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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Karl Ludwig Costenoble.

Nischen Siegel gesprengt hätte. Wie oft rezensire ich mich selbst und lache
mich von Herzen aus!" Äußerungen wie die nach einer Othello-Aufführung:
"Mein Brabantio hätte auch inniger und kräftiger sein können" (1. April 1823)
findet man sehr häufig. So schreibt er am 29. September 1822: "Ich, als
Meister Marks ^in dem Drama "Tranquillus"). that zwar nicht soviel, als ich
gekonnt, war aber doch so glücklich, zu gefallen. Wenn jeder nach Verdienst
bekäme -- sagt Hamlet." Am 2. Mai 1823: "Weil die Kritik mit meinem
Lustspiele "Der Alte muß" so unsäuberlich verfahren war, und zwar mit Fug
und Recht, so löste ich meine erquälten Trochäen in Prosa auf und stellte das
Stück gewissermaßen ganz neu her." Am 5. März 1824: ""Die Lasterschule".
Graf Dietrichstein ^der Intendant) versicherte mir, daß Steigentesch sich an
meinem Juden sehr ergötzt habe. Gottlob! daß ich weniger mit mir zufrieden
bin, als der verehrte Dichter." Am 16. Januar 1834: "Heute wird meiner
im Morgenblatte mit großer Verehrung gedacht. Man nennt mich den Schutz¬
geist des Bauernfeldschen "Liebesprotokolles" swas Costenoble in der That war,
indem er gegen das Verbot der Zensur den Bankier Müller als Satire auf
die jüdischen Geldbarone, wie es Bauernfeld ursprünglich wollte, aber nicht
durfte, darstellte), den besten Shylock des Burgtheaters. Ich bin froh, daß ich
zu alt bin, um hochmütig werden zu können." Am 11. März 1334: "Die
Fichtncr versicherte mir, daß sie oft plötzlich über den Beifall, den sie erhalte,
erschrecke, weil ein Gefühl völligen Unvermögens sie mitten im Rausche des
Applauses überschleiche. Dieses Gefühl, meinte ich, seien wohlwollende Mah-
nungen des bessern Genius im Darsteller, um ihn vor Übermut und voreiligen
Glauben an eigne Vollkommenheit zu bewahren." Er verzeichnet aber auch,
wie jeder echte Mann sich seines Wertes wohl bewußt, am 24. März 1832
nach der Goethefeier, in welcher Teile aus Egmont, Iphigenie, Tasso und Faust
vorgeführt worden waren: "Mein Mephistopheles fiel ganz so aus, wie ich
mir es selbst vorgestellt hatte. So gewiß ich überzeugt bin, daß von alten
Theaterpersoncn kein einziger sich zum Mephisto eignet, so gewiß weiß ich, daß
unter allen ich noch der beste bin. Das ist unter solchen Umständen keine
Ruhmredigkeit, und darum glaube ich, es mit gutem Gewissen hier notiren
zu dürfen."

In diesen Geständnissen erkennt man das ganze ehrliche Wesen Costenobles.
Er war auch nicht der Mann, um den Mantel nach dem Winde zu hängen.
Seine künstlerische Überzeugung zu opfern, um den Beifall des unverständigen
Publikums zu gewinnen, war er nicht im stände, wie folgende Aufzeichnungen
bekunden. Am 27. November 1823: "König Lear. Ich gab heute den Narren.
Als ich die Rolle bekam, empfing ich sie mit Furcht, weil mir ahnte, daß
meine Ansicht über den Charakter deS Narren nicht mit dem Verlangen des
Publikums übereinstimmen dürfte. Meine Ahnung hat mich nicht betrogen. Ich
wurde zu sentimental und verlor in dem Gefühle, daß mein Spiel nicht an-


Karl Ludwig Costenoble.

Nischen Siegel gesprengt hätte. Wie oft rezensire ich mich selbst und lache
mich von Herzen aus!" Äußerungen wie die nach einer Othello-Aufführung:
„Mein Brabantio hätte auch inniger und kräftiger sein können" (1. April 1823)
findet man sehr häufig. So schreibt er am 29. September 1822: „Ich, als
Meister Marks ^in dem Drama „Tranquillus"). that zwar nicht soviel, als ich
gekonnt, war aber doch so glücklich, zu gefallen. Wenn jeder nach Verdienst
bekäme — sagt Hamlet." Am 2. Mai 1823: „Weil die Kritik mit meinem
Lustspiele »Der Alte muß« so unsäuberlich verfahren war, und zwar mit Fug
und Recht, so löste ich meine erquälten Trochäen in Prosa auf und stellte das
Stück gewissermaßen ganz neu her." Am 5. März 1824: „»Die Lasterschule«.
Graf Dietrichstein ^der Intendant) versicherte mir, daß Steigentesch sich an
meinem Juden sehr ergötzt habe. Gottlob! daß ich weniger mit mir zufrieden
bin, als der verehrte Dichter." Am 16. Januar 1834: „Heute wird meiner
im Morgenblatte mit großer Verehrung gedacht. Man nennt mich den Schutz¬
geist des Bauernfeldschen »Liebesprotokolles« swas Costenoble in der That war,
indem er gegen das Verbot der Zensur den Bankier Müller als Satire auf
die jüdischen Geldbarone, wie es Bauernfeld ursprünglich wollte, aber nicht
durfte, darstellte), den besten Shylock des Burgtheaters. Ich bin froh, daß ich
zu alt bin, um hochmütig werden zu können." Am 11. März 1334: „Die
Fichtncr versicherte mir, daß sie oft plötzlich über den Beifall, den sie erhalte,
erschrecke, weil ein Gefühl völligen Unvermögens sie mitten im Rausche des
Applauses überschleiche. Dieses Gefühl, meinte ich, seien wohlwollende Mah-
nungen des bessern Genius im Darsteller, um ihn vor Übermut und voreiligen
Glauben an eigne Vollkommenheit zu bewahren." Er verzeichnet aber auch,
wie jeder echte Mann sich seines Wertes wohl bewußt, am 24. März 1832
nach der Goethefeier, in welcher Teile aus Egmont, Iphigenie, Tasso und Faust
vorgeführt worden waren: „Mein Mephistopheles fiel ganz so aus, wie ich
mir es selbst vorgestellt hatte. So gewiß ich überzeugt bin, daß von alten
Theaterpersoncn kein einziger sich zum Mephisto eignet, so gewiß weiß ich, daß
unter allen ich noch der beste bin. Das ist unter solchen Umständen keine
Ruhmredigkeit, und darum glaube ich, es mit gutem Gewissen hier notiren
zu dürfen."

In diesen Geständnissen erkennt man das ganze ehrliche Wesen Costenobles.
Er war auch nicht der Mann, um den Mantel nach dem Winde zu hängen.
Seine künstlerische Überzeugung zu opfern, um den Beifall des unverständigen
Publikums zu gewinnen, war er nicht im stände, wie folgende Aufzeichnungen
bekunden. Am 27. November 1823: „König Lear. Ich gab heute den Narren.
Als ich die Rolle bekam, empfing ich sie mit Furcht, weil mir ahnte, daß
meine Ansicht über den Charakter deS Narren nicht mit dem Verlangen des
Publikums übereinstimmen dürfte. Meine Ahnung hat mich nicht betrogen. Ich
wurde zu sentimental und verlor in dem Gefühle, daß mein Spiel nicht an-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/278>, abgerufen am 22.07.2024.