen<lb/> Ernten, welche die deutsche Landwirtschaft ihren Lehrern Thaer und Schwarz<lb/> verdankte, durch die Zollgesetze des Auslandes und den elenden Zustand der<lb/> binnenländischen Straßen beinahe unmöglich. Ungleich bequemer und lohnender<lb/> war es dagegen, die Bordeauxweine, die erst seit der Mitte des achtzehnten<lb/> Jahrhunderts durch die Hamburger Kaufleute in Deutschland bekannt geworden<lb/> waren und allmählich die spanischen und Rhein-Weine aus unserm Norden fast<lb/> verdrängt hatten, und englische Manufakturen in Deutschland einzuführen. Und<lb/> als endlich in den vierziger Jahren unter dem Schutze des Zollvereins in<lb/> Deutschland eine neue Industrie entstand, die sich sogar in einzelnen Zweigen<lb/> ihrer Produktion wieder auf den Weltmarkt hinauswagte, konnte weder durch</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0396]
Der Zollanschluß Hamburgs und Bremens.
weitaussehenden Pläne für die Handels- und Seegröße Deutschlands neu
erheben.
Und wie es unzweifelhaft ist, daß die Hansestädte ihre unvergleichliche
Blüte zum nicht geringen Teil ihrer kommerziellen Selbstregierung und jenem
hanseatischen Handelsgeiste zu verdanken haben, der, wie der militärische Geist
in den preußischen Offiziersfamilien, das Ergebnis einer dnrch Geschlechter fort¬
gesetzten Erziehung ist, so kann es auch nicht Wunder nehmen, daß der hanseatische
Handel von Hause aus vorwiegend internationaler Zwischenhandel gewesen ist.
Auf ein kleines Gebiet beschränkt und von Nachbarstaaten umschlossen, die zu
Wasser und zu Lande alle Zugänge beherrschten und ihnen in ihren Verkehrs¬
beziehungen größtenteils mehr Hinderung als Förderung brachten, war es
natürlich, daß die Hanseaten den Blick auf das freie Meer gerichtet hielten.
Insbesondere dem Hamburger Handel waren durch die zahlreich eingewanderten
Engländer, Franzosen, Niederländer, die spanischen, portugiesischen und polnischen
Juden, die sich hier alle schnell mit dem ungeheuern Selbstbewußtsein des
Hamburger Bürgers erfüllten, sich aber doch selten als Deutsche fühlten, die
internationalen Beziehungen gleichsam in die Wiege gelegt. Vor allen diese
fremdländischen Einwanderer waren es, welche die in das Freihafengebiet vom
Auslande zollfrei eingeführten Rohstoffe in großen Fabriken verarbeiteten, um
ihre Fabrikate sofort wieder ins Ausland zurückzuführen. Nachdem mit dem
Ausgange der Napoleonischen Zeit statt der von Stein erhofften Neichszölle
das alte Elend der Landeszölle und der Vinnenmauthen zurückgekehrt war,
sahen sich auch die Hansestädte gezwungen, wieder zu ihrer alten internationalen
Handelspolitik zurückzukehren. Als in den zwanziger Jahren nach der Befreiung
der südamerikanischen Republiken die Hamburger mit den alten Kolonialmächten
in einen Wettbewerb um diesen ergiebigsten Teil des Welthandels eintraten,
mußte der neue Eindringling in das transatlantische Transportgeschäft, zumal
da es damals in Deutschland außer der Leinenhandweberei des Riesengebirges
keine exportfähige Industrie gab, sich für seinen Handel selbstverständlich vor
allem der englischen Fabrikate bedienen, die in den überseeischen Gebieten aus¬
schließlich marktgängig waren. Gleichzeitig war die Ausfuhr der überreichen
Ernten, welche die deutsche Landwirtschaft ihren Lehrern Thaer und Schwarz
verdankte, durch die Zollgesetze des Auslandes und den elenden Zustand der
binnenländischen Straßen beinahe unmöglich. Ungleich bequemer und lohnender
war es dagegen, die Bordeauxweine, die erst seit der Mitte des achtzehnten
Jahrhunderts durch die Hamburger Kaufleute in Deutschland bekannt geworden
waren und allmählich die spanischen und Rhein-Weine aus unserm Norden fast
verdrängt hatten, und englische Manufakturen in Deutschland einzuführen. Und
als endlich in den vierziger Jahren unter dem Schutze des Zollvereins in
Deutschland eine neue Industrie entstand, die sich sogar in einzelnen Zweigen
ihrer Produktion wieder auf den Weltmarkt hinauswagte, konnte weder durch
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