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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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lvie sieht man und wie photographirt man Farben?

Gelatine zu übertragen, hat man ein bequemes Mittel, die Freihandzeichnung
durch die photographische Aufnahme zu ersetzen und so die einzelnen Farben¬
platten anzufertigen, auch den Schwarzdruck, welcher den Buntdruck vollendet,
unmittelbar durch das photographische Bild zu bewirken. Aber alles dies ist
weit entfernt davon, eine Farbenphvtographie zu sein. Noch weniger können
mit buntem Farbstoff hergestellte Photolithographien oder Kohlendrucke in
Betracht kommen. Wenn von Zeit zu Zeit die Behauptung durch die Zeitung
läuft, das Geheimnis auf einer Platte ein buntes Lichtbild festzuhalten, sei
entdeckt, so glaube ich das eben nicht, denn ich halte eine farbige Photographie
der Natur der Sache nach für unmöglich.

Das photographische Bild entsteht durch die dem Lichte inne wohnende
chemische Kraft, gewisse leicht trennbare zusammengesetzte Körper in seine Grund¬
bestandteile zu zerlegen. Solche Körper sind vor allem die Jod- und Brom¬
silbersalze. Dem Lichte ausgesetzt, zerfallen sie sofort in metallisches Silber
und Jod oder Brom. Durch Behandlung mit Eisenoxydul, Pyrogallussäure
oder Hhdrochinon wird das Silber geschwärzt und so das Bild hervorgerufen,
durch unterschweflichsaures Natron, eine milde Säure, die das metallische Silber
nicht angreift, wohl aber das noch vorhandene nicht zerlegte Jodsilber auflöst
und entfernt, wird das Bild festgehalten.

Eine andre Reihe photographischer Verfahren beruht darauf, daß gewisse
Klebemittel, Zucker, Gummi, Gelatine, dem Lichte ausgesetzt ihre Löslichkeit ver¬
lieren, wenn sie mit doppeltchromsaurem Kali verbunden waren. War nun zugleich
ein Farbstoff beigesetzt, so wird dieser soweit weggewaschen werden können, als
er sich in löslichen Bestandteilen der Klebstoffschicht befand, aber überall da
festgehalten werden, wo die Einwirkung des Lichtes die Löslichkeit aufhob.

Mit diesen beiden Mitteln arbeitet die Photographie. In beiden Fällen
werden alle Dinge, deren Färbung zwischen schwarz und weiß liegt, richtig
abgebildet werden. Wie aber verhalten sich nun abgelenkte Lichtstrahlen, mit
andern Worten die Farben? Auch sie üben eine Photographische Wirkung aus,
aber in eigentümlicher Weise. Je stärker die Ablenkung und die Verzögerung
der Ätherschwingungen eines Lichtstrahles ist, desto geringer ist seine photochemische
Kraft. Im Spektrum haben die roten und gelben Farben die meiste Ablenkung,
die blauen und violetten die geringste. Dem entsprechend sind gelbe und rote
Lichtstrahlen sehr wenig wirksam, blaue desto wirksamer. Wenn man eine blaue
und eine rote Glasscheibe vor sich hat, so kann man sehen, daß sie von gleichem
Farbenwerte für unser Auge sind, photographirt erscheint die eine schwarz, die
andre weiß. So erklärt sich, warum auf Landschaften die blaue Ferne ganz
hell erscheint, während sich das grüne Laub tief dunkel darstellt, warum etwas
gerodete Hände wie Mohrenhände aussehen, während blaue Augen fast farblos
erscheinen. Hier tritt also ein Unterschied zwischen der photochemischen und der
physiologischen Wirkung der Farbe zu Tage, der dem Farbenphotographiren


Grenzboten IV. 1388. 30
lvie sieht man und wie photographirt man Farben?

Gelatine zu übertragen, hat man ein bequemes Mittel, die Freihandzeichnung
durch die photographische Aufnahme zu ersetzen und so die einzelnen Farben¬
platten anzufertigen, auch den Schwarzdruck, welcher den Buntdruck vollendet,
unmittelbar durch das photographische Bild zu bewirken. Aber alles dies ist
weit entfernt davon, eine Farbenphvtographie zu sein. Noch weniger können
mit buntem Farbstoff hergestellte Photolithographien oder Kohlendrucke in
Betracht kommen. Wenn von Zeit zu Zeit die Behauptung durch die Zeitung
läuft, das Geheimnis auf einer Platte ein buntes Lichtbild festzuhalten, sei
entdeckt, so glaube ich das eben nicht, denn ich halte eine farbige Photographie
der Natur der Sache nach für unmöglich.

Das photographische Bild entsteht durch die dem Lichte inne wohnende
chemische Kraft, gewisse leicht trennbare zusammengesetzte Körper in seine Grund¬
bestandteile zu zerlegen. Solche Körper sind vor allem die Jod- und Brom¬
silbersalze. Dem Lichte ausgesetzt, zerfallen sie sofort in metallisches Silber
und Jod oder Brom. Durch Behandlung mit Eisenoxydul, Pyrogallussäure
oder Hhdrochinon wird das Silber geschwärzt und so das Bild hervorgerufen,
durch unterschweflichsaures Natron, eine milde Säure, die das metallische Silber
nicht angreift, wohl aber das noch vorhandene nicht zerlegte Jodsilber auflöst
und entfernt, wird das Bild festgehalten.

Eine andre Reihe photographischer Verfahren beruht darauf, daß gewisse
Klebemittel, Zucker, Gummi, Gelatine, dem Lichte ausgesetzt ihre Löslichkeit ver¬
lieren, wenn sie mit doppeltchromsaurem Kali verbunden waren. War nun zugleich
ein Farbstoff beigesetzt, so wird dieser soweit weggewaschen werden können, als
er sich in löslichen Bestandteilen der Klebstoffschicht befand, aber überall da
festgehalten werden, wo die Einwirkung des Lichtes die Löslichkeit aufhob.

Mit diesen beiden Mitteln arbeitet die Photographie. In beiden Fällen
werden alle Dinge, deren Färbung zwischen schwarz und weiß liegt, richtig
abgebildet werden. Wie aber verhalten sich nun abgelenkte Lichtstrahlen, mit
andern Worten die Farben? Auch sie üben eine Photographische Wirkung aus,
aber in eigentümlicher Weise. Je stärker die Ablenkung und die Verzögerung
der Ätherschwingungen eines Lichtstrahles ist, desto geringer ist seine photochemische
Kraft. Im Spektrum haben die roten und gelben Farben die meiste Ablenkung,
die blauen und violetten die geringste. Dem entsprechend sind gelbe und rote
Lichtstrahlen sehr wenig wirksam, blaue desto wirksamer. Wenn man eine blaue
und eine rote Glasscheibe vor sich hat, so kann man sehen, daß sie von gleichem
Farbenwerte für unser Auge sind, photographirt erscheint die eine schwarz, die
andre weiß. So erklärt sich, warum auf Landschaften die blaue Ferne ganz
hell erscheint, während sich das grüne Laub tief dunkel darstellt, warum etwas
gerodete Hände wie Mohrenhände aussehen, während blaue Augen fast farblos
erscheinen. Hier tritt also ein Unterschied zwischen der photochemischen und der
physiologischen Wirkung der Farbe zu Tage, der dem Farbenphotographiren


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/241>, abgerufen am 22.07.2024.