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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Vio Entwicklung des GcsMchaftsrechts fin' ivirtschaftliche Zmccko.

Gewerkschaften hin, die eine so erleichterte Form des gesellschaftlichen Betriebes
gewährten, daß sie sogar vielfach benutzt würden, um unter ihrem Namen
Betriebe ganz andrer Art ins Leben zu rufen. Er glaubte, die Ausdehnung
dieser Forni auch auf andre Arten von Gesellschaften empfehlen zu sollen.

Noch bestimmter sprach sich bei der zweiten Beratung des nämlichen Gesetzes
(am 28. Februar) der Abgeordnete Öchelhüuser aus. Mit der Ausdehnung des
Rechts der bergrechtlichen Gewerkschaften sei das Bedürfnis noch nicht erschöpft.
Auf manche Betriebe des wirtschaftlichen Lebens sei diese Ausdehnung nicht
anwendbar; so z. B. auf den eigentlichen Handel. Es komme vor allem darauf
an, neue Formen von Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit zu schaffen.
Bis jetzt finde diese nur bei Aktiengesellschaften und bergrcchtlichen Gewerkschaften
statt. Das seien aber Gesellschaften, wo der Kapitalist von der geistigen Leitung
des Unternehmens getrennt sei. Es fehle unbedingt an einer Gcschäftsform,
worin die Persönlichkeiten, die das Kapital hergeben, auch mit dem Kapital
unmittelbar in Verbindung treten und es persönlich fruchtbar machen können,
dabei aber doch zugleich die Wohlthat der beschränkten Haftbarkeit genießen.
In England werde bereits vielfach die Form der Aktiengesellschaft benutzt, um
für Gesellschaften, die ganz auf "individualistischer Basis" beruhen -- die
Aktionäre seien dabei nur Strohmänner --, beschränkte Haftbarkeit herbei¬
zuführen. Nichts aber stehe entgegen, auch geradezu Gesellschaften nach Art
der offenen Handelsgesellschaft zu schaffen, bei denen die Solioarhcift auf einen
bestimmten Betrag eingeschränkt sei.

Diese Anregungen hatten zunächst die Folge, daß in dem vorgelegten
Gesetze vom Reichstage vorgeschlagene Bestimmungen Aufnahme fanden, wonach
der Bundesrat für befugt erklärt wurde, deutsche" Kolonialgesellschaften, die
sich auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Statuts gebildet haben,
die Rechte einer juristischen Person zu verleihen. "In solchen Fällen haftet
den Gläubigern für alle Verbindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das
Vermögen derselben." Durch diese Bestimmung des erlassenen Gesetzes ist das
obwaltende Bedürfnis bezüglich der Kolvnialgesellschaften, wenigstens vorläufig,
für befriedigt zu halten.

Es entsteht aber die Frage, ob die gegebenen Anregungen geeignet sind,
im allgemeinen zu einer Erweiterung der Formen unsers Gesellschaftsrechtes,
namentlich in den angegebenen Richtungen, zu führen. Durch Erlaß vom 3. April
dieses Jahres hat das preußische Handelsministerium hierüber Bericht von den
Handelskammern gefordert. Infolge hiervon hat auch der Ausschuß des deutschen
Handclstags in seiner Sitzung vom 7. Mai dieses Jahres sich mit der Frage
beschäftigt, und hierbei hat I)r. Hannacher wiederum seine Ansicht ausführlich
begründet. Um die Bedürfnisfrage anschaulich zu machen, führte derselbe aus:
"Nehmen wir unsre Aktiengesellschafts-Register zur Hand, so finden wir, daß
viele Gesellschaften, für die ihrer Natur nach die Form der Aktiengesellschaft


Vio Entwicklung des GcsMchaftsrechts fin' ivirtschaftliche Zmccko.

Gewerkschaften hin, die eine so erleichterte Form des gesellschaftlichen Betriebes
gewährten, daß sie sogar vielfach benutzt würden, um unter ihrem Namen
Betriebe ganz andrer Art ins Leben zu rufen. Er glaubte, die Ausdehnung
dieser Forni auch auf andre Arten von Gesellschaften empfehlen zu sollen.

Noch bestimmter sprach sich bei der zweiten Beratung des nämlichen Gesetzes
(am 28. Februar) der Abgeordnete Öchelhüuser aus. Mit der Ausdehnung des
Rechts der bergrechtlichen Gewerkschaften sei das Bedürfnis noch nicht erschöpft.
Auf manche Betriebe des wirtschaftlichen Lebens sei diese Ausdehnung nicht
anwendbar; so z. B. auf den eigentlichen Handel. Es komme vor allem darauf
an, neue Formen von Gesellschaften mit beschränkter Haftbarkeit zu schaffen.
Bis jetzt finde diese nur bei Aktiengesellschaften und bergrcchtlichen Gewerkschaften
statt. Das seien aber Gesellschaften, wo der Kapitalist von der geistigen Leitung
des Unternehmens getrennt sei. Es fehle unbedingt an einer Gcschäftsform,
worin die Persönlichkeiten, die das Kapital hergeben, auch mit dem Kapital
unmittelbar in Verbindung treten und es persönlich fruchtbar machen können,
dabei aber doch zugleich die Wohlthat der beschränkten Haftbarkeit genießen.
In England werde bereits vielfach die Form der Aktiengesellschaft benutzt, um
für Gesellschaften, die ganz auf „individualistischer Basis" beruhen — die
Aktionäre seien dabei nur Strohmänner —, beschränkte Haftbarkeit herbei¬
zuführen. Nichts aber stehe entgegen, auch geradezu Gesellschaften nach Art
der offenen Handelsgesellschaft zu schaffen, bei denen die Solioarhcift auf einen
bestimmten Betrag eingeschränkt sei.

Diese Anregungen hatten zunächst die Folge, daß in dem vorgelegten
Gesetze vom Reichstage vorgeschlagene Bestimmungen Aufnahme fanden, wonach
der Bundesrat für befugt erklärt wurde, deutsche» Kolonialgesellschaften, die
sich auf Grund eines vom Reichskanzler genehmigten Statuts gebildet haben,
die Rechte einer juristischen Person zu verleihen. „In solchen Fällen haftet
den Gläubigern für alle Verbindlichkeiten der Kolonialgesellschaft nur das
Vermögen derselben." Durch diese Bestimmung des erlassenen Gesetzes ist das
obwaltende Bedürfnis bezüglich der Kolvnialgesellschaften, wenigstens vorläufig,
für befriedigt zu halten.

Es entsteht aber die Frage, ob die gegebenen Anregungen geeignet sind,
im allgemeinen zu einer Erweiterung der Formen unsers Gesellschaftsrechtes,
namentlich in den angegebenen Richtungen, zu führen. Durch Erlaß vom 3. April
dieses Jahres hat das preußische Handelsministerium hierüber Bericht von den
Handelskammern gefordert. Infolge hiervon hat auch der Ausschuß des deutschen
Handclstags in seiner Sitzung vom 7. Mai dieses Jahres sich mit der Frage
beschäftigt, und hierbei hat I)r. Hannacher wiederum seine Ansicht ausführlich
begründet. Um die Bedürfnisfrage anschaulich zu machen, führte derselbe aus:
„Nehmen wir unsre Aktiengesellschafts-Register zur Hand, so finden wir, daß
viele Gesellschaften, für die ihrer Natur nach die Form der Aktiengesellschaft


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/350>, abgerufen am 24.08.2024.