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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die G?bietscntwicklm,g der Linzelstaaten Deutschlands.

Lande, soweit er sie besaß, mit Baiern vereinigte. Daß er im Frieden zu
Teschen, der den bairischen Erbfolgekrieg beendete, das Innviertel verlor, ist
schon bei der Darstellung der Gebietsentwicklung Österreichs erwähnt worden;
ebenso, das; der Plan Kaiser Josephs, Baiern durch Tausch gegen die öster¬
reichischen Niederlande an sich zu bringen, durch Stiftung des Fürstenbundes
vereitelt wurde. Nach dem Ausbruche des Nevolutionskrieges wurde ein großer
Teil der pfälzischen Lande von den Franzosen besetzt; zeitweilig überschwemmte
Moreciu mit seinem Heere auch Baiern und die Oberpfalz. Im Frieden von
Campo Formio wurde durch die geheimen Bedingungen Osterreich die Ver¬
wendung Frankreichs für die Erwerbung erheblicher bairischer Gebiete zur Ent¬
schädigung für seine Verluste in Aussicht gestellt. Wirklich ausgeführt wurde
hiervon jedoch nichts, und als nach dem Tode des gleichfalls kinderlosen Karl
Theodor der schon bei der Thronbesteigung dieses Fürsten zu seinem Nach¬
folger bestimmte Herzog Max Joseph von Zweibrücken aus der Linie Birkenfeld
den Thron bestieg, vereinigte er für kurze Zeit die sämtlichen pfälzischen und
bairischen Lande.

Pfalzbaiern, wie man das Land von 1777 an bis zu seiner Erhebung
zum Königreiche zu bezeichnen Pflegte, war unzweifelhaft nach Österreich und
Preußen der bedeutendste und mächtigste Staat des deutschen Reiches. Sein
Gebiet wurde bei der Thronbesteigung des Kurfürsten, des spätern Königs Max
Joseph auf 994 Quadratmeilen mit 2 Millionen 260,000 Einwohnern be¬
rechnet. Es umfaßte, außer Kurbaiern und der Oberpfnlz. die eigentliche Pfalz
bei Rhein nebst den Fürstentümern Simmern, Lautern und Veldenz und einem
Teile der Grafschaft Sponheim; dann die sog. junge Pfalz, Neuburg und
Sulzbach, die beiden niederrheinischen Herzogtümer Jülich und Berg, und endlich
das Fürstentum Zweibrücken nebst der Herrschaft Rappoltstein im Elsaß und
der Grafschaft Lützelstein in Lothringen. Es bedarf kaum des Hinweises da¬
rauf, daß dieser verschiedenen Landesteile, die durch die wunderlichsten Ver¬
hältnisse zu einem Staatsganzen bunt zusammengewürfelt waren, auf Stammes-
zusammengchvrigkeit auch nicht den geringsten Anspruch machen konnten. Der
Friede zu Lunsville sprach das ganze linke Rheinufer Frankreich zu, und
Baiern verlor dadurch feine linksrheinischen, ehemals pfälzischen Besitzungen,
206 Quadratmeilen mit 560,000 Einwohnern. Der Rcichsdeputations-Haupt-
schluß brachte dafür vollständige Entschädigung, 286 Quadratmeilen mit
etwa 800,000 Einwohnern. Es erhielt: fast das ganze Bistum Würzburg
mit der von diesem umschlossenen Reichsstadt Schweinfurt; den westlichen Teil
des Bistums Passau, das Bistum Vamberg, das Bistum Freising nebst der
Grafschaft Werdenfels; die gefürstete Abtei Kempten; die Reichsstädte Kempten,
Kaufbeuren, Ulm, Nördlingen, Rothenburg, Weißenburg, Windsheim, Dinkels¬
bühl, Bopfingen, Buchhorn, Wangen, Leutkirch, Ravensburg; eine Anzahl von
Reichsdörfern; Waldsassen, Elchingen und zehn andre Neichsabteien; Teile des


Die G?bietscntwicklm,g der Linzelstaaten Deutschlands.

Lande, soweit er sie besaß, mit Baiern vereinigte. Daß er im Frieden zu
Teschen, der den bairischen Erbfolgekrieg beendete, das Innviertel verlor, ist
schon bei der Darstellung der Gebietsentwicklung Österreichs erwähnt worden;
ebenso, das; der Plan Kaiser Josephs, Baiern durch Tausch gegen die öster¬
reichischen Niederlande an sich zu bringen, durch Stiftung des Fürstenbundes
vereitelt wurde. Nach dem Ausbruche des Nevolutionskrieges wurde ein großer
Teil der pfälzischen Lande von den Franzosen besetzt; zeitweilig überschwemmte
Moreciu mit seinem Heere auch Baiern und die Oberpfalz. Im Frieden von
Campo Formio wurde durch die geheimen Bedingungen Osterreich die Ver¬
wendung Frankreichs für die Erwerbung erheblicher bairischer Gebiete zur Ent¬
schädigung für seine Verluste in Aussicht gestellt. Wirklich ausgeführt wurde
hiervon jedoch nichts, und als nach dem Tode des gleichfalls kinderlosen Karl
Theodor der schon bei der Thronbesteigung dieses Fürsten zu seinem Nach¬
folger bestimmte Herzog Max Joseph von Zweibrücken aus der Linie Birkenfeld
den Thron bestieg, vereinigte er für kurze Zeit die sämtlichen pfälzischen und
bairischen Lande.

Pfalzbaiern, wie man das Land von 1777 an bis zu seiner Erhebung
zum Königreiche zu bezeichnen Pflegte, war unzweifelhaft nach Österreich und
Preußen der bedeutendste und mächtigste Staat des deutschen Reiches. Sein
Gebiet wurde bei der Thronbesteigung des Kurfürsten, des spätern Königs Max
Joseph auf 994 Quadratmeilen mit 2 Millionen 260,000 Einwohnern be¬
rechnet. Es umfaßte, außer Kurbaiern und der Oberpfnlz. die eigentliche Pfalz
bei Rhein nebst den Fürstentümern Simmern, Lautern und Veldenz und einem
Teile der Grafschaft Sponheim; dann die sog. junge Pfalz, Neuburg und
Sulzbach, die beiden niederrheinischen Herzogtümer Jülich und Berg, und endlich
das Fürstentum Zweibrücken nebst der Herrschaft Rappoltstein im Elsaß und
der Grafschaft Lützelstein in Lothringen. Es bedarf kaum des Hinweises da¬
rauf, daß dieser verschiedenen Landesteile, die durch die wunderlichsten Ver¬
hältnisse zu einem Staatsganzen bunt zusammengewürfelt waren, auf Stammes-
zusammengchvrigkeit auch nicht den geringsten Anspruch machen konnten. Der
Friede zu Lunsville sprach das ganze linke Rheinufer Frankreich zu, und
Baiern verlor dadurch feine linksrheinischen, ehemals pfälzischen Besitzungen,
206 Quadratmeilen mit 560,000 Einwohnern. Der Rcichsdeputations-Haupt-
schluß brachte dafür vollständige Entschädigung, 286 Quadratmeilen mit
etwa 800,000 Einwohnern. Es erhielt: fast das ganze Bistum Würzburg
mit der von diesem umschlossenen Reichsstadt Schweinfurt; den westlichen Teil
des Bistums Passau, das Bistum Vamberg, das Bistum Freising nebst der
Grafschaft Werdenfels; die gefürstete Abtei Kempten; die Reichsstädte Kempten,
Kaufbeuren, Ulm, Nördlingen, Rothenburg, Weißenburg, Windsheim, Dinkels¬
bühl, Bopfingen, Buchhorn, Wangen, Leutkirch, Ravensburg; eine Anzahl von
Reichsdörfern; Waldsassen, Elchingen und zehn andre Neichsabteien; Teile des


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[0314] Die G?bietscntwicklm,g der Linzelstaaten Deutschlands. Lande, soweit er sie besaß, mit Baiern vereinigte. Daß er im Frieden zu Teschen, der den bairischen Erbfolgekrieg beendete, das Innviertel verlor, ist schon bei der Darstellung der Gebietsentwicklung Österreichs erwähnt worden; ebenso, das; der Plan Kaiser Josephs, Baiern durch Tausch gegen die öster¬ reichischen Niederlande an sich zu bringen, durch Stiftung des Fürstenbundes vereitelt wurde. Nach dem Ausbruche des Nevolutionskrieges wurde ein großer Teil der pfälzischen Lande von den Franzosen besetzt; zeitweilig überschwemmte Moreciu mit seinem Heere auch Baiern und die Oberpfalz. Im Frieden von Campo Formio wurde durch die geheimen Bedingungen Osterreich die Ver¬ wendung Frankreichs für die Erwerbung erheblicher bairischer Gebiete zur Ent¬ schädigung für seine Verluste in Aussicht gestellt. Wirklich ausgeführt wurde hiervon jedoch nichts, und als nach dem Tode des gleichfalls kinderlosen Karl Theodor der schon bei der Thronbesteigung dieses Fürsten zu seinem Nach¬ folger bestimmte Herzog Max Joseph von Zweibrücken aus der Linie Birkenfeld den Thron bestieg, vereinigte er für kurze Zeit die sämtlichen pfälzischen und bairischen Lande. Pfalzbaiern, wie man das Land von 1777 an bis zu seiner Erhebung zum Königreiche zu bezeichnen Pflegte, war unzweifelhaft nach Österreich und Preußen der bedeutendste und mächtigste Staat des deutschen Reiches. Sein Gebiet wurde bei der Thronbesteigung des Kurfürsten, des spätern Königs Max Joseph auf 994 Quadratmeilen mit 2 Millionen 260,000 Einwohnern be¬ rechnet. Es umfaßte, außer Kurbaiern und der Oberpfnlz. die eigentliche Pfalz bei Rhein nebst den Fürstentümern Simmern, Lautern und Veldenz und einem Teile der Grafschaft Sponheim; dann die sog. junge Pfalz, Neuburg und Sulzbach, die beiden niederrheinischen Herzogtümer Jülich und Berg, und endlich das Fürstentum Zweibrücken nebst der Herrschaft Rappoltstein im Elsaß und der Grafschaft Lützelstein in Lothringen. Es bedarf kaum des Hinweises da¬ rauf, daß dieser verschiedenen Landesteile, die durch die wunderlichsten Ver¬ hältnisse zu einem Staatsganzen bunt zusammengewürfelt waren, auf Stammes- zusammengchvrigkeit auch nicht den geringsten Anspruch machen konnten. Der Friede zu Lunsville sprach das ganze linke Rheinufer Frankreich zu, und Baiern verlor dadurch feine linksrheinischen, ehemals pfälzischen Besitzungen, 206 Quadratmeilen mit 560,000 Einwohnern. Der Rcichsdeputations-Haupt- schluß brachte dafür vollständige Entschädigung, 286 Quadratmeilen mit etwa 800,000 Einwohnern. Es erhielt: fast das ganze Bistum Würzburg mit der von diesem umschlossenen Reichsstadt Schweinfurt; den westlichen Teil des Bistums Passau, das Bistum Vamberg, das Bistum Freising nebst der Grafschaft Werdenfels; die gefürstete Abtei Kempten; die Reichsstädte Kempten, Kaufbeuren, Ulm, Nördlingen, Rothenburg, Weißenburg, Windsheim, Dinkels¬ bühl, Bopfingen, Buchhorn, Wangen, Leutkirch, Ravensburg; eine Anzahl von Reichsdörfern; Waldsassen, Elchingen und zehn andre Neichsabteien; Teile des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/314>, abgerufen am 04.07.2024.