Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.Die Gelnetsentwicklung ver Linzelstaaten Deutschlands. An dem Befreiungskriege des Jahres 1813 nahm Österreich zunächst keinen Da die militärischen Leistungen Österreichs in jenem ewig denkwürdigen Kriege Die Gelnetsentwicklung ver Linzelstaaten Deutschlands. An dem Befreiungskriege des Jahres 1813 nahm Österreich zunächst keinen Da die militärischen Leistungen Österreichs in jenem ewig denkwürdigen Kriege <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/203661"/> <fw type="header" place="top"> Die Gelnetsentwicklung ver Linzelstaaten Deutschlands.</fw><lb/> <p xml:id="ID_530"> An dem Befreiungskriege des Jahres 1813 nahm Österreich zunächst keinen<lb/> Anteil. Als es endlich gegen Ende des Waffenstillstandes offen auf die Seite<lb/> der Verbündeten trat und dem Franzosenkaiser, der ja der Schwiegersohn des<lb/> Kaisers Franz war, den Krieg erklärte, blieb seine Politik fortwährend in der<lb/> Schwebe, unsicher und unentschlossen. Eine natürliche Folge dieser Politik war<lb/> es, daß seine Kriegführung außerordentlich matt und kraftlos war, und daß die<lb/> Kriegführung Preußens und Rußlands derartig gelähmt wurde, daß mehrfach<lb/> der ganze Erfolg des ungeheuer opfervoller Kampfes in höchstem Grade ge¬<lb/> fährdet wurde. Zum Beweise dafür sei nur auf eine Thatsache hingewiesen.<lb/> Hätten nach der Schlacht bei Leipzig die gesamten Streitkräfte der Verbündeten<lb/> sofort und ohne Zaudern den Rhein überschritten, wären sie entschlossen in<lb/> raschem Vormarsche auf Paris losgegangen, so wäre, so weit Menschen urteilen<lb/> können, ohne nennenswerten Kampf, jedenfalls ohne große Schlachten, wozu<lb/> Napoleon damals einfach keine Soldaten hatte, das erhabene Werk, das schon<lb/> so viel Blut gekostet hatte, rasch zu einem ruhmreichen Ende geführt worden.<lb/> Österreichs abscheuliche Zauderpolitik, die die geradezu lächerliche Erklärung der<lb/> Verbündeten zu Frankfurt vom 1. Dezember 1813 und die darauf folgenden<lb/> nutzlose» Verhandlungen herbeiführte, verschaffte dein großen Schlachtenmeister<lb/> fast drei Monate Zeit, die er mit gewohnter Umsicht und Thatkraft zu so ge¬<lb/> waltigen Rüstungen benutzte, wie es bei dem geschwächten Zustande Frankreichs<lb/> nur möglich war. Ebenso wie diese nicht scharf genug zu verdammende hinter¬<lb/> haltige Staatskunst deu Winterfeldzug von 1814 in Frankreich notwendig machte,<lb/> ebenso verschuldete die durch sie verursachte schwächliche Kriegführung der „Großen<lb/> Armee" unter Schwarzenberg die Verlängerung des Krieges, welche durch ge¬<lb/> meinsames und entschlossenes Vorgehen sicherlich vermieden worden wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_531" next="#ID_532"> Da die militärischen Leistungen Österreichs in jenem ewig denkwürdigen Kriege<lb/> verhältnismäßig so unbedeutend waren, ja verglichen mit den heldenmütigen An¬<lb/> strengungen des kleinen und ausgesogenen preußischen Staates, der, obwohl an<lb/> Gebiet und Einwohnerzahl kaum ein Viertel so groß wie der Kaiserstaat, that¬<lb/> sächlich im Verlaufe des heiligen Kampfes mehr Streiter stellte als dieser,<lb/> geradezu geringfügig erscheinen müssen, hätte mau denken sollen, daß die poli¬<lb/> tischen Vorteile, besonders die Erwerbungen von Land und Leuten, die die<lb/> Regierung des Kaisers für ihren Staat beanspruchte und erlangte, jenen<lb/> Leistungen hätten entsprechen müssen. Aber gerade das Gegenteil war der<lb/> Fall. Während Preußen in allen seinen berechtigten und wohlbegründeten For¬<lb/> derungen nicht bloß auf Widerstreben, sondern teilweise auf den hartnäckigsten<lb/> Widerstand stieß, gelang es der listigen und ränkevollen Politik des schlauen —<lb/> die Bezeichnung „großen" wäre sicherlich höchst unzutreffend — Staatsmannes,<lb/> der die Geschichte des Kaiserstaates an der Donau lenkte, alle Ansprüche, die<lb/> er für Österreich machte, fast mit spielender Leichtigkeit durchzusetzen. Kaiser<lb/> Franz ließ sich seine Gastfreiheit auf dem Wiener Kongreß zwar ein großes Stück</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0226]
Die Gelnetsentwicklung ver Linzelstaaten Deutschlands.
An dem Befreiungskriege des Jahres 1813 nahm Österreich zunächst keinen
Anteil. Als es endlich gegen Ende des Waffenstillstandes offen auf die Seite
der Verbündeten trat und dem Franzosenkaiser, der ja der Schwiegersohn des
Kaisers Franz war, den Krieg erklärte, blieb seine Politik fortwährend in der
Schwebe, unsicher und unentschlossen. Eine natürliche Folge dieser Politik war
es, daß seine Kriegführung außerordentlich matt und kraftlos war, und daß die
Kriegführung Preußens und Rußlands derartig gelähmt wurde, daß mehrfach
der ganze Erfolg des ungeheuer opfervoller Kampfes in höchstem Grade ge¬
fährdet wurde. Zum Beweise dafür sei nur auf eine Thatsache hingewiesen.
Hätten nach der Schlacht bei Leipzig die gesamten Streitkräfte der Verbündeten
sofort und ohne Zaudern den Rhein überschritten, wären sie entschlossen in
raschem Vormarsche auf Paris losgegangen, so wäre, so weit Menschen urteilen
können, ohne nennenswerten Kampf, jedenfalls ohne große Schlachten, wozu
Napoleon damals einfach keine Soldaten hatte, das erhabene Werk, das schon
so viel Blut gekostet hatte, rasch zu einem ruhmreichen Ende geführt worden.
Österreichs abscheuliche Zauderpolitik, die die geradezu lächerliche Erklärung der
Verbündeten zu Frankfurt vom 1. Dezember 1813 und die darauf folgenden
nutzlose» Verhandlungen herbeiführte, verschaffte dein großen Schlachtenmeister
fast drei Monate Zeit, die er mit gewohnter Umsicht und Thatkraft zu so ge¬
waltigen Rüstungen benutzte, wie es bei dem geschwächten Zustande Frankreichs
nur möglich war. Ebenso wie diese nicht scharf genug zu verdammende hinter¬
haltige Staatskunst deu Winterfeldzug von 1814 in Frankreich notwendig machte,
ebenso verschuldete die durch sie verursachte schwächliche Kriegführung der „Großen
Armee" unter Schwarzenberg die Verlängerung des Krieges, welche durch ge¬
meinsames und entschlossenes Vorgehen sicherlich vermieden worden wäre.
Da die militärischen Leistungen Österreichs in jenem ewig denkwürdigen Kriege
verhältnismäßig so unbedeutend waren, ja verglichen mit den heldenmütigen An¬
strengungen des kleinen und ausgesogenen preußischen Staates, der, obwohl an
Gebiet und Einwohnerzahl kaum ein Viertel so groß wie der Kaiserstaat, that¬
sächlich im Verlaufe des heiligen Kampfes mehr Streiter stellte als dieser,
geradezu geringfügig erscheinen müssen, hätte mau denken sollen, daß die poli¬
tischen Vorteile, besonders die Erwerbungen von Land und Leuten, die die
Regierung des Kaisers für ihren Staat beanspruchte und erlangte, jenen
Leistungen hätten entsprechen müssen. Aber gerade das Gegenteil war der
Fall. Während Preußen in allen seinen berechtigten und wohlbegründeten For¬
derungen nicht bloß auf Widerstreben, sondern teilweise auf den hartnäckigsten
Widerstand stieß, gelang es der listigen und ränkevollen Politik des schlauen —
die Bezeichnung „großen" wäre sicherlich höchst unzutreffend — Staatsmannes,
der die Geschichte des Kaiserstaates an der Donau lenkte, alle Ansprüche, die
er für Österreich machte, fast mit spielender Leichtigkeit durchzusetzen. Kaiser
Franz ließ sich seine Gastfreiheit auf dem Wiener Kongreß zwar ein großes Stück
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