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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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N?le sieht man und wie photographirt man Farben?

Handen sind, wie die sogenannten übervioletten Farben, dem Auge verloren
gehen, weil dieses keine Platten einstellt, welche diesen Farben gegenüber Em¬
pfindlichkeit zeigen. Physiologische Untersuchungen haben nun in der That da¬
hin geführt, dem, was wir eben als möglich hinstellten, einen hohen Grad von
Wahrscheinlichkeit zu geben. Besonders hat auch die Pathologie zu wichtigen
Beobachtungen und Schlüsse" geführt. Das, was wir Farbensehen nennen,
läuft auf eine Reihe in ihrer Art verschiedener Gesichtsempfindungen hinaus.
Note Lichtstrahlen sind abgelenktes weißes Licht, aber die Empfindung von rot ist
nicht eine veränderte Empfindung von weiß, sondern etwas in ihrer Art
andres als die Empfindung von weiß. Beide Empfindungen haben so wenig
mit einander zu thun als eine Flöte mit einer Violine, obwohl beide dieselben
Töne hervorbringen. So giebt es also im Auge besondre Sehiustrumente für
weiße, gelbe, grüne, blaue, rote Lichtstrahlen. Man hat beobachtet, daß, während
der optische Teil des Auges in Ordnung war, einzelne Farbenempfindungen
ausfielen. Es ist bekannt, daß einzelne Menschen farbenblind oder besser
rot-, grün-, blau-, gelbblind sind, daß also bei ihnen gewisse Sorten empfind¬
licher Platten im Auge fehlen. Ein jeder kann die Beobachtung machen, daß
am Rande seines Sehfeldes die Licht- und Farbenempfindungen nicht gleichzeitig
aufhören, sondern daß man noch die Empfindung des Lichtes hat, wo die Farbe
bereits ausgelöscht ist. Führt man eine Stange Siegellack allmählich nach der
Gegend der Schläfe, jedoch ohne das Auge zu bewegen, so tritt zuletzt der Fall ein,
daß sie ihre rote Farbe verliert und schwarz erscheint, woraus zu schließen
ist, daß man am Rande der Sehhaut nur noch auf die Empfindung von
schwarz-weiß eingerichtete Farbenplatten hat. Man redet von rotblind, man
sollte aber rotgrünblind sagen, denn wenn die Empfindung für rot fehlt, fehlt
auch die für grün. Ebenso giebt es blaublinde, denen zugleich die Empfindung
für gelb fehlt. Die entsprechenden Stäbchen scheinen also paarweise zu einander
zu gehören, wie denn auch die Erscheinung der Komplementärfarbe auf einen
Zusammenhang zwischen den Gegenfarben hinweist.

Aus alledem schließen wir, daß wenn die Sehhaut mit einer Photo-
graphischen Platte verglichen wird, wir eigentlich von einem unendlich feinem
Gefüge von Platten reden müßten, die unter sich verschieden und für die ein¬
zelnen Farben einzeln bestimmt sind. Es entsteht im Ange zugleich ein blaues,
gelbes, grünes Bild, und diese Bilder werden im Zentralorgan über einanver
gedruckt, gerade so, wie man die Farbplatten eines Buntdruckes über einander
druckt. Wer um mit einer einzigen Platte ankommt und meint, er könne ein
buntes Bild damit drucken, muß mit seinem Versuche scheitern.

Nun wohl, so mache man es ebenso, man nehme von demselben Gegen¬
stande einzelne Farbenbilder, die schließlich über einander gedruckt werden. Die
photographische Technik hat wirklich diesen Weg eingeschlagen, vermutlich ohne
etwas von den vorhin angestellten physiologischen Erwägungen zu wissen. Man


N?le sieht man und wie photographirt man Farben?

Handen sind, wie die sogenannten übervioletten Farben, dem Auge verloren
gehen, weil dieses keine Platten einstellt, welche diesen Farben gegenüber Em¬
pfindlichkeit zeigen. Physiologische Untersuchungen haben nun in der That da¬
hin geführt, dem, was wir eben als möglich hinstellten, einen hohen Grad von
Wahrscheinlichkeit zu geben. Besonders hat auch die Pathologie zu wichtigen
Beobachtungen und Schlüsse« geführt. Das, was wir Farbensehen nennen,
läuft auf eine Reihe in ihrer Art verschiedener Gesichtsempfindungen hinaus.
Note Lichtstrahlen sind abgelenktes weißes Licht, aber die Empfindung von rot ist
nicht eine veränderte Empfindung von weiß, sondern etwas in ihrer Art
andres als die Empfindung von weiß. Beide Empfindungen haben so wenig
mit einander zu thun als eine Flöte mit einer Violine, obwohl beide dieselben
Töne hervorbringen. So giebt es also im Auge besondre Sehiustrumente für
weiße, gelbe, grüne, blaue, rote Lichtstrahlen. Man hat beobachtet, daß, während
der optische Teil des Auges in Ordnung war, einzelne Farbenempfindungen
ausfielen. Es ist bekannt, daß einzelne Menschen farbenblind oder besser
rot-, grün-, blau-, gelbblind sind, daß also bei ihnen gewisse Sorten empfind¬
licher Platten im Auge fehlen. Ein jeder kann die Beobachtung machen, daß
am Rande seines Sehfeldes die Licht- und Farbenempfindungen nicht gleichzeitig
aufhören, sondern daß man noch die Empfindung des Lichtes hat, wo die Farbe
bereits ausgelöscht ist. Führt man eine Stange Siegellack allmählich nach der
Gegend der Schläfe, jedoch ohne das Auge zu bewegen, so tritt zuletzt der Fall ein,
daß sie ihre rote Farbe verliert und schwarz erscheint, woraus zu schließen
ist, daß man am Rande der Sehhaut nur noch auf die Empfindung von
schwarz-weiß eingerichtete Farbenplatten hat. Man redet von rotblind, man
sollte aber rotgrünblind sagen, denn wenn die Empfindung für rot fehlt, fehlt
auch die für grün. Ebenso giebt es blaublinde, denen zugleich die Empfindung
für gelb fehlt. Die entsprechenden Stäbchen scheinen also paarweise zu einander
zu gehören, wie denn auch die Erscheinung der Komplementärfarbe auf einen
Zusammenhang zwischen den Gegenfarben hinweist.

Aus alledem schließen wir, daß wenn die Sehhaut mit einer Photo-
graphischen Platte verglichen wird, wir eigentlich von einem unendlich feinem
Gefüge von Platten reden müßten, die unter sich verschieden und für die ein¬
zelnen Farben einzeln bestimmt sind. Es entsteht im Ange zugleich ein blaues,
gelbes, grünes Bild, und diese Bilder werden im Zentralorgan über einanver
gedruckt, gerade so, wie man die Farbplatten eines Buntdruckes über einander
druckt. Wer um mit einer einzigen Platte ankommt und meint, er könne ein
buntes Bild damit drucken, muß mit seinem Versuche scheitern.

Nun wohl, so mache man es ebenso, man nehme von demselben Gegen¬
stande einzelne Farbenbilder, die schließlich über einander gedruckt werden. Die
photographische Technik hat wirklich diesen Weg eingeschlagen, vermutlich ohne
etwas von den vorhin angestellten physiologischen Erwägungen zu wissen. Man


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[0243] N?le sieht man und wie photographirt man Farben? Handen sind, wie die sogenannten übervioletten Farben, dem Auge verloren gehen, weil dieses keine Platten einstellt, welche diesen Farben gegenüber Em¬ pfindlichkeit zeigen. Physiologische Untersuchungen haben nun in der That da¬ hin geführt, dem, was wir eben als möglich hinstellten, einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit zu geben. Besonders hat auch die Pathologie zu wichtigen Beobachtungen und Schlüsse« geführt. Das, was wir Farbensehen nennen, läuft auf eine Reihe in ihrer Art verschiedener Gesichtsempfindungen hinaus. Note Lichtstrahlen sind abgelenktes weißes Licht, aber die Empfindung von rot ist nicht eine veränderte Empfindung von weiß, sondern etwas in ihrer Art andres als die Empfindung von weiß. Beide Empfindungen haben so wenig mit einander zu thun als eine Flöte mit einer Violine, obwohl beide dieselben Töne hervorbringen. So giebt es also im Auge besondre Sehiustrumente für weiße, gelbe, grüne, blaue, rote Lichtstrahlen. Man hat beobachtet, daß, während der optische Teil des Auges in Ordnung war, einzelne Farbenempfindungen ausfielen. Es ist bekannt, daß einzelne Menschen farbenblind oder besser rot-, grün-, blau-, gelbblind sind, daß also bei ihnen gewisse Sorten empfind¬ licher Platten im Auge fehlen. Ein jeder kann die Beobachtung machen, daß am Rande seines Sehfeldes die Licht- und Farbenempfindungen nicht gleichzeitig aufhören, sondern daß man noch die Empfindung des Lichtes hat, wo die Farbe bereits ausgelöscht ist. Führt man eine Stange Siegellack allmählich nach der Gegend der Schläfe, jedoch ohne das Auge zu bewegen, so tritt zuletzt der Fall ein, daß sie ihre rote Farbe verliert und schwarz erscheint, woraus zu schließen ist, daß man am Rande der Sehhaut nur noch auf die Empfindung von schwarz-weiß eingerichtete Farbenplatten hat. Man redet von rotblind, man sollte aber rotgrünblind sagen, denn wenn die Empfindung für rot fehlt, fehlt auch die für grün. Ebenso giebt es blaublinde, denen zugleich die Empfindung für gelb fehlt. Die entsprechenden Stäbchen scheinen also paarweise zu einander zu gehören, wie denn auch die Erscheinung der Komplementärfarbe auf einen Zusammenhang zwischen den Gegenfarben hinweist. Aus alledem schließen wir, daß wenn die Sehhaut mit einer Photo- graphischen Platte verglichen wird, wir eigentlich von einem unendlich feinem Gefüge von Platten reden müßten, die unter sich verschieden und für die ein¬ zelnen Farben einzeln bestimmt sind. Es entsteht im Ange zugleich ein blaues, gelbes, grünes Bild, und diese Bilder werden im Zentralorgan über einanver gedruckt, gerade so, wie man die Farbplatten eines Buntdruckes über einander druckt. Wer um mit einer einzigen Platte ankommt und meint, er könne ein buntes Bild damit drucken, muß mit seinem Versuche scheitern. Nun wohl, so mache man es ebenso, man nehme von demselben Gegen¬ stande einzelne Farbenbilder, die schließlich über einander gedruckt werden. Die photographische Technik hat wirklich diesen Weg eingeschlagen, vermutlich ohne etwas von den vorhin angestellten physiologischen Erwägungen zu wissen. Man

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/243>, abgerufen am 03.07.2024.