Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

verhetzen und zu Streit und Krieg anzuspornen. Es ist wirklich die höchste
Zeit, daß diese hohlen Redensarten von den verschieden deutschen Stämmen
und ihren uralten, geschichtlich berechtigten Besonderheiten und Gegensätzen, die
längst jeden Sinn und jede Bedeutung verloren haben, und die auf die Ent¬
wicklung Deutschlands in der Neuzeit kaum eine Spur von Einfluß gehabt
haben, einmal ganz aufhören oder wenigstens doch nicht mehr von Männern
gebraucht werden, die darauf Anspruch machen, Verständnis für geschichtliche
Vorgänge und eignes politisches Urteil zu haben. Wenn Polen, Dänen und Fran¬
zosen, ich meine wirkliche, echte, nicht jene albernen und verächtlichen Thoren
oder abtrünnigen Verräter mit gut deutschem Namen und von gut deutscher Ab¬
stammung, die es lieben, ihrer jämmerlichen Persönlichkeit durch slawischen,
skandinavischen oder gallischen Firniß einen vermeintlichen Glanz zu geben, wenn
jene Fremden, die in unsern Reichsgrenzen leben, auf Grund ihrer Nationalität
Gegner des Reiches sind, so läßt sich das verstehen und begreifen, ja von ihrem
Standpunkte ans gewissermaßen begründen und rechtfertigen. Nicht etwa als
ob einem ehr- und vaterlandsliebenden Deutschen jemals der Gedanke kommen
könnte, den sogenannten nationalen Ansprüchen jener Ausländer auch nur um
eines Fingers Breite nachzugeben. Daß solche Angehörige fremder Nationali¬
täten auf unserm heimatlichen Boden wohnen, beruht auf geschichtlichen Ereig¬
nissen und Umständen, an denen das jetzt lebende Geschlecht nichts ändern
kann; ihre Zugehörigkeit zum Reiche, ihr Verbleiben dabei ist eine politische
Notwendigkeit. Bei dem Ringen der Völker um politisches Dasein, um natio¬
nale Selbständigkeit gilt es, entweder Hammer oder Ambos sein. Unser Vater¬
land hat Jahrhunderte lang die letztere Rolle spielen müssen und unsäglich
schwer gelitten unter den Schlägen des auswärtigen Hammers. Es war wirklich
die höchste Zeit, daß die Rollen einmal vertauscht wurden, und daß man den
Fremden gegenüber, die sich auf unserm heimatlichen Boden eingenistet haben,
nach dem Grundsatze verfuhr, den ein Spottvers aus der Zeit der Befreiungs¬
kriege, der sich auf Napoleon bezieht, kurz in folgenden Worten zusammenfaßt:


Du hast uns nun genug geknufft;
Man wird dich wieder knuffen, Schuft!

Wollen aber die Ausländer, die früher stets unsre Nationalität mißachtet
und mißhandelt haben, sich der Herrschaft des deutschen Geistes und des
deutschen Schwertes nicht fügen, wollen sie nicht deutsche Gesittung und Ge¬
sinnung annehmen, so kann man ihnen nur wohlmeinend anheimgeben, andre
Länder aufzusuchen, wo sie die Befriedigung ihrer angeblich berechtigten natio¬
nalen Ansprüche und Forderungen finden. Deutschland kann ihrer entraten und
wird es gern thun.

Doch, wie gesagt, das Pochen der Angehörigen fremden Nationen auf ihr
eignes, gesondertes Volkstum läßt sich erklären und würdigen. Wenn aber
Leute, die sich zu Vertretern kerndeutscher Volksstämme aufwerfen und sich stets


Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.

verhetzen und zu Streit und Krieg anzuspornen. Es ist wirklich die höchste
Zeit, daß diese hohlen Redensarten von den verschieden deutschen Stämmen
und ihren uralten, geschichtlich berechtigten Besonderheiten und Gegensätzen, die
längst jeden Sinn und jede Bedeutung verloren haben, und die auf die Ent¬
wicklung Deutschlands in der Neuzeit kaum eine Spur von Einfluß gehabt
haben, einmal ganz aufhören oder wenigstens doch nicht mehr von Männern
gebraucht werden, die darauf Anspruch machen, Verständnis für geschichtliche
Vorgänge und eignes politisches Urteil zu haben. Wenn Polen, Dänen und Fran¬
zosen, ich meine wirkliche, echte, nicht jene albernen und verächtlichen Thoren
oder abtrünnigen Verräter mit gut deutschem Namen und von gut deutscher Ab¬
stammung, die es lieben, ihrer jämmerlichen Persönlichkeit durch slawischen,
skandinavischen oder gallischen Firniß einen vermeintlichen Glanz zu geben, wenn
jene Fremden, die in unsern Reichsgrenzen leben, auf Grund ihrer Nationalität
Gegner des Reiches sind, so läßt sich das verstehen und begreifen, ja von ihrem
Standpunkte ans gewissermaßen begründen und rechtfertigen. Nicht etwa als
ob einem ehr- und vaterlandsliebenden Deutschen jemals der Gedanke kommen
könnte, den sogenannten nationalen Ansprüchen jener Ausländer auch nur um
eines Fingers Breite nachzugeben. Daß solche Angehörige fremder Nationali¬
täten auf unserm heimatlichen Boden wohnen, beruht auf geschichtlichen Ereig¬
nissen und Umständen, an denen das jetzt lebende Geschlecht nichts ändern
kann; ihre Zugehörigkeit zum Reiche, ihr Verbleiben dabei ist eine politische
Notwendigkeit. Bei dem Ringen der Völker um politisches Dasein, um natio¬
nale Selbständigkeit gilt es, entweder Hammer oder Ambos sein. Unser Vater¬
land hat Jahrhunderte lang die letztere Rolle spielen müssen und unsäglich
schwer gelitten unter den Schlägen des auswärtigen Hammers. Es war wirklich
die höchste Zeit, daß die Rollen einmal vertauscht wurden, und daß man den
Fremden gegenüber, die sich auf unserm heimatlichen Boden eingenistet haben,
nach dem Grundsatze verfuhr, den ein Spottvers aus der Zeit der Befreiungs¬
kriege, der sich auf Napoleon bezieht, kurz in folgenden Worten zusammenfaßt:


Du hast uns nun genug geknufft;
Man wird dich wieder knuffen, Schuft!

Wollen aber die Ausländer, die früher stets unsre Nationalität mißachtet
und mißhandelt haben, sich der Herrschaft des deutschen Geistes und des
deutschen Schwertes nicht fügen, wollen sie nicht deutsche Gesittung und Ge¬
sinnung annehmen, so kann man ihnen nur wohlmeinend anheimgeben, andre
Länder aufzusuchen, wo sie die Befriedigung ihrer angeblich berechtigten natio¬
nalen Ansprüche und Forderungen finden. Deutschland kann ihrer entraten und
wird es gern thun.

Doch, wie gesagt, das Pochen der Angehörigen fremden Nationen auf ihr
eignes, gesondertes Volkstum läßt sich erklären und würdigen. Wenn aber
Leute, die sich zu Vertretern kerndeutscher Volksstämme aufwerfen und sich stets


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0030" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203465"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_55" prev="#ID_54" next="#ID_56"> verhetzen und zu Streit und Krieg anzuspornen. Es ist wirklich die höchste<lb/>
Zeit, daß diese hohlen Redensarten von den verschieden deutschen Stämmen<lb/>
und ihren uralten, geschichtlich berechtigten Besonderheiten und Gegensätzen, die<lb/>
längst jeden Sinn und jede Bedeutung verloren haben, und die auf die Ent¬<lb/>
wicklung Deutschlands in der Neuzeit kaum eine Spur von Einfluß gehabt<lb/>
haben, einmal ganz aufhören oder wenigstens doch nicht mehr von Männern<lb/>
gebraucht werden, die darauf Anspruch machen, Verständnis für geschichtliche<lb/>
Vorgänge und eignes politisches Urteil zu haben. Wenn Polen, Dänen und Fran¬<lb/>
zosen, ich meine wirkliche, echte, nicht jene albernen und verächtlichen Thoren<lb/>
oder abtrünnigen Verräter mit gut deutschem Namen und von gut deutscher Ab¬<lb/>
stammung, die es lieben, ihrer jämmerlichen Persönlichkeit durch slawischen,<lb/>
skandinavischen oder gallischen Firniß einen vermeintlichen Glanz zu geben, wenn<lb/>
jene Fremden, die in unsern Reichsgrenzen leben, auf Grund ihrer Nationalität<lb/>
Gegner des Reiches sind, so läßt sich das verstehen und begreifen, ja von ihrem<lb/>
Standpunkte ans gewissermaßen begründen und rechtfertigen. Nicht etwa als<lb/>
ob einem ehr- und vaterlandsliebenden Deutschen jemals der Gedanke kommen<lb/>
könnte, den sogenannten nationalen Ansprüchen jener Ausländer auch nur um<lb/>
eines Fingers Breite nachzugeben. Daß solche Angehörige fremder Nationali¬<lb/>
täten auf unserm heimatlichen Boden wohnen, beruht auf geschichtlichen Ereig¬<lb/>
nissen und Umständen, an denen das jetzt lebende Geschlecht nichts ändern<lb/>
kann; ihre Zugehörigkeit zum Reiche, ihr Verbleiben dabei ist eine politische<lb/>
Notwendigkeit. Bei dem Ringen der Völker um politisches Dasein, um natio¬<lb/>
nale Selbständigkeit gilt es, entweder Hammer oder Ambos sein. Unser Vater¬<lb/>
land hat Jahrhunderte lang die letztere Rolle spielen müssen und unsäglich<lb/>
schwer gelitten unter den Schlägen des auswärtigen Hammers. Es war wirklich<lb/>
die höchste Zeit, daß die Rollen einmal vertauscht wurden, und daß man den<lb/>
Fremden gegenüber, die sich auf unserm heimatlichen Boden eingenistet haben,<lb/>
nach dem Grundsatze verfuhr, den ein Spottvers aus der Zeit der Befreiungs¬<lb/>
kriege, der sich auf Napoleon bezieht, kurz in folgenden Worten zusammenfaßt:</p><lb/>
          <quote>
            <lg xml:id="POEMID_1" type="poem">
              <l> Du hast uns nun genug geknufft;<lb/>
Man wird dich wieder knuffen, Schuft!</l>
            </lg>
          </quote><lb/>
          <p xml:id="ID_56" prev="#ID_55"> Wollen aber die Ausländer, die früher stets unsre Nationalität mißachtet<lb/>
und mißhandelt haben, sich der Herrschaft des deutschen Geistes und des<lb/>
deutschen Schwertes nicht fügen, wollen sie nicht deutsche Gesittung und Ge¬<lb/>
sinnung annehmen, so kann man ihnen nur wohlmeinend anheimgeben, andre<lb/>
Länder aufzusuchen, wo sie die Befriedigung ihrer angeblich berechtigten natio¬<lb/>
nalen Ansprüche und Forderungen finden. Deutschland kann ihrer entraten und<lb/>
wird es gern thun.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_57" next="#ID_58"> Doch, wie gesagt, das Pochen der Angehörigen fremden Nationen auf ihr<lb/>
eignes, gesondertes Volkstum läßt sich erklären und würdigen. Wenn aber<lb/>
Leute, die sich zu Vertretern kerndeutscher Volksstämme aufwerfen und sich stets</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0030] Die Gebietsentwicklung der Linzelstaaten Deutschlands. verhetzen und zu Streit und Krieg anzuspornen. Es ist wirklich die höchste Zeit, daß diese hohlen Redensarten von den verschieden deutschen Stämmen und ihren uralten, geschichtlich berechtigten Besonderheiten und Gegensätzen, die längst jeden Sinn und jede Bedeutung verloren haben, und die auf die Ent¬ wicklung Deutschlands in der Neuzeit kaum eine Spur von Einfluß gehabt haben, einmal ganz aufhören oder wenigstens doch nicht mehr von Männern gebraucht werden, die darauf Anspruch machen, Verständnis für geschichtliche Vorgänge und eignes politisches Urteil zu haben. Wenn Polen, Dänen und Fran¬ zosen, ich meine wirkliche, echte, nicht jene albernen und verächtlichen Thoren oder abtrünnigen Verräter mit gut deutschem Namen und von gut deutscher Ab¬ stammung, die es lieben, ihrer jämmerlichen Persönlichkeit durch slawischen, skandinavischen oder gallischen Firniß einen vermeintlichen Glanz zu geben, wenn jene Fremden, die in unsern Reichsgrenzen leben, auf Grund ihrer Nationalität Gegner des Reiches sind, so läßt sich das verstehen und begreifen, ja von ihrem Standpunkte ans gewissermaßen begründen und rechtfertigen. Nicht etwa als ob einem ehr- und vaterlandsliebenden Deutschen jemals der Gedanke kommen könnte, den sogenannten nationalen Ansprüchen jener Ausländer auch nur um eines Fingers Breite nachzugeben. Daß solche Angehörige fremder Nationali¬ täten auf unserm heimatlichen Boden wohnen, beruht auf geschichtlichen Ereig¬ nissen und Umständen, an denen das jetzt lebende Geschlecht nichts ändern kann; ihre Zugehörigkeit zum Reiche, ihr Verbleiben dabei ist eine politische Notwendigkeit. Bei dem Ringen der Völker um politisches Dasein, um natio¬ nale Selbständigkeit gilt es, entweder Hammer oder Ambos sein. Unser Vater¬ land hat Jahrhunderte lang die letztere Rolle spielen müssen und unsäglich schwer gelitten unter den Schlägen des auswärtigen Hammers. Es war wirklich die höchste Zeit, daß die Rollen einmal vertauscht wurden, und daß man den Fremden gegenüber, die sich auf unserm heimatlichen Boden eingenistet haben, nach dem Grundsatze verfuhr, den ein Spottvers aus der Zeit der Befreiungs¬ kriege, der sich auf Napoleon bezieht, kurz in folgenden Worten zusammenfaßt: Du hast uns nun genug geknufft; Man wird dich wieder knuffen, Schuft! Wollen aber die Ausländer, die früher stets unsre Nationalität mißachtet und mißhandelt haben, sich der Herrschaft des deutschen Geistes und des deutschen Schwertes nicht fügen, wollen sie nicht deutsche Gesittung und Ge¬ sinnung annehmen, so kann man ihnen nur wohlmeinend anheimgeben, andre Länder aufzusuchen, wo sie die Befriedigung ihrer angeblich berechtigten natio¬ nalen Ansprüche und Forderungen finden. Deutschland kann ihrer entraten und wird es gern thun. Doch, wie gesagt, das Pochen der Angehörigen fremden Nationen auf ihr eignes, gesondertes Volkstum läßt sich erklären und würdigen. Wenn aber Leute, die sich zu Vertretern kerndeutscher Volksstämme aufwerfen und sich stets

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/30
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/30>, abgerufen am 22.07.2024.